schwarzes Blut

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Ich kann sie hören. Sie flüstert ihren Namen. Wie schön sie klingt. „Kim?", flüstert sie. Kim. Immer wieder. Kim. Kim. Kim. Der Name dröhnt in meinen Ohren, ich presse mir das Handy ans Ohr. Kim. Kim. Kim. Ihr zittriges Flüstern legt sich um mein Herz. Ja, wenn sie liebt, dann liebt sie richtig. Sie ist etwas Besonderes.

„Kim?", flüstert sie wieder. Ich höre ihre Angst, höre ihre Verzweiflung. Sie atmet schnell. Wie gerne würde ich sie jetzt sehen. Ich würde sie in den Arm nehmen und ihre Tränen wegwischen. Ich würde ihren Duft einatmen und mich geborgen fühlen, doch plötzlich ist es still in der Leitung. Sie hat aufgelegt.

Die Stille legt sich um meinen Körper und ich genieße den Moment. Der Mond scheint hell über uns. Leise schiebt der Fluss seine Wassermassen an mir vorbei. Man sagt, im Mondlicht würde Blut schwarz aussehen. Schwarz wie mein Gefühl. Schwarz wie die Nacht. Schwarz wie die Liebe. Ich mache einen Schritt auf sie zu und erstarre. Ich bin überwältigt von diesem Anblick. Tatsächlich. Es ist wunderschön.

Das Schwarz glänzt in ihrem Gesicht und zeigt mir, dass es richtig war. Sie hat sich mir in den Weg gestellt. Sie hat an unserer Liebe gezweifelt. Ich gehe in die Hocke und betrachte sie. Ich lächle ihren regungslosen Körper an.

Jetzt gibt es nur noch uns. Lilia und mich. Es gibt keine Zweifel mehr. DU stehst nicht mehr zwischen uns. Nicht mehr. An Noah zweifelt sie bereits. Sie glaubt, er hätte sie betrogen. Ich lache laut. Sie liebt ihn nicht mehr. Endlich. Hätte ich ihn beseitigt, wäre ihre Liebe geblieben. Wie bei Nathalie. Meine Muskeln spannen sich an, ich balle meine Hände zu Fäusten. Ich erinnere mich an meine Prinzessin. Sie wollte zu ihrem Freund. Sie hat ihn vermisst, hat gehofft, dass er zurückkommt. Ja, sie hat ihn noch geliebt. Doch Lilia wird nur noch mich lieben. „Und du", flüstere ich und streiche dem Mädchen über die glänzende Wange, „wirst mir das nicht kaputt machen. Nicht mehr" Ich lächle und fühle mich leicht.

Plötzlich wird ihr Körper durchgeschüttelt. Sie blinzelt und versucht hektisch Luft zu bekommen. Ihr Körper bebt, sie röchelt doch dann ist es wieder still. Atmet sie? Ich lege meinen Kopf schief und beuge mich über sie. Langsam nähere ich mich ihrem Oberkörper. Es ist so dunkel. Ich konzentriere mich und verenge meine Augen zu Schlitzen. Lebt sie noch?

„Hallo?", höre ich eine Stimme in der Ferne. Ich zucke zusammen, drehe mich um und richte meinen Blick auf den spärlich beleuchteten Parkplatz ein Stück weiter vorne. Ich sehe eine dunkle Gestalt auf mich zukommen und höre schnelle Schritte in der Ferne.

„Was machen Sie da?" Es ist ein Mann. Ich springe auf und renne los. Meine Schritte dröhnen auf dem Kiesweg. Ich renne den dunklen Weg entlang, weg vom Parkplatz und springe ins Gebüsch. Die Äste zerren an meinen Klamotten. Ich kämpfe mich durch das Gestrüpp und renne durch das kleine Waldstück. Die Dunkelheit legt sich um meinen Körper, um mein Herz. Ich kann nichts sehen, um mich herum ist alles schwarz und die Äste knacken unter meinen Schuhen.

Ich bleibe stehen und atme schnell. Sie ist nicht tot. Verdammt, hat sie mein Gesicht gesehen? Ich drehe um. Ja, ich muss zurück. Ich muss es beenden. Langsam schleiche ich durch das Gestrüpp zurück. Ich versuche leise zu sein, doch kann meinen Atem kaum regulieren. Ich erreiche den dunklen Weg und trete einen Schritt aus dem Gebüsch. Im Mondlicht sehe ich, wie sich der Mann über sie beugt. Er hält sich etwas ans Ohr und spricht. Ich versuche mich zu konzentrieren um seine Worte zu verstehen, doch ich bin zu weit weg. Leise schleiche ich mich an ihn heran.

„Nein, ich bin alleine. Ich bleibe hier. Nein. Okay, ja. Okay. Also ich... ich glaube, sie atmet. Also, ich bin mir nicht sicher. Was? Ja", sagt er und ich sehe, wie er in die Hocke geht. „Ich....also ich kann ihn kaum fühlen...aber...ich...ja...ich glaube ich fühle ihren Puls", sagt er. Verdammt.

Langsam bewege ich mich auf die beiden zu. Mit jedem Schritt kann ich sie klarer sehen. Noch ein paar Schritte und ich kann das wunderschöne, glänzende Schwarz noch einmal betrachten. Nur noch ein paar Schritte. „Ich soll...? Aber...", fragt er. Mein letzter Schritt knirscht, ich bleibe stehen und halte den Atem an.

„Okay. Ja...okay", sagt er. Er steht auf und geht langsam Richtung Parkplatz. Ich schleiche die letzten Schritte zu ihr, stelle mich neben sie und betrachte sie. Ich möchte das Schwarz berühren und beuge mich zu ihr. Ich strecke meine Hand aus und erstarre als ich in der Ferne Sirenen höre.

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