Kapitel 23

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Ich sitze mit Oliver beim Frühstück. Er erzählt mir über neue Projekte und über Pläne für die Zukunft. Doch ich bin abgelenkt, sehe aus dem Fenster, denke an Noah. Ich habe ihn betrogen. Ich habe das getan, für das ich ihn so verurteilt habe. Ob er sich auch so gefühlt hat? Ob er auch dachte, nach diesem neuen Gefühl süchtig zu sein, obwohl er dabei fast erstickt? Ich weiß, dass ich mit ihm sprechen muss, obwohl ich nicht weiß, was ich sagen soll.

Ich trinke meinen Kaffee und verschlucke mich, als ich Shane über den Parkplatz gehen sehe. Er hat seine Haare in Ordnung gebracht und schlendert zu einem schwarzen Mercedes. Die Erinnerungen treiben mir die Hitze in die Wangen. Wie ein Flittchen bin ich mit ihm im Bett gelandet. Ich fühle mich schlecht, doch gleichzeitig genieße ich die Erinnerung an seinen Atem, seine Hände und seinen Körper auf meiner Haut.

Ich sehe ihm nach, betrachte seinen Körper, beobachte seine Bewegungen und es fühlt sich an, als könnte ich ihn noch spüren. Jede Faser meines Körpers hat seine Nähe und seine Berührungen gespeichert und erinnert mich an ihn. Shane öffnet die Autotür und blickt einen Moment zu mir. Kann er mich durch die Scheibe sehen? Mein Herz schlägt schnell, ich rutsche auf meinem Stuhl hin und her, wende meinen Blick ab und merke, dass mich Oliver beobachtet. Er folgt meinem Blick, doch Shane ist bereits eingestiegen und parkt aus. Er hat sich einen Flug und ein Mietauto gebucht und ist hier her gekommen. Für mich. Weil er mich sehen wollte.

„Hat er sich bei dir gemeldet?", fragt Oliver.

„Wer?", frage ich und sehe ihm nach. Beobachte, wie er über den Parkplatz fährt und verschwindet.

„Noah", höre ich Oliver sagen und bemerke meine dumme Frage, merke, wie mir die Hitze in die Wangen steigt.

„Äh nein. Bei mir hat er sich noch nicht gemeldet. Bei dir?", sage ich schnell. Oliver runzelt die Stirn und sieht mich an.

„Nein", sagt Oliver. Ich weiß nicht was er denkt, weiß nicht, ob er weiß, dass Noahs Handy bei der Polizei ist, und entscheide mich dazu zu lügen.

„Er hat viel zu tun. Er meldet sich sicher noch. Naja, du weißt ja, wie das...", sage ich doch Oliver unterbricht mich. „Ja, ich weiß", sagt er und steht langsam auf, „lass uns nochmal alles durchsprechen" Er deutet mir mit einer Handbewegung den Weg und wir gehen gemeinsam zum Meetingraum.

„Bist du nervös?", fragt Oliver.

„Ja", sage ich ehrlich und versuche zu lächeln. Oliver sieht mich von der Seite an und nickt.

„Du wirst das sicher gut machen. Wenn du den Verkaufsleiter überzeugst, kann nichts passieren. Was er sagt, wird gemacht", sagt er.

„Welcher der Herren ist das?", frage ich und versuche mir die drei Herren ins Gedächtnis zu rufen.

„Er war letztes Mal nicht dabei. So ein wichtiger Mann kommt nur zu den Abschlussverhandlungen", sagt Oliver und zwinkert mir zu.

„Oh", sage ich, denn mehr fällt mir nicht ein. Ich merke, dass mein Herz schneller schlägt und bin froh, dass Oliver mit mir nochmal alles durchsprechen möchte. Wir betreten den großen Raum. In der Mitte steht ein großer Tisch, um ihn herum dunkle Stühle mit hohen Lehnen. Ich schlucke. Wir setzen uns und Oliver erklärt mir den Ablauf. Er versucht mit Mut zu machen, doch er weiß nicht, wie sehr er mich einschüchtert. Ich höre ihm zu und merke, dass Oliver hinter mich blickt. „Die Herrschaften sind nun im Haus", sagt eine weibliche Stimme.

„Vielen Dank", sagt Oliver und nickt. Ich drehe mich um und sehe eine Hotelangestellte aus dem Raum gehen, spüre die Aufregung in meinem Körper. Mein Mund ist trocken, mein Herz schlägt schnell, ich höre die dunklen Stimmen der Kunden. Alles wirkt dumpf, mein schlechtes Gewissen wirkt wie eine Hülle, die sich um mich legt. Das Stimmengemurmel wird lauter, ich sehe die drei mir bekannten Herren durch die Tür kommen. Sie sind groß, die Anzüge dunkel. Ihre dunklen Stimmen dröhnen in dem Raum, wirken bedrohlich und unruhig. Ich reiche ihnen meine Hand und halte die Luft an, als mir der eine wie schon beim letzten Mal meine Hand quetscht. Freak.

Die plappernde Sekretärin schießt wieder auf mich zu. „Ach Hallo. Mensch, das ist aber eine schöne Idee, die Kampagne hier in der Schweiz zu präsentieren. Immerhin geht es ja um Luxusreisen. Also unser Hotel ist wirklich atemberaubend. Aber Ihres ist ja auch sehr schön. Es ist so modern und doch sehr klassisch, finden Sie nicht?" Ich lächle und nicke.

Im Augenwinkel sehe ich, dass Oliver noch einen Herren begrüßt. Der Verkaufsleiter ist also hier. Die Sekretärin sagt etwas über die Berge und über Heidi, aber ich höre sie nicht mehr. Wie ein Magnet wird meine Aufmerksamkeit von dem vierten Herren angezogen. Ich spüre Olivers Hand an meiner Schulter und drehe mich zu ihm.

„Lilia, das hier ist Herr Leroy", sagt Oliver und mir stockt der Atem.

„Herr Leroy, das hier ist meine beste Kraft, Frau Lilia Wess", sagt Oliver, doch ich versinke bereits in Shanes blauen Augen.

„Sehr erfreut", sagt Shane mit einem schiefen Grinsen und reicht mir seine Hand.

„Hallo", krächze ich und spüre die Hitze in meinen Wangen.

„Herr Leroy ist der Verkaufsleiter", sagt Oliver und sieht kurz zu mir. "Wir sind froh, dass Sie heute hier sind. Nicht wahr, Lilia? ", fragt er und blickt zurück zu Shane.

„Hallo", sage ich nochmal und höre, wie Shane grinsend Luft durch die Nase presst. Er findet das witzig? Mir ist nicht nach lachen zumute. Ich blinzle schnell. Was macht er hier? Ich verstehe das nicht. Shane zieht grinsend eine Augenbraue nach oben und blickt auf unsere Hände. Ich halte seine Hand immer noch in meiner und schüttle sie. „Äh, ja. Freut mich, Sie kennenzulernen", sage ich schnell und lasse seine Hand los.

Er hat doch gesagt, dass er in einer Werkstatt arbeitet. Was macht er dann hier? Meine Gedanken drehen sich, überschlagen sich. Er hat mich angelogen. Er war gar nicht wegen mir hier? Er ist hier sowas wie der Chef? Und ich habe mit ihm geschlafen. Ich blinzle immer noch viel zu schnell. Er hat sich rasiert, trägt einen dunklen Anzug, ein weißes Hemd und eine dunkle Krawatte. Seine blauen Augen leuchten, seine Ausstrahlung raubt mir den Verstand. „Setzen wir uns doch", sagt Oliver und bietet den Kunden einen Platz an.




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