Kapitel 8

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Wieso hat er mir nicht gesagt, dass ich diese wichtige Präsentation halten muss? Mein Herzschlag vibriert an meiner Bluse. Ich habe große Teile mit vorbereitet, aber die Details kenne ich nicht. Vor ein paar Wochen haben wir uns einmal darüber unterhalten, dass so eine Präsentation für mich eine große Chance wäre. Wie fühlst du dich? Oliver. Es ist ein wichtiger Auftrag, es geht um viel Geld. Du wirst das super machen. Noah. Hätte ich doch nur besser zugehört.

Ausgerechnet bei so einem wichtigen Kunden soll ich das Konzept präsentieren? Ich schlucke. Noah nickt noch einmal zur Leinwand. Langsam stehe ich auf und gehe mit wackeligen Beinen nach vorne. Ich wische meine Hände an meiner Hose ab und blicke zu Noah. Er runzelt die Stirn. Oliver sieht mich mit ernster Miene an, Paula schreibt immer noch.

Ich räuspere mich und tippe auf das Tablet. Das Display wird hell und ich tippe auf den grünen Pfeil, um die Präsentation zu starten.

„Sehr geehrte Dame", sage ich und lächle die kleine Dame an.

„Sehr geehrte Herren", ich suche ihren Blick. Zwei tippen auf ihre Tablets, der Dritte sieht mich ausdruckslos an.

„Ich freue mich, Ihnen heute unser Konzept für ihr wunderbares Produkt präsentieren zu dürfen" Produkt? Noah runzelt die Stirn. Es geht um Luxusreisen. Ich räuspere mich und verschränke meine Finger. Das fühlt sich komisch an. Ich öffne meine Hände und deute auf eine der Folien.

„Ähm, das Branding ist essentiell für Ihren Platz am Markt", sage ich. Wie war der Name noch gleich? Mir steigt die Hitze in die Wangen. Ich klicke zur nächsten Folie und mache eine Handbewegung zur Leinwand. De-Lux-Us steht in großen Buchstaben auf der Folie.

„De-Lux-Us ist eine Komposition aus Deluxe und Luxus. Wir möchten damit den Wert ihrer Dienstleistung vermitteln", sage ich. Oh, was rede ich da. Ich überfliege die nächste Folie und blicke zu Noah. Er sieht ernst aus. Oliver blättert in seinen Unterlagen. Die Kunden tippen auf ihren Tablets. Ich kämpfe mich von Folie zu Folie und atme auf, als endlich die letzte Folie entdecke. Ich atme auf.

„Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit", sage ich, gehe zu meinem Platz und setze mich. Noahs Kiefermuskeln zucken. Oliver verwickelt die Kunden in ein schleppendes Gespräch, endlich höre ich den Abschluss-Smalltalk. Die Kunden verlassen den Raum und ich stütze mich auf meine Stuhllehne.

„Was zur Hölle war das?", faucht Noah hinter mir.

Ich drehe mich um und sehe ihn an. Seine Kiefermuskeln sind angespannt, seine Augen zu Schlitzen verengt.

„Wie bitte? Warum wusste ich davon nichts?", frage ich laut und fuchtle mit dem Finger Richtung Leinwand. Er lacht bitter.

„Du wusstest davon nichts? Das ist wirklich interessant, Lilia. Denn seit Tagen rede ich über nichts anderes mehr", sagt er laut und sammelt seine Unterlagen ein.

„Du hast über einen ach so wichtigen Kunden gesprochen. Aber nicht darüber, dass ich diese verdammte Präsentation halten soll", sage ich hektisch. Meine Stimme ist viel zu hell.

„Hör mir in Zukunft einfach besser zu, wenn ich mit dir rede" sagt er langsam. In seiner Stimme liegt so viel Enttäuschung. So viel Wut. Jedes Wort bohrt sich schmerzend in mein Herz. Er redet immer nur über die Arbeit und ich habe anscheinend nicht zugehört. Ich fühle mich schlecht. Er verlässt den Raum und lässt mich alleine. Die plötzliche Stille dröhnt in meinen Ohren.

- - -

Ich stehe in unserer Küche und schenke mir ein Glas Wasser ein. Mit einem lauten Knall fällt die Haustüre ins Schloss, ich zucke zusammen. Ich höre Noahs schwere Schritte im Flur.

„Was hast du dir dabei gedacht?" Seine Stimme wird lauter, er kommt näher. Ich knalle mein Glas auf die Arbeitsplatte. Er erscheint in der Türe und funkelt mich an.

„Weißt du eigentlich, was hier für Beträge auf dem Spiel stehen?", er wird immer lauter. Das ist doch lächerlich. Als wäre ich alleine für alles verantwortlich. Ich stürme an ihm vorbei. Meine Schulter prallt gegen seinen Oberarm, er dreht sich weg. Ich renne die Treppe nach oben, lege mein ganzes Gewicht in jeden Schritt. Ich bin nicht schuld. So eine wichtige Präsentation hätte er mit mir durchsprechen müssen. Er ist derjenige, der mich ins kalte Wasser geworfen hat. Und jetzt ist er sauer? Im stürme ins Schlafzimmer und schlüpfe in meine Joggingklamotten. Ich höre das Knarzen der Treppe hinter mir.

„Geb jetzt ja nicht mir die Schuld", fauche ich. Ich drehe mich um und sehe ihn ins Schlafzimmer kommen. Mein Blick bleibt an der offenen Kleiderschranktüre hängen. Ich stampfe zum Schrank.

„Und mach verdammt nochmal die scheiß Türen zu", fauche ich und knalle die Türen zu. Wie oft ich ihm das schon gesagt habe.

„Was? Um was geht es hier? Geht es jetzt um den verdammten Schrank?", fragt er laut und deutet auf den Kleiderschrank. Ich stürme an ihm vorbei. „Du warst doch zuletzt hier! Ich war schon in der Firma, da hast du noch geschlafen. So wie offensichtlich bei jedem Gespräch, das wir über die Firma führen", sagt er laut.

Meine Augen füllen sich mit Tränen, ich renne die Treppen nach unten. Seine schweren Schritte dröhnen hinter mir. Ich schlüpfe in meine gelben Schuhe.

„Ach, jetzt haust du ab?", er lacht bitter.

„Nenn es wie du willst", sage ich und knalle die Haustüre hinter mir zu.




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