LOVE ME

Kapitel 26

Ich drehe das Handy in meinen Händen. Will ich ihn wiedersehen? Will ich, dass damit zwischen Noah und mir endgültig alles kaputt geht? Will ich jemanden wiedersehen, mit dem ich wie ein Flittchen nach dem zweiten Treffen im Bett gelandet bin? Will ich, dass das Gefühl bleibt, das er mir gibt? Mein Herz und mein Körper geben mir unterschiedliche Antworten. Ich entsperre mein Display, sende ihm meine Antwort und hoffe, dass es die richtige Entscheidung war.

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Inzwischen habe ich meine Antwort bestimmt zehn Mal gelesen. Wieder und wieder habe ich mein Handy entsperrt und auf die beiden Buchstaben gestarrt. Manchmal hatte ich dabei Herzrasen, manchmal musste ich grinsen. Doch jedes Mal hat es sich unheimlich gut angefühlt. Ja, ich möchte ihn wiedersehen. Ja, ich möchte mit ihm Zeit verbringen. Am liebsten jetzt sofort.

Heute? Hat er geschrieben, doch ich habe ihm gesagt, dass ich mit Kim auf den Weihnachtsmarkt gehe. Das ist mir wichtig, denn ich habe sie so lange nicht gesehen. Ich steige aus der Dusche, wickle mich in ein Handtuch und gehe ins Schlafzimmer. Ich nehme mir eine Jeans und einen Pullover aus dem Schrank. Ich weiß, dass Noah hier war. Der Schrank stand offen, seine Regale wirken so leer, der große Koffer fehlt. Er wird wohl so schnell nicht nach Hause kommen.

Ich setze mich auf unser Bett und betrachte die Scherben unserer Beziehung. Ich weiß nicht, ob Noah mich betrogen hat. Ich weiß nicht, was passiert ist. Doch ich glaube, es spielt keine Rolle mehr. Ich glaube, ich verliebe mich. In Shane. Ich spüre Tränen in meinen Augen brennen. Ich blinzle schnell, stehe auf, lege mein Handtuch auf den Stuhl und ziehe mich an.

Mein Blick fällt auf das Foto von Noah und mir. Ich gehe zu der Kommode, nehme es in die Hand, streiche mit meinem Finger darüber. Wir sehen glücklich aus. Es ist an dem Abend entstanden, als er mir den Heiratsantrag gemacht hat. Das Foto ist erst ein paar Monate alt, doch es fühlt sich an, als würden Jahre dazwischen liegen. Ich werde mit ihm reden. Bald. Ich stelle das Foto zurück, verlasse das Schlafzimmer, gehe die knarzenden Treppen nach unten, schlüpfe in meine Daunenjacke und verlasse das Haus.

Ich fahre in die Stadt, parke im Parkhaus und gehe so schnell ich kann Richtung Innenstadt. Ich bin spät dran und sehe Kim an der ersten beleuchteten Holzbude bereits hektisch winken.

„Oh, Pumpkin", seufzt sie und zieht mich in eine feste Umarmung. Ich rieche den Obstkorb, rieche ihren vertrauten Duft. Sie hakt sich bei mir unter und wir gehen an den Holzbuden vorbei. Es duftet nach Bratapfel, Zimt und Gewürzen. Wir drücken uns durch die Menge, vorbei an kalten Jacken, Stimmengemurmel und dampfenden Tassen. An einem großen, duftenden Stand holen wir uns einen Glühwein.

„Darf ich deine Version hören?", fragt Kim, als wir uns an den letzten freien Stehtisch stellen. Sie hält sich den Glühwein an die Lippen und pustet vorsichtig in die Tasse. Der Dampf steigt vor ihrem Gesicht auf, sie sieht mich mit großen Augen an. Ich lege meine kalten Hände um die heiße Tasse und seufze. Ich wusste, dass sie über Noah reden will. Aber ich dachte, ich hätte noch etwas Zeit um mir zu überlegen, was ich sagen möchte.

„Wie lautet Noahs Version?", frage ich deshalb.

„Lilia, bitte", sagt sie und stellt ihre Tasse auf den hohen Tisch. Ich stelle meine Tasse neben ihre. Ich seufze und beginne zu erzählen.

„Meine Version lautet, dass er sich keine Zeit mehr für uns nimmt. Dass er lieber bei seiner Geliebten ist, die jetzt auf mysteriöse Weise verschwunden ist. Dass er ihre Bilder kommentiert und Emails von ihr erhält, in denen steht, er soll sich von mir trennen", die Worte sprudeln aus mir raus, ich werde immer lauter. "Dass er mich angelogen hat, als ich ihn darauf angesprochen habe. Dass verdammt nochmal die Polizei bei uns war und nach Nathalie gefragt hat. Dass ich mich von ihm alleine gelassen fühle, dass wir heiraten wollten und ich nicht weiß, ob ich das noch will, weil ich glaube, dass ich mich..."