Sie.
Während ich mich von ihm trennte, schnappte er nach meinem Arm. Dabei durchzuckte es mich fürchterlich. Nicht nur mich, sondern auch ihn. Mit geweiteten Augen sahen wir uns gegenseitig an. Was war das?
Als ob wir vom Blitz getroffen wurden. Auch wenn dieser Stromschlag an unseren Händen stattgefunden hatte, spürte ich ihn im Herzen. Als ob mein Herz diesen Stromschlag an meinen Arm geleitet hatte und von dort aus, hatte er sich in meinem ganzen Körper verbreitet. Ich wusste, dass er nun hinter meine Fassade blicken konnte, denn meine Augen standen frei. Er konnte nun jedes Gefühl, dass ich gerade fühlte in ihnen lesen. Doch was fühlte ich gerade? Während er mich durchdringlich ansah, zogen sich seine Augenbrauen zusammen, als ob er nicht schlau aus mir wurde. Oder als ob er in meinen Augen nicht meine Gefühle lesen konnte. War das möglich? Dabei wusste ich genau, dass mein kalter Blick nicht mehr saß. Nachdem ich mich einigermaßen von ihm löste, rannte ich aufs Klo, sperrte die Tür ab und ließ mich an der Klotüre niedergleiten. Dass es hier extrem dreckig war, interessierte mich im Moment nicht im geringsten. Was war das gewesen? Wieso regierte mein Körper so auf Milad? Das war nicht das erste Mal. Mein Körper reagierte immer komisch auf Milads Berührungen, zumindest seit einiger Zeit. Doch zum ersten Mal hatte ich so eine abnormale Reaktion gegeben, sonst schaffte ich es doch auch immer meine Reaktionen und Gefühle unter Kontrolle zu halten. Also; was zur Hölle war los mit mir?
Ich versuchte mich zu beruhigen, atmete tief ein und aus, danach lief ich zum Wasserhahn und klatschte mir gefühlte 100 mal eiskaltes Wasser ins Gesicht. Man konnte sich auch nichts anderes als eiskaltes Wasser ins Gesicht klatschen, denn es floss nur kaltes Wasser, weswegen man sich im Winter die Hände abfror.Nachdem ich mich wieder im Griff hatte, lief ich runter in den Keller. Milad hatte sich wieder an die Arbeit gemacht; zumindest etwas!
Er sah kurz auf, als ich den Raum betrat, doch ich senkte schnell meine Blicke. Noch eine peinliche Situation und ich würde sterben. Wirklich sterben! Ohne einander zu beachten, beendeten wir unsere Arbeit. Schnell lief ich zu Nazile, da ich mir Sorgen um sie machte. Sie sah ziemlich mitgenommen aus.
"Hast du Lust auf eine Schokotorte?", fragte ich sie.
"Genau das, was ich jetzt brauche!" Ich schenkte Eymen noch vernichtende Blicke und machte mich mit meiner Freundin auf den Weg zur Bushaltestelle.Nazile. Eymen.
"Wirst du mir erzählen, wieso du letzte Woche geweint hast und wieso du diese Narbe trägst?"
"Nein", antwortete sie auf seine Frage.
"Dann willst du also, dass ich es auf eigene Faust herausfinde?"
"Tu, was du nicht lassen kannst." Sie hatte keine Angst mehr, seitdem sie Michelle ihr Geheimnis anvertraut hatte, fühlte sie sich stärker. Sie war kälter ihm gegenüber, bot ihm die Stirn und das störte ihn extrem. Er versuchte eine andere Taktik.
"Wieso bist du letzte Woche einfach so gegangen?"
"Wollte dich und deine Freundin nicht stören."
"Begüm und ich sind kein Paar." Sie zuckte nur mit ihren Schultern, wollte ihm die kalte Schulter zeigen. Doch dabei hatten seine Worte sie gefreut. Troztdem, dachte sie sich. Trotzdem stand er diesem Mädchen ziemlich nah und das störte sie. Dabei durfte es sie nicht stören. Sollte es sie nicht stören. Wie ging das mit dem Gefühle abschalten nochmal?
Er betrachtete sie, sie zuckte zwar mit ihren Schultern, doch in ihren Augen konnte er die Erleichterung sehen, was ihn wiederum freute, wobei es das ja nicht sollte. Halt-Stopp; wieso freute es sie, dass er keine Beziehung hatte? Sie war doch selbst verlobt. Dieses Gedankenchaos würde ihn noch umbringen. Er legte seinen Eimer und die Zange beiseite, um zu ihr zu laufen. Bei ihr angekommen, hielt er ihr Gesicht zwischen seinen Händen.
"Eymen, lass mich!", zischte sie. Ihr Körper wollte unter seinen Berührungen zittern, doch sie verweigerte es ihrem Körper, was sie wiederum enorme Kraft und Anstrengung kostete. Wenn sie demnächst starb, dann nur wegen diesem Jungen, da war sie sich mehr als nur sicher.
"Sag es!", hauchte er.
"Was?", fragte sie verständnislos. Gute Frage, was genau wollte er wissen?
"Ob du ihn liebst." Er wollte die Antwort auf diese Frage nicht wissen, die Angst, dass es so sein könnte, ergriff ihn. Kurz hielt sie ihre Luft an. Sie konnte nicht lügen, nicht, wenn sie ihm dabei in die Augen sah. Sie konnte ihm nicht mit einem 'Ja, tue ich' antworten, wenn er ihr so in die Augen blickte. In die Augen? Wohl eher in ihre Seele.
"Ja, tue ich. Er macht mich glücklich." Als er diese Worte hörte, erstarrte er kurz. Dabei war er so sehr auf ihre Worte fixiert, dass er gar nicht wahrgenommen hatte, dass sie ihn nicht angeblickt hatte.
Er stieß sie fast schon von sich weg. So als ob sie brennendes Feuer wäre. Diese Geste sorgte dafür, dass Nazile erfror. Gerade eben hatte er sie doch noch mit einem angenehm warmen Feuer erwärmt, wie es ein Kamin im Winter tat. Doch jetzt? Fühlte sie sich mitten in der Antarktis. Einsam und efroren. Was waren das für Gefühle, die beide spürten? Nazile packte wieder ihre Sachen und ging auf den Sporthof.
Während sie erfror, brannte er.Er.
"Was starten wir als nächstes?", hörte ich meinen Kindheitsfreund, während wir beide den zwei Mädchen hinter herguckten. "Nichts."
"Milad!", zischte er.
"Nur wenn du mir erzählst, was zwischen euch vorgefallen ist."
"Dann musst du mir aber erzählen, was heute nach der Pause war." Ich lachte nur auf.
"Okay, du fängst an."
"Spast.""Hat sie dir dabei in die Augen geguckt?", stellte ich ihm plötzlich die Frage. Mein Mund hatte schneller gehandelt als mein Hirn. Was war das für eine gestörte Frage? Ich fühlte mich wie ein Weichei. Wir waren doch nicht die Hauptdarsteller eines Filmes oder die Protagonisten eines Werkes. Wir waren in der Realität. Also wieso zur Hölle hatte mein Mund so eine unfassbar dumme Frage gestellt?
Eymen zog kurz seine Augenbrauen zusammen, was er immer tat, wenn er nachdachte.
"Nein, hat sie nicht. Ist doch scheißegal oder nicht? Ich mein, sie liebt ihn."
"Mhm", machte ich nur.
"Milad, was geht dir durch den Kopf? Denkst du wirklich, dass sich etwas an ihrer Antwort geändert hätte, wenn sie mir in die Augen geblickt hätte?"
"Keine Ahnung man."
"Meinst du dieser Scheiß mit dem 'in-die-Augen-blicken' in Stories und Filmen entspricht der Wahrheit?"
"Woher soll ich das wissen, Eymen? Sehe ich von dort aus wie ein Beziehungstherapeut?" Er stellte seinen Kopf schief.
"Also wenn du ein Hemd, darüber einen ärmellosen Karosweater und eine Brille tragen würdest. Deine Haare auf eine Seite gelen würdest. Dann könntest du wirklich einen Eheberater abgeben."
"Du bist ein Idiot", versuchte ich zu zischen. Doch mein Zischen klang eher nach einem unterdrückten Grinsen.
"Dann komme ich ja ganz nach dir. Erzähl du jetzt, wieso du nach der Pause so spät in den Unterricht kamst."
"Wurde von Selen aufgehalten."
"Und wieso hast du gegrinst?"
"Weil sie mir etwas erzählt hat."
"Junge, lass dir doch nicht alles aus deiner verdammten scheiß Fresse ziehen!", brüllte er mich an, weswegen ich aus vollem Hals lachte.
"Sie hat mir erzählt, dass Michelle wissen wollte, wieso ich mich von Sara dauernd umarmen lasse."
"Und das wollte Michelle wissen?", bohrte er ungläubig nach, worauf ich nur nickte. "Michelle? Unsere Michelle? Michelle Hof? Die Michelle, die du seit der Neunten auf dem Kicker hast? Die Michelle, die mit uns viele Kurse hat? Die Michelle, die der Liebling deines Vaters ist? Die Michelle, die blond und blauäugig ist? Die Michelle, die die Freundin von Nazile ist?"
"Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Nochmals ja. Und zu guter Letzt; Ja."
"Wie hast du das hinbekommen?", fragte er mit Anerkennung in der Stimme. "Berufsgeheimnis", erklärte ich mit einem Zwinkern.
"Okay, ich will es um ehrlich zu sein auch gar nicht wissen. Lass uns darüber reden, was wir als nächstes starten werden."
"Keine Ahnung. Lass einfach noch die nächste Woche abwarten, wird sich bestimmt etwas ergeben."Während Michelle und Nazile ihr Projekt vorstellten, kreischte Nazile plötzlich auf. "Was ist?", hörte ich Michelle besorgt fragen. "Da ist eine Spinne", brachte die Neue schwer raus. Michelle verzog ihre Augenbrauen und sah in die Richtung, in die Nazile sah. Dann griff sie nach einem Papier, wartete, bis die Spinne drauf war, öffnete das Fenster und ließ sie raus.
"Herr Özcan, kann sich Nazile setzen? Ihr Part ist schon zu Ende." Nachdem mein Vater Michelle zunickte, begab sich Nazile auf ihren Platz vor uns. Sie griff zu ihrer Wasserflasche und trank gierig daraus. Ihre Hände zitterten.
Nachdem Michelle ihr Projekt vorgestellt hatte, saß sie sich zu ihrer Freundin. "Geht's?", fragte sie behutsam. Mir wurde immer bewusster, wie wichtig Nazile Michelle geworden war. Sie hatte sie ins Herz geschlossen.
"Ja. Danke Michelle. Hast du eigentlich keine Angst vor Spinnen?", flüsterte die Neue ihr zu.
"Nein. Dafür vor Nagetieren. Also vor allem Ratten, Mäuse und Hamstern." Kurz überlegte ich.
"Ich weiß, was wir als nächstes starten", flüsterte ich mit einem Grinsen Eymen zu.Das Kapitel ist kürzer als die anderen, aber bevor ich euch länger warten lasse, gebt euch bitte damit zufrieden. Ich hatte die Woche echt viel um die Ohren, da meine Mutter von letzten Mittwoch bis diesen Donnerstag in der Türkei war, musste ich mich um den ganzen Haushalt kümmern. Wäsche, Geschirr, kochen, putzen, alles eben. Weswegen ich kaum Zeit zum Schreiben hatte. Schätzt das, was eure Mütter tun. Als Mutter hat man einen 24 Stunden Job, der echt verdammt hart sein kann. Gestern(den ganzen Tag) und heute(von Früh bis Frühabends) war ich auf einer Demenzpaten Schulung, weswegen ich erneut keine Zeit zum Schreiben hatte. Habe mich gerade drangesetzt um weiter zu schreiben, doch meine Augen brennen wie Feuer und das einzige, was ich will ist schlafen.
So das war die Erklärung für meine Entschuldigung. Das nächste Kapitel wird länger, versprochen.
Hoffentlich hattet ihr viel Spaß beim Lesen meine lieben Zuckermenschen! ❤
Seid mir nicht böse, ja? Ich weiß, es ist lästig eine Woche zu warten und dann auch noch ein kürzeres Kapitel zu kriegen, aber ich habe echt keine Kraft zum Schreiben, meine Augen fallen zu.Eure Verâ ♡
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Gebrandmarkt
AlteleSie. Diese Wut in mir würde mich umbringen, ich hatte das Bedürfnis alles um mich zu schmeißen, ohne darauf zu achten, ob es danach in Trümmern lag oder nicht. Denn genau das hatte man tagtäglich mit mir gemacht. Die Einsamkeit, Trauer und Verzweifl...