Nein ich bin nicht auf Droge. Ich bin einfach nur behindert

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Die Tage zogen nur so vor mich hin. Trüb, wie das Wetter draußen. Langweilig, wie eine Talkshow im Fernsehen.

Einfach jeder Tag war gleich und ich versuchte nicht einmal, daran etwas zu ändern. Selbst meine Rachegedanken schob ich in die hinterste Ecke meines Hirns und ignorierte Rosie so gut es ging. Nach meine Aktion in der Küche war sie schrecklich beleidigt und hat seit dem kein Wort mit mir gewechselt. Mir kam das natürlich nur Recht.

Mit einem kleinen Schild an der Tür, wo draufstand, sie solle sich bloß von meinem Zimmer fern halten und ja nicht klopfen, oder ich würde ihr ihre knochigen Rippen brechen. Da drunter habe ich ein Bild von Knochen geklebt, nur um ihr meine Ernsthaftigkeit deutlich zu machen. Rosie stand auf meiner schwarzen Liste mittlerweile ganz weit oben -gleich nach dem Erfinder von 1-lagigem Toilettenpapier.

Den lieben langen Tag hockte ich in meinem Zimmer und machte so gut wie gar nichts. Jedenfalls nichts produktives, wo man sich am Ende des Tages sagen kann, "Man, bin stolz auf mich! Hab heute echt was geschafft!"

Ich nutzte diese Zeit stattdessen, um über Dinge nachzudenken, für die ich entweder keine Zeit oder keine Lust hatte.

Zum Beispiel über die Tatsache, dass ich nun fast einen Monat hier am Arsch der Welt lebte. Weit entfernt von Zivilisation, gebildeten Menschen, vom Haus, in dem ich aufgewachsen bin, weit entfernt von dem Menschen, der mir am meisten auf der Welt etwas bedeutete...

Und das Schlimmste von allem war, dass ich mich hier soweit eingelebt hatte, dass mir das ein oder andere Mal das Wörtchen "Zuhause" über die Lippen gekommen ist. Ich fühlte mich zwar nach wie vor wie ein Fremdkörper, den man mit Gewalt hinaus prügeln wollte, aber ich fing auch gleichzeitig an, mich hier wohl zu fühlen. Zum einen lag es daran, dass alle um mich herum begriffen haben, dass sie mich einfach nur in Ruhe lassen mussten. David löcherte mich nicht mehr mit seinen Blicken, um mich zum Reden zu bringen. Er hat es sogar weitestgehend aufgegeben, mich dazu zu überreden, mich mit Jakob und seiner Idiotengang zu treffen, um wenigstens ein Paar soziale Kontakte zu knüpfen.

Ich habe ihm klar gemacht, dass ich mir den Zeitpunkt aussuche, an dem ich bereit war, mich in die Welt hinaus zu wagen und Freunde zu finden. Doch so weit war ich noch nicht.

Über Jakob habe ich mir auch Gedanken gemacht. Ich musste mir eingestehen, dass ich ihn doch nicht so sehr hasste, wie ich bisher geglaubt habe. Unseren kleinen Zickenkrieg und die Wortgefechte habe ich regelrecht genossen. Es gehörte irgendwie zu meiner Natur, mich mit Leuten anzulegen und es machte mir Spaß. Es gab mir eine gewisse Befriedigung - und die fehlte mir in letzter Zeit ziemlich.

Ich erwischte mich immer wieder dabei, wie ich in meinem Handy immer wieder Jakes Nummer antippte und um das klärende Gespräch bitten wollte, welches sie mir ohnehin andrehen wollten. Angetrieben wurde ich durch meine Neugier. Ich wollte endlich verstehen, warum mir keiner etwas sagen konnte. Was war dieses große Geheimnis? Wieso waren alle so erpicht darauf, dass ich es erfahre? Wollte ich es überhaupt wissen? Und was zum Teufel ist die geheime Krabbenburgerformel?

All diese Fragen konnte ich mit einem einzigen Anruf klären -naja fast alle. Die Beantwortung der letzten könnte sich unter Umständen doch als schwierig gestallten.

Doch irgendetwas hielt mich davon ab. Ob es eine böse Vorahnung, oder doch eher ein ungutes Gefühl war, konnte ich nicht sagen. Ich wusste es nicht.

Lucy konnte mir auch nicht helfen. Es tat mir weh, zu bemerken, wie sehr wir uns mit jedem Telefonat entfernten. Es war ziemlich eintönig geworden, sich jeden Tag anzurufen und von seinem Tag zu erzählen, der ebenfalls eintönig war. Es gab nichts interessantes zu erzählen, da nichts mehr passierte. Weder bei ihr noch bei mir. Wir merkten immer wieder, dass wir uns gegenseitig unseren Alltag schmackhafter gemacht haben. Wie gern würde ich einfach zu ihr fahren und sie umarmen. Und wenn es auch nur für zwei Minuten wäre. Allein diese kurze Zeit würde mir reichen...

Engelchen im Herzen, Teufelchen im Blut und den reinen Wahnsinn im KopfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt