Kapitel 7

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Marc und ich kamen da an, wo anscheinend auch mein Vater sein musste. Vorm Bahnhof, wo viele Autos geparkt waren. Er musste hier sein.

„Weiß du ungefähr wie dein Vater aussieht?", fragte mich Marc und schaute sich um. Wahrscheinlich dachte er sich, was das für eine Frage war. Ob ich wüsste wie mein Vater aussah. Traurig aber wahr! Ich konnte mich nur noch sehr schwer an ihn erinnern.

Ich überlegte und sagte dann:„So ungefähr wie ich. Dunkelbraunes Haar, Grün-braune Augen."

Ich versuchte ihn zu suchen, aber ich sah ihn nicht. Vor fünf Jahren sah er noch so aus, aber er könnte ganz schnell graue Haare bekommen haben, aber von Gesicht her sah ich genau so aus wie er. Das meinten die ganzen Nachbarn von uns und meine Tante auch, die jedesmal sagte, wenn sie uns besuchte:„Du siehst genauso aus wie dein Vater. Nur in weiblicher Version."

„Ist das dein Vater?", riss Marcs Stimme mich aus meinen Gedanken und ich sah dorthin, wohin er zeigte.

Am Bürgersteig stand ein großer, breitschultriger Mann. Er trug ein blau kartiertes Hemd und eine normale Jeans. Der Mann hat sich gegen ein Mercedes gelehnt und verschränkte seine Arme vor die Brust. Erst dachte ich, dass es nicht mein Vater sein konnte. Er sah irgendwie jünger aus, als er war, doch als ich genauer hinschaute, merkte ich die große Ähnlichkeit. Er hatte dunkelbraune Haare, aber keine Grün-braue Augen, sondern Blau-graue. Da habe ich mich wohl vertan!

„Ja, das ist er", sprach ich es aus und betrachtete immer noch meinen Vater.

„Danke fürs Tragen. Hier schaff' ich's aber alleine", meinte ich freundlich und lächelte Marc dankbar an. Er erwiderte es. Er ließ mein Koffer los und reichte es mir rüber.

„Gern geschehen. War schön dich kennengelernt zu haben, Grace."

Wir tauschten noch Nummern aus und am Ende umarmten wir uns. Danach ging Marc auch. Ich folgte mit meinen Augen seine Schritte und sah wie er die Autotür von seinem Range Rover öffnete. Guter Elternhaus, nh? Zuletzt schaute er nochmal zu mir rüber und winkte mir zum Abschied, bevor er sein Kopf durch die Tür steckte. Dann griff ich nach meinem Koffer und trottelte auf mein Vater zu, der mich anscheinend immer noch nicht gesehen hatte. Als ich näher auf ihn zu kam, heftete er seinen Blick auf mich und bemerkte erst, nachdem er mich gemustert hatte, dass ich es war.

„Hi... Grace."

Mein Blick ruhte auf sein Gesicht und ich war immer noch fasziniert von ihm, wie ähnlich wir uns aussahen.

„Dad", murmelte ich und stand immer noch gegenüber von ihm.

Er stellte sich gerade hin und machte ein Schritt auf mich zu. Es wirkte so, als wollte er auf mich zu kommen, um mich zu umarmen, aber dann rückte er zurück. Stirnrunzelnd sah ich ihn an und hatte keine Lust mehr so dumm herum zu stehen.

„Darf ich meine Sachen hinten verstauen?", fragte ich und weitete meine Augen.

„Lass mich das machen", sagte er schnell und griff nach meinem Koffer. „Auch die Tasche?", fragte er.

Ich schüttelte den Kopf. Er nickte verständlich und verstaute mein Koffer in den Kofferraum. Schließlich öffnete er mir die Tür vom Beifahrersitz und ich setzte mich rein. Er knallte sie zu und lief einmal um die Motorhaube und stieg ins Auto. Bevor er dann losfuhr, wendete er sein Kopf zu mir und betrachtete mich.

„Schön dich wieder zusehen", sagte er, aber es klang nicht wirklich so, als wäre er wirklich froh darüber mich zu sehen. Schließlich fuhr er los.

Die Fahrt dauerte ungefähr zwanzig Minuten. Auf der Autofahrt sprachen mein Dad und ich kein Wort miteinander. Ich hörte Musik mit meinen Kopfhörern und schaute aus dem Fenster. Das Wetter in Bristol war sonnig und schon sehr warm. Als wir dann ankamen, hielt das Auto vor einem großen Haus an. Das Haus war in einem hellen Gelbton, was schon in Richtung Bech ging, gestrichen worden.

Langsam stieg ich aus dem Auto und betrachte das Haus genauer, währenddessen mein Vater mein Koffer nahm und ihn bis zur Haustür trug. Ich folgte ihm dorthin und blieb dann stehen, als er stehen blieb und die Haustür aufschloss. Er ging ein wenig zur Seite, damit ich rein gehen konnte. Als ich das Haus von innen sah, war ich überwältigt. Sobald man in das Haus rein kam, befand man sich in einem Vorzimmer und danach kam sofort das Wohnzimmer. Im Vorzimmer waren die Wände in beige gestrichen worden und ein großes Bild, wo der Eiffelturm abgebildet war, hing an eins dieser Wände. Unter dem Bild war ein hellblauer Sessel und daneben ein kleines Tischlein. Auf dem Boden lag ein in beigefarbener Teppich und er sah ziemlich weich aus. Schon in Vorzimmer fühlte man sich einladend.
Hut ab! Mein Vater wusste, wie man ein Zimmer einrichtete.
Ich ging paar Schritte weiter und schlüpfte durch eine Tür, die zum Wohnzimmer führte. Nicht alle Wände, sondern ein paar waren in Rot. Ich hätte mich auch sehr unwohl gefühlt, wenn alle Wände dunkelrot gestrichen wären. Das wäre zu dunkel, auch wenn sich in diesem Zimmer viele große Fenster befanden. Das Wohnzimmer war ziemlich groß und alles hier wurde so schön und so modern eingerichtet.
Mich würde es nicht wundern, wenn alle anderen Zimmern genauso aussehen würden, wie dieses hier. Bestimmt sahen sie sogar noch besser aus. Meine Vermutung bestätigte sich, als ich die Treppen hoch zum ersten Stock ging. Sogar die Diele war der Wahnsinn. Der ganze Boden in der Diele war nicht aus Holz, sondern aus etwas wie Stein und Glas, Marmor vielleicht. Auf jeden Fall glänzte er. Als ich irgendeine Tür öffnete, sah ich das Badezimmer und ich dachte in diesem Moment, dass ich sterben würde.
Das.War.Kein.Bad.
Ein Bad ist nicht so groß, wie das eines Wohnzimmers, oder sogar größer. Noch nicht einmal Mileys ganze Wohnung war annähernd so groß wie der Badezimmer.

Ich traute mich echt nicht die Schlafzimmern zu sehen. Wenn ein Bad größer war, als mein Schlafzimmer bei meiner Mutter zu Hause, wie groß wäre denn es bei meinem Vater. Nachdem ich mich wieder gefunden hatte, ging ich die Treppen wieder runter zu meinem Vater. Er kam gerade aus dem Wohnzimmer und stand mit mir im Vorzimmer.

„Hast du dein Zimmer gesehen?", fragte er eher desinteressiert.

Meine Laune war wieder mal unten. Gerade noch war ich so begeistert und voller Freunde, und dann hörte ich die Unlust in seiner Stimme. Deshalb benahm ich mich auch so.

„Ne, noch nicht", sagte ich trotzig.

„Hast du Hunger?", fragte er mich wieder mit der selben Stimme. Statt ihm zu Antworten, rannte ich an ihm vorbei, nahm mein Koffer und trug ihn nach oben. Ich schaute in irgendein Zimmer rein. In einem Zimmer war alles modern eingerichtet. Das konnte nicht meins sein. Ich schaute in ein anderes Zimmer herein. Das war ebenfalls nicht mein Zimmer, sondern ein Arbeitszimmer. Dann war da nur noch eine Tür und als ich da reinschaute, trat ich ein und befand mich in ein weiß gestrichenes Zimmer mit weißen Hochglanz Möbeln. Das musste es sein, weil hier nichts wirklich eingerichtet war. Ein großes weißes Bett, ein Schrank, was genauso breit, wie eins dieser Wände war. Dann noch ein Schreibtisch mit einem Stuhl und in einer Ecke befand sich meine eigene Sitzecke mit Sofa und Fernseher. Im großen und ganzen war mein Zimmer riesig. Größer als das Bad. Das war fast so groß wie das Wohnzimmer. Ich fing an schwer zu glauben, dass mein Vater reich war. An Geld fehlte es ihm höchstwahrscheinlich nicht. Ich musste dringend heraus finden, als was er arbeitete. Und wie konnte er alles so schnell einrichten? Er erfuhr von meinem Einzug erst gegen 3 Uhr morgens. Vielleicht war das Zimmer schon so eingerichtet. Halt als Gästezimmer.

Auf einmal realisierte ich alles. Ich war hier bei meinem Vater. Und das nur, weil meine Mutter mich nicht mehr ertragen konnte. Aus irgendeinem Grund traf mich das schon etwas. Wie sollte man sich auch sonst fühlen, wenn die eigene Mutter die Nase voll von ihrem Kind hat. Bestimmt wartete mein Vater ebenfalls nur darauf, dass ich achtzehn wurde und endlich wieder verschwinden konnte. Ein Monat müsste er mich ertragen.

Um diesen Gedanken zu verdauen, musste ich mich erstmal hinsetzten. Ich setzte mich auf die Bettkante und hielt beide Hände vors Gesicht und schloss trotzdem die Augen, um das alles hier realisieren zu können. Als ich dann die Augen wieder öffnete und meine Hände zur Seite tat, sah ich gerade aus und sah aus dem großen Fenster, aber als ich genauer hinschaute, wusste ich dass es kein großes Fenster war, sondern eine Verandatür. Ein Balkon.
Ich ging langsam darauf zu. Als ich nah genug stand, machte ich die Tür auf und befand mich auf der Veranda. Augenblicklich blies mir eine leichte Brise durch meine Haare. Es fühlte sich herzlich an die Sonne auf der Haut zu spüren. Ich entdeckte eine Art Sofa auf dem Balkon, welches etwas im Schatten platziert wurde. Als ich es erspähte kam mir sofort die Müdigkeit hoch. Daraufhin wollte ich nur noch schlafen, weshalb ich mich darauf legte und die Augen schloss.

Zuletzt hörte ich Kinder in ihren Gärten Ball spielen und schlief ein.

Dark HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt