Prinzessin

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Endlich ist sie hier. Bei mir. „Guten Morgen, Prinzessin", sage ich sanft. Sie atmet durch die Nase. „Aufwachen", flüstere ich. Ihre Atmung verändert sich. Langsam hebt sie ihren Kopf und öffnet ihre Augen. Nein. Nein. Nein. Was ist mit ihr passiert? Ihre Augen sehen so anders aus. Wo ist das Strahlen? Wo ist das goldene Funkeln?

„Prinzessin, was ist mit dir?", frage ich und gehe vor ihr in die Hocke. Ich lege meine Hände auf ihre Jeans. Sie zittert. Ich streiche über ihre Beine und hoffe, dass ihr dadurch wärmer wird. Ihre Nasenflügel pulsieren. Wieso atmet sie so schnell?

„Schhhh...ich bin ja da", flüstere ich und nähere meine Hand ihrem Gesicht. Sie weicht zurück, doch ich lege meine Hand an ihre Wange. Sie schließt ihre Augen. Wieso ist sie so anders?

Sanft streiche ich mit meinem Finger über ihre Wange, streiche über den Rand des Klebebandes. Ich möchte ihre Lippen berühren. Ich nehme die Ecke des Klebebandes zwischen meine Finger und reiße es mit einem Ruck herunter. Sie schreit und beugt sich zur Seite. Ihre Haare fallen ihr ins Gesicht, sie keucht und atmet heftig. Ich lege meine Hand an ihr Kinn und drehe ihr Gesicht zu mir. Sanft streiche ich ihr die Haare aus dem Gesicht und sehe sie an.

„Shane", flüstert sie. Wie schön mein Name aus ihrem Mund klingt. „Was...willst du?", flüstert sie. „Dich", sage ich ehrlich und hebe mein Messer auf. „Mich?", keucht sie. „Für immer", sage ich und zucke mit den Schultern. Ihre Augen weiten sich. „Was ist mit... wo ist...Noah?", fragt sie. Wo. Ist. Noah. Noah. Noah. Ich schließe meine Augen und spüre, dass ich meine Zähne aufeinanderpresse.

Noah. Noah. Noah. „Wieso liebst du ihn?", frage ich so ruhig ich kann und sehe, wie eine Träne über ihre Wange läuft. Sie wimmert. „Er ist kein guter Mensch, weißt du?", sage ich und gehe vor ihr in die Hocke. „Er hat mir meine Nathalie weggenommen"

„Deine?", keucht sie und sieht mich mit großen Augen an. „Ja", sage ich und betrachte die roten Flecken auf dem Boden. „Sie war meine Freundin", sage ich und erinnere mich an sie."Sie wollte, dass ich in ihrer Nähe bin. Wie sie mich angesehen hat, wie sie es genossen hat, wenn ich ein paar Schritte hinter ihr war. Sie wollte mit mir zusammen sein. Sonst hätte sie mich doch nicht so angesehen. Aber sie konnte sich einfach nicht von ihrem Freund trennen. Ich dachte, sie würde ihn nicht mehr lieben und da habe ich ihr geholfen", sage ich und hebe ihr Kinn an.

„Hast...hast...du...", stottert sie und Tränen laufen über ihre Wangen. Ich streiche ihr über die Haare, lege meine Hand in ihren Nacken und lege meine Stirn an ihre Stirn. Ich spüre, wie sie sich anspannt. „...ihn umgebracht?", flüstert sie. Ihr heißer Atem streift mein Gesicht. „Sie wollte doch mit mir zusammen sein", sage ich. „Was hätte ich denn machen sollen? Sie wollte das doch so" Lilias Körper bebt, ich höre ihre Atmung. Stoßweise.

Ja, Dave war eine Drecksarbeit. Doch ich dachte, sie wäre es wert gewesen. „Endlich hätte ich mit Nathalie alleine sein können, doch dann kam dein Typ. Er hat sie ständig begleitet" Was für eine Schlampe Nathalie doch war. Ich stehe auf und fahre mir durch die Haare. „Noah", schluchzt Lilia und wendet ihren Blick ab. Sein Name rauscht durch meinen Körper und reißt jedes Gefühl mit sich. Er verwandelt meinen Körper in einen brodelnden Abgrund, der alles mit sich reißen möchte. Ich stelle mich vor sie, lege die flache Klinge an ihre Wange und drehe ihren Kopf zu mir.

„Er wollte sie mir wegnehmen", presse ich zwischen meinen Zähnen hervor. Ich höre sie schluchzen. Ja, die Wahrheit tut weh. „Er wollte sie be...", flüstert sie, doch sie schluchzt so sehr, dass ich sie nicht verstehe. „Prinzessin?", frage ich. „beschützen...vor dir", flüstert sie.

„Nein, Prinzessin. Er wollte sie mir wegnehmen. Aber ich habe sie mir geholt", sage ich und deute auf die roten Flecken auf dem Fußboden. Ich merke, wie sich bei dem Anblick der Erinnerungen die Schwärze in meinem Körper ausbreitet. Dumpf schleicht sie durch meine Adern und legt sich brodelnd um mein Herz.

„Ja, endlich war sie hier. Endlich war sie bei mir. Es hätte so schön sein können, weißt du? Doch sie hat ständig von diesem dämlichen Dave gesprochen. Sie konnte ihn einfach nicht vergessen", sage ich. „Ja, vielleicht lag es an mir...ich hatte viel um die Ohren. Ich hatte kaum Zeit für sie, denn ich musste mich ja noch um Noah kümmern, denn niemand nimmt mir meine Prinzessin weg, weißt du?", sage ich und streiche ihr mit dem Daumen über ihre Unterlippe, doch sie presst ihre Lippen zusammen.

„Ich wollte ihm geben, was er verdient hat", sage ich und beuge mich zu ihr. „Ich bin ihm gefolgt, und dann warst da plötzlich du", sage ich und erinnere mich an den Moment, als ich sie zum ersten Mal gesehen habe. Sie kam aus seiner Firma. Sie war in Gedanken versunken aber sah so fröhlich aus. Mein Herz wurde leichter, ich konnte nicht aufhören, sie anzusehen. Ich wollte mehr von ihr. Ich wollte sie. Und das Schicksal wollte es auch, oder sollte es ein Zufall sein, dass ich zu diesem Zeitpunkt eine Marketingfirma gesucht habe?  „Ich wusste, dass du die Richtige bist", sage ich.

„Warum hast du Noah nichts getan?", fragt sie und ich lache. Was für eine dumme Frage. „Du hättest dich doch nie in mich verliebt, wenn du dir um ihn Sorgen gemacht hättest. Weißt du, Prinzessin ich habe aus meinen Fehlern gelernt. Nathalie hat ihren Freund vermisst, sie hat ihm vertraut, hat ihn geliebt. Sie konnte mich nicht lieben. Wegen ihm. Aber du...solltest nur noch mich lieben", sage ich und ich sehe, wie sich ihre Augen weiten. „Facebook...die Emails...du!", keucht sie und ich lache. Ich lache laut.

„Sag mir, Lilia...liebst du mich?", frage ich und sehe sie an.

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