Kapitel 42

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„Bitte", sage ich so sanft ich kann. Ich kann seinen Blick nicht deuten. Das Blau seiner Augen ist so anders, doch ich spüre plötzlich, dass er sich bewegt. Er macht einen Schritt zurück, lässt seinen Blick von mir zu Noah gleiten, dreht sich um und steigt in sein Auto. Ich sehe ihm nach und warte, bis er in der Nacht verschwunden ist. „Noah, bitte hör mir zu. Es ist...", sage ich und drehe mich um. Doch er ist bereits eingestiegen und parkt aus. 

- - -

Ich setze mich in mein Auto und krame mein Handy aus meiner Tasche. Ich versuche es bei Noah, doch er hebt nicht ab. Bitte lass es mich erklären. Bitte komm nach Hause – schreibe ich und weiß, dass er mir nicht zuhören wird. Ich wische mit dem Ärmel über meine Wangen und starte den Motor.

Ich fahre über die Autobahn und versuche meine Gedanken zu sortieren, doch plötzlich werde ich von einem Auto geschnitten. Ich trete auf die Bremse, fluche und sehe einen Audi. Die roten Rücklichter leuchten grell in der Nacht. Ich lehne mich ein Stück nach vorne und versuche das Nummernschild zu erkennen. –111. Shane.

Mein Herz klopft wild, ich umklammere das Lenkrad. Er ist eindeutig zu weit gegangen. Ich blinke und fahre auf die Überholspur. Ich möchte an ihm vorbei, möchte weg von ihm. Doch er gibt Gas und lässt mich nicht vorbei. Ich richte meinen Blick auf die Straße und drücke das Gaspedal durch, doch mein Mini wackelt und ich kann den Abstand nicht vergrößern. Im Rückspiegel sehe ich ein Auto anrauschen, gehe etwas vom Gas und ordne mich wieder hinter ihm ein.

Ich sehe seinen Blinker in der Nacht pulsieren und merke, dass es meine Ausfahrt ist. Ich bremse und verlasse hinter ihm die Autobahn. Er fährt das kleine Stück über die Landstraße, fährt in unser Wohngebiet, biegt zwei Mal ab und parkt an der Straße vor unserem Haus. Ich bremse und fahre langsam in die Einfahrt. In der Dunkelheit sehe ich Shane auf mich zukommen. Mit zittrigen Beinen steige ich aus und drehe mich zu ihm.

„Was soll das? Woher kennst du meine Adresse?", frage ich ihn laut und knalle meine Autotür zu. Mit großen Schritten kommt er auf mich zu. Er wirkt so mächtig. Er wirkt wie ein großen Unglück, dass auf mich zurollt. Seine Augen funkeln, sein Gesicht ist voller Schatten. Ich weiche einen Schritt zurück und spüre mein Auto an meinem Rücken. „Was das soll? Das gleiche frage ich dich", knurrt er und bleibt vor mir stehen. Ich presse mich an mein Auto. Seine Nähe ist mir unangenehm. Das Blau seiner Augen ist hell, sein Blick strahlt eine Kälte aus, die mir bis in die Knochen dringt.

Er legt seine Hände neben meine Schultern. Ich spüre seine Arme neben mir, spüre seine erdrückende Nähe und blinzle schnell als er sich zu mir beugt. „Was soll das?", keuche ich wieder. „Wieso triffst du dich mit ihm?", knurrt er. „Noah ist...", flüstere ich. „Liebst du ihn?", fragt er. Ich sehe ihn an doch sehe nicht den Shane, den ich kennengelernt habe. Er wirkt so weit entfernt, obwohl er mir gerade so nah ist. „Das werde ich dir nicht beantworten", sage ich und versuche seinen Arme wegzudrücken.

Ich möchte an ihm vorbeigehen, doch spüre seine Hand fest an meinem Arm. Er zieht mich zu sich, ich pralle sanft gegen seine Brust und keuche. „Lass mich los", fauche ich. Ich lege meine Hände auf seine Brust und drücke mich ein Stück zurück, doch er legt seine Hände fest um meine Unterarme. Ich atme schnell. „Lass. Mich. Los!"

„Dass du dir nicht blöd vorkommst...", sagt er. Jedes seiner Worte vibriert in seinen Pupillen und jagt mir einen Schauer über meinen Körper. „Was?", keuche ich und versuche meine Arme zu befreien. „Noah betrügt dich und du liebst ihn immer noch" Ich blinzle schnell. Ich erinnere mich an Shanes blauen Cocktail in der kleinen Bar, erinnere mich, wie wir über Noah gesprochen haben. Shane hat mir Mut gemacht. Er hat gesagt, dass ich an Noah nicht zweifeln soll. Und jetzt klingt er so anders, so kalt.

„Das geht dich nichts an", keife ich und reiße meine Arme los. Ich weiß, dass Noah mich nicht betrogen hat. Ich weiß, dass ich mich getäuscht habe und dass ich deshalb alles kaputt gemacht habe. „Das geht mich sehr wohl was an", höre ich ihn hinter mir und bleibe stehen. „Nein. Das geht dich gar nichts an", sage ich und versuche, sicher zu klingen. Ich straffe meine Schultern. „Ich möchte, dass du jetzt gehst", sage ich, doch meine Stimme klingt schwach. Shane macht einen Schritt auf mich zu. „Entschuldige", sagt er sanft, doch die Kälte in seiner Stimme lässt mich zurückweichen.

„Ich wollte dich nicht verunsichern", sagt er. „Das hast du nicht", lüge ich und versuche glaubhaft zu klingen. „Gute Nacht", sage ich, drehe mich um und gehe zur Haustüre. Hinter mir höre ich seine Schritte leiser werden. Ich leuchte mir mit meinem Handydisplay den Weg und bin erleichtert, als ich seine Autotür zuschlagen höre. Ich trete ins Haus, schließe die Tür hinter mir und lehne mich dagegen. Ich schließe meine Augen und lasse meinen Tränen freien Lauf.

Shane wirkt auf einmal so anders. Für ihn habe ich alles aufs Spiel gesetzt und Noah verloren. Alleine der Gedanke an die Kälte in seinen blauen Augen jagt mir eine Gänsehaut über den Körper. Noah weiß, dass ich ihn mit Shane betrogen habe. Mit einem Kunden. Er ist so verletzt. Plötzlich höre ich von draußen Geräusche. Es klingt wie Schritte. Sie werden lauter und verstummen. Ich halte den Atem an, mein Herzschlag dröhnt in meinen Ohren. Noah. Die Nachricht. Er ist gekommen. Schnell stehe ich auf und starre die Türe an. Ich lege meine Hand auf den Türgriff.

„Lilia?", höre ich Shane fragen und ziehe meine Hand zurück. Er ist noch hier. Er ist zurückgekommen. Ich wische mir die Tränen von der Wange und blinzle. „Ich weiß, dass du hinter der Türe bist", sagt er sanft. „Ich möchte alleine sein", sage ich und starre die Türe an. „Bitte lass mich rein. Ich möchte mich entschuldigen", sagt er. Er klingt sanft. „Ich wollte dich nicht erschrecken", sagt er durch die Türe. „Ich war ungerecht", sagt er. Ich lege meine Hand wieder an den Türgriff. „Bitte", sagt er sanft, „nur fünf Minuten" Ich halte den Atem an und antworte nicht.

„Okay", sagt er plötzlich und ich atme aus. „Dann reden wir morgen im Büro" Ich blinzle schnell. Er will ins Büro kommen? Oliver. Noah. Nein. Ich keuche. „Bis dann", sagt er und ich höre seine Schritte leiser werden. Ehe ich darüber nachdenken kann öffne die Tür ein Stück und höre seine Schritte verstummen.

„Hast du es dir anders überlegt?", fragt er sanft. Ich sage nichts und ziehe die Tür ein Stück weiter auf. Ich sehe seine große Gestalt in der Dunkelheit auf mich zukommen, weiche einen Schritt zurück und lasse ihn ins warme Haus. Er bleibt vor mir stehen und legt seine kalte Hand an meine Wange. Ich blinzle schnell und möchte zurückweichen, doch ich unterdrücke den Impuls.

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