Kapitel 35

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Die dröhnende Stille meines Büros droht mich zu erdrücken. Oliver hat uns gesehen. Mein Atem rasselt laut, mein Herz pocht wild in meiner Brust und ich kralle mich an meinem Schreibtisch fest. Jetzt ist alles vorbei. Ich verliere meinen Job. Ich verliere Noah. Ich verliere alles.

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Ich versuche mich zu beruhigen. Vielleicht hat er nichts gesehen. Vielleicht interpretiere ich einfach zu viel in seinen Blick. Ich versuche weiterzuarbeiten, doch ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Bei jedem Geräusch zucke ich zusammen und halte den Atem an, sobald sich Schritte meinem Büro nähern. Oliver wird sauer sein. Er wird mir den Kopf abreißen. Er wird mir das nie verzeihen. Ich habe seinen Sohn betrogen und er hat es herausgefunden. Er wird es Noah erzählen. Ich bin nicht besser als er. Ich verurteile ihn für etwas, das ich längst selbst mache.

Als ich endlich Feierabend habe schließe ich meine Programme, nehme meine Tasche und verlasse mein Büro. Ich gehe am Empfang vorbei und sehe, dass Olivers Türe offen steht. Der Termin ist also vorbei, und Shane nicht mehr im Büro. Ich beschleunige meinen Schritt und hoffe, dass mich Oliver nicht sieht. Ich drücke auf den Aufzugknopf und bete, dass er schnell kommt. Mit meinen Fingern trommle ich auf meine Tasche und atme tief durch, als sich endlich ratternd die Türen öffnen.

Ich stelle mich in den Aufzug und beobachte, wie sich die Türen langsam schließen. Gleichmäßig gleiten sie zu und verschlucken mich in dem geschützen kleinen Raum. Doch plötzlich sehe ich eine Hand an der Lichtschranke. Es kracht laut, die Türen öffnen sich wieder und ich sehe Olivers ernstes Gesicht.

„Oliver", keuche ich und merke, dass mein Herz viel zu schnell klopft. Er schweigt und betritt den Aufzug. Seine mächtige Erscheinung scheint mich zu erdrücken und ich schlucke, als er sich langsam zu mir dreht und mich mit ansieht. Ich sehe, wie sich hinter ihm die Türen schließen und blinzle schnell.

Ruckelnd setzt sich der Aufzug in Bewegung, doch Oliver drückt auf den Notschalter. Mit einem Ruck bleibt der Aufzug stehen. Ich sehe zwischen ihm und dem Notschalter hin und her und keuche. „Was ...?", frage ich laut, doch verstumme, als ich seinen kalten Blick sehe. „Was war das mit Herrn Leroy?", fragt er laut und seine Stimme dröhnt in meinen Ohren. Mein Herz klopft wild in meiner Brust, ich weiche einen Schritt zurück und spüre die Aufzugwand an meinem Rücken.

„Ich...also...es ist", stottere ich und blinzle schnell. „Du...was?", äfft er mich nach. „Oliver", sage ich leise, „ich weiß nicht, was du gesehen hast, aber es ist..." Er macht einen Schritt auf mich zu und bleibt dicht vor mir stehen. Ich muss zu ihm aufblicken und verstumme. Ich rieche sein herbes Parfum und merke, wie sich seine Stimmung bedrohlich um mich legt. Der Wände scheinen näherzukommen und drohen mich zu erdrücken. Olivers Haut wirkt grau und fahl, seine Augen leuchten dunkel.

„Warum denkst du, dass ich das geduldet habe?", fragt er und verengt seine Augen zu Schlitzen. „W...Was? Wovon...", frage ich doch er unterbricht mich mit einem lauten Lachen. „Deine Präsentation war richtig schlecht. Kein Kunde der Welt hätte uns einen Auftrag gegeben" Ich spüre, dass mein Herzschlag meine Bluse vibrieren lässt und halte den Atem an.

„Denkst du, ich habe das nicht gemerkt?", fragt er. „Denkst du, ich habe ihn nicht bei dir im Zimmer gesehen? Denkst du, ich wusste es nicht schon die ganze Zeit?", fragt er und lacht wieder. „Du bist so dumm" Er sieht mich von oben herab an. „Denkst du ich weiß nicht, dass wir den Auftrag erhalten haben, weil du deine Beine breit gemacht hast? Du bist ein leichtes Mädchen, Lilia" Ich keuche. Er wusste es? Er hat uns gesehen und wusste es die ganze Zeit.

„Ich muss zugeben, ich hätte nicht gedacht, dass du so billig bist", sagt er und beugt sich noch ein Stück weiter zu mir. Sein Gesicht ist so nah an meinem, dass ich seinen heißen Atem auf meiner Wange spüren kann. „Aber Lilia, ich warne dich", knurrt er nahe an meinem Ohr. Sein heißer Atem verätzt meine Haut, meine Muskeln sind zum zerreißen gespannt und ich schließe meine Augen. „Du wirst uns den Auftrag nicht versauen" Seine Worte dröhnen in meinen Ohren und ich merke, dass er sich ein Stück zurück beugt. Ich öffne meine Augen und sehe seinen ernsten Blick.

„Was...was meinst du?", keuche ich. „Mach Herrn Leroy nicht unglücklich", sagt er kalt. „Was? Ich...aber Noah?", keuche ich. „Noah ist dir doch egal", lacht er ein Lachen, das mir bis in die Knochen dringt. „Weißt du, Privat ist Privat und Geschäft ist Geschäft", sagt er und zuckt mit den Schultern. „Ich sage es nochmal: Du wirst uns den Auftrag nicht versauen. Denk nicht mal dran, deine Beine jetzt zusammenzupressen"

Seine Worte demütigen mich. Ich würde ihn gerne anschreien, doch ich bin wie gelähmt. Ich fühle mich schmutzig und ausgenutzt. Oliver weicht zurück und ich blinzle schnell. Er dreht sich um und drückt wieder auf den Notschalter. Ich betrachte seinen Rücken, seine breiten Schultern und kralle mich an meiner Handtasche fest.

„Noah hat sowieso eine bessere  verdient als dich", sagt er nach vorne. Ich schlucke, und habe das Gefühl, als würde mein Herzschlag den Aufzug vibrieren lassen. „Und lass dir eins gesagt sein", sagt er und dreht sich wieder zu mir. „Ich kündige dich, wenn du das hier versaust. Du weißt, ich habe Kontakte...Du wirst keine Arbeit mehr finden. Ich werde Noah dazu bringen, dass du aus seinem Haus ausziehen musst. Du bist so schnell arbeits- und obdachlos, so schnell kannst du gar nicht Shane stöhnen", sagt er abfällig und funkelt mich an.

Hinter ihm öffnen sich plötzlich ratternd die Aufzugtüren. Das helle Licht fällt in den düsteren Aufzug und die aufgeheizte Luft strömt nach draußen. Oliver löst seinen Blick von mir, dreht sich um und lässt mich stehen. Mir ist schwindelig, ich rutsche an der Wand ein Stück nach unten und presse mir meine Handtasche an die Brust.

Ich kann nicht fassen, was gerade passiert ist. Ich atme viel zu schnell und merke, dass sich die Türen wieder schließen. Der Aufzug setzt sich in Bewegung, ich richte mich wieder auf und ich halte mich an der kalten Wand fest. Oliver bedroht mich. Er erpresst mich, weil ich so dumm war. Ich muss hier weg. Die Aufzugtüren öfnnen sich und ich renne in der Dunkelheit zu meinem Auto.

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