Miststück

7K 505 108
                                    

Ich öffne die schwere Türe und betrete den düsteren Raum. Die feuchte Luft legt sich über meine Haut, es riecht abgestanden, modrig. Sie sitzt nicht auf dem Stuhl. Ich habe sie losgebunden, damit sie etwas essen und trinken kann. Ich suche mit meinen Augen die dunklen Ecken ab, doch dort ist sie nicht. Es ist immer das gleiche. Sie versteckt sich, denkt, sie könnte mich überwältigen. Sie ist so süß.

Ich höre ihre Schritte neben mir trippeln, höre sie kreischen. Ich drehe mich um, spüre, wie sie ihre Fingernägel in meinen Oberarm drückt. Ich drücke sie mit einer schnellen Handbewegung von mir weg. Das dumpfe Geräusch dröhnt in meinen Ohren, als sie gegen die Wand knallt. Sie wimmert und sackt zusammen, rutscht an der Wand entlang und gleitet lautlos auf den Boden. Ich gehe vor ihr in die Hocke, streiche ihr die Haare aus dem Gesicht.

„Bitte", flüstert sie und hebt ihre zitternden Hände vor ihr Gesicht. Ihr ist kalt. Ich werde sie ins Bett legen, damit sie sich zudecken kann. Ich hebe sie hoch, sie ist so leicht geworden. Ich trage sie durch den Raum und lege sie auf das Bett.

Ich lege sie auf die weiche Matratze, ziehe ihr die dünne Decke über ihren zitternden Körper. Ihre Augen huschen über mein Gesicht, hinter mich in den Raum, zur Türe, über den Boden und wieder zu mir. Eine Träne läuft über ihr Gesicht.

Langsam setzt sie sich auf, fasst sich an den Hinterkopf und betrachtet ihre Hand. Gemeinsam betrachten wir das glänzende Rot. Es ist wunderschön. Es erinnert mich an die rote Rose, an unsere erste Begegnung. Sie keucht, ihre Finger zittern. Sie wird mir die Kissen versauen, aber das ist in Ordnung. Ich muss hier sowieso saubermachen, wenn sie weg ist. „Bitte", flüstert sie, „bitte lass mich nach Hause" Ich muss mich zwingen, den Blick von ihrer Hand abzuwenden. Ich sehe in ihre stumpfen Augen, höre dieses nervige Wimmern.

„Aber du weißt doch, dass das nicht mehr geht", sage ich und streiche ihr die Tränen aus dem Gesicht. Sie schlägt meine Hand weg, hinterlässt rote Spuren auf meinem Ärmel. Ich packe sie um ihr dünnes Handgelenk und beuge mich zu ihr.

„Bitte nicht", wimmert sie, „Bitte. Bitte, ich will...nach Hause", sie heult schon wieder. Das ist ätzend.

„Du wirst mir langsam lästig", knurre ich. Ich ziehe den Stuhl über den Boden, er kratzt über den Beton. Ich stelle ihn vor das Bett und setzte mich darauf. Sie keucht, sieht mich mit großen Augen an.

„Was... willst du... von mir?" Wie oft sie mich das schon gefragt hat.

„Ich habe langsam die Schnauze voll von dir", sage ich und seufze. „Erst trennst du dich nicht. Jetzt gibt es endlich nur noch uns beide und was machst du? Du denkst trotzdem ständig an ihn. Du tust nur so, als ob du um mich kämpfen würdest. Wahrscheinlich hast du gelogen, als du vor ein paar Tagen gesagt hast, dass du mich liebst", sage ich laut. Ich atme tief, schließe meine Augen. Bloß nicht sentimental werden.

„Bedeute ich dir denn wirklich gar nichts?", frage ich und sehe sie an. Sie wimmert und schluchzt. „Würdest du bitte die Frage beantworten", sage ich gelangweilt. Sie schluchzt lauter. Ihr Schluchzen geht mir auf die Nerven. „Beantworte. Die. Frage", knurre ich und springe auf. Der Stuhl fällt klappernd auf den Boden, ich beuge mich über sie. Sie strampelt mit den Beinen und sieht mich mit großen Augen an. Ihre Lippen öffnen sich ein wenig. 

„Ich", flüstert sie. „Ich", langsam verliere ich die Geduld. Ich atme tief.

„Ja, Prinzessin?", frage ich so sanft ich kann, doch meine Stimme vibriert rau in meiner Kehle. Sie flüstert. Sie sagt es so leise, dass ich es kaum verstehen kann. Doch die Worte, die sie sagt, lassen Zorneswellen über mich hinweg rollen, lösen einen Schmerz in meiner Brust aus, den ich zuvor noch nie verspürt habe. Ich kann es nicht glauben, muss es nochmal hören. Sie lügt. Sie lügt. Sie lügt.

„Wiederhole. Was. Du. Gerade. Gesagt. Hast.", knurre ich und beuge mich über sie. Sie wimmert lauter, drängt sich in die Ecke. Ich klettere zu ihr, nähere mich ihrem Gesicht, sehe sie an. „Ich...", wimmert sie. „Ich...", sie schluchzt. Ich packe sie am Kinn, kralle meine Nägel in ihre Wange. „Sag. Es.", knurre ich und bin mir nicht sicher, ob ich es ertragen kann.

„Ich ...habe gesagt", sagt sie zittrig, ich kralle meine Nägel fester in ihre Haut, sehe wie sie sich rot färben. „Ich habe gesagt,...dass... ich dich nicht kenne"

Die Wut rauscht durch meinen Körper, füllt ihn mit Schwärze, macht ihn schwer. Ich drücke meinen Körper auf sie, fixiere sie unter mir, spüre ihren Körper unter mir vibrieren, betrachte ihre wässrigen Augen.

„Ich habe dich noch nie gesehen", presst sie aus ihren Lungen. Ich lege meinen Kopf in den Nacken und lache laut. Mein Körper bebt, mein Lachen hallt von den Wänden wider. Ich sehe wieder zu ihr.

„Was redest du denn da, du Dummerchen? Du bist meine Freundin", sage ich.

„Nein", keucht sie.

„Nein? Dann sag mir...wieso hast du meine Blicke erwidert? Wieso hast du mich angelächelt? Wieso hast du dich zu mir umgedreht, wenn ich hinter dir war?", knurre ich.

„Was? Ich...ich habe nicht...ich kenne dich nicht", flüstert sie. Wie weit sind wir gesunken. Ich schließe meine Augen, kann diesen Verrat nicht länger ertragen. Ich habe sie geliebt. Ja, ich habe sie geliebt. Doch sie bricht mir das Herz. Sie leugnet unsere Liebe, verdrängt unsere Momente, unser Leben. Ich merke, wie sich die Schwärze in meinem Körper zu einem tobenden Sturm verwandelt. Unaufhaltsam rauscht er durch meinen Körper, reißt alles mit sich, dröhnt schwer durch meine Adern.

Mein Körper vibriert, ich spüre diese stechenden Gefühle überall in mir. Sie leugnet mich. Sie liebt mich nicht. Sie ist so anders als Lilia. Bei Lilia ist alles anders. Alles echt. Sie spielt mir nichts vor. Ich betrachte ihre stumpfen Augen und plötzlich spüre ich deutlich, dass sie mich nicht verdient hat. Sie hat meine Liebe nicht verdient. Sie ist reine Zeitverschwendung. Ich will dieses verlogene Miststück nicht länger ansehen. Ja, sie muss verschwinden. Jetzt. Sofort. Für immer.


LOVE MEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt