Geburtstage und andere Unannehmlichkeiten

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Das erste, was ich bemerkte als ich wach wurde, war, dass ich es nicht schaffte, zu verdrängen, was heute für ein Tag war.
Es war, als würde eine große, schwarze Gewitterwolke über mich ziehen, die alles verschlang, was nach Freude aussah. Meine Motivation, heute aus diesem Bett zu steigen, war kleiner als die Wahrscheinlichkeit, dass Kim Kardashian sich ihren monströsen Arsch absaugen lassen würde.
Zu meiner schlechte Laune kam noch hinzu, dass ich kaum geschlafen habe. Allerdings nicht, weil ich einen Alptraum oder so was hatte -ich hatte ja meinen persönlichen Traumfänger neben mir liegen. Den Grund dafür kannte ich selber nicht. Immer wieder habe ich mich umhergewälzt- ab und zu Embry aus Versehen dabei getreten- und nun befand sich auf meinem Kopf ein riesiges Nest aus Haaren, welches meine Laune nicht unbedingt hob.
Als ich mich auf die andere Seite drehte, um zu prüfen, ob Embry wach war, stutzte ich. Nur wenn man so richtig verliebt war wie er, konnte man wohl jemanden so früh am Morgen anlächeln, obwohl man wie ein versoffener Waschbär auf Drogen aussah.
"Hey", flüsterte er sanft und fuhr mit seiner Hand durch meine Haare- weit kam er aber nicht, wegen den Knoten.
Ich unterdrückte ein "Ach leck mich doch!" und schloss stattdessen kopfschüttelnd die Augen. Mir war es nach wie vor ein Rätsel wie man um diese Uhrzeit so eine gute Laune haben konnte.
"Nicht heute, Embry. Bitte", sagte ich mit dünner Stimme. Mir war echt nicht danach, so zu tun, als wäre alles okay mit mir. Selbst wenn ich es versuchen würde, würde man mir sicherlich ansehen, dass ich log.
"Tut mir leid", nuschelte Embry betrübt, seine Enttäuschung war ihm deutlich anzuhören. Ich seufzte. Ich wollte nicht, dass er sich auch schlecht fühlte. Es reichte schon, dass einer von uns es tat.
Also legte ich meine Arme um seinen Hals, vergrub mein Gesicht und murmelte: "Ist schon gut, kannst ja nichts dafür" Embry legte auch seine Arme um mich und es war tatsächlich tröstend, nicht ganz alleine zu sein. Allerdings wurde es sehr schnell sehr warm unter der Decke, wenn man noch einen wandernden Heizkörper drunter hat. Also schlug ich die Decke um und legte unsere Oberkörper frei, um zu lüften. Ich wurde kurz abgelenkt, weil mir auffiel, dass er gar kein Shirt mehr trug (Wann hatte er sich das denn ausgezogen? Scheiße, war ich wenigstens noch vollständig bekleidet?), sah aber schnell weg. Mein Starren war schon arg auffällig.
Eine Zeit lang herrschte eiserne Stille, in der keiner von uns sich bewegte. Wir lagen einfach nur so rum und waren in unseren Gedanken versunken. Ich jedenfalls.
"Ähm... Tori?"
"Oh Gott, was hast du getan?", fragte ich misstrauisch, als ich diesen gewissen, schuldbewussten Unterton in seiner Stimme hörte. Ich ahnte schlimmes. Sehr schlimmes. Ich setzte mich auf und sah auf ihn hinab, als wäre er ein Hund, der etwas ausgefressen hatte. Oh, soweit hergeholt war das jetzt auch nicht.
"Nichts. Wirklich!", beteuerte er.
"Ich hab dir schon mal gesagt, dass du ein mieser Lügner bist", sagte ich und gab damit die Hoffnung auf, dass er mir nur sagen wollte, dass meine Haare kacke aussahen.
Embrys Augen flackerten immer wieder zu mir und zu seinen Händen. "Ich... also wir", fing er zögerlich an und endete kleinlaut mit: "Ähm, wir sind heute zum Essen bei Emily eingeladen"
Eine kleine Wutwolke gesellte sich zu der anderen Gewitterwolke und ich versuchte gar nicht erst, sie zu vertreiben. "Du hast ihr erzählt, dass ich Geburtstag habe?", zischte ich und warf ihm meinen "Du bist für mich gestorben"-Blick zu.
Eingeschüchtert rutschte Embry ein wenig von mir weg, als habe er Angst, ich könnte ihn gleich tatsächlich umbringen. "N-nein, natürlich nicht. Aber du weißt doch. Wolfstelepathie und so. es war unvermeidlich, dass die anderen es erfahren. Und Sam hat es nebenbei erwähnt und Emily fand, dass-"
"Ich bringe ihn um!", unterbrach ich ihn, wohl wissend, dass ich gegen den Oberguru nicht die geringste Chance hatte. "Verflucht, ich wusste, es war ein Fehler, dir davon zu erzählen! Genau so etwas wollte ich vermeiden!" Ich sprang aus dem Bett und lief aufgeregt auf und ab.
"Jetzt beruhig dich doch bitte", sagte Embry verzweifelt.
"Mich beruhigen?", keifte ich zurück. "Hast du eine Ahnung, was du damit angerichtet hast?"
"Ich kann doch nichts dafür! Und glaub mir, es tut mir verdammt leid, ich wollte das doch auch nicht." Oh man, jetzt sah er so aus, als würde er gleich weinen. Das war der Moment, in dem ich mir richtig dumm vorkam.
Okay, ich hätte jetzt gerne eine Wand, um meinen Kopf mal ordentlich dagegen zu donnern.
Er konnte wirklich nichts dafür, dass seine Affenkollegen seine Gedanken lesen konnten. Und es war klar, dass Sam so etwas Emily sagte. Waren schließlich verlobt, die Zwei. Und Emily war nun einmal eine von Grund auf nette Person. Natürlich konnte sie so etwas nicht ignorieren, schließlich wusste sie nicht, dass ich ihn nicht feiern wollte oder warum.
Ich sah wieder zu Embry, der nur schüchtern meinen Blick erwiderte. Wieder einmal tat es mir richtig leid, dass er mit so jemanden wie mir auskommen musste. Dabei hatte ich Lucy doch versprochen, dass so etwas nicht passieren wird. Das sollte ich ihr besser nicht erzählen, wenn sie mich heute Abend fragt, wie mein Tag war.
Ich seufzte tief und spürte, wie meine Augen anfingen zu brennen und das war eindeutig kein gutes Zeichen. Schnell drehte ich mich weg, damit Embry es nicht sehen konnte. Mit zusammengepresstem Kiefer unterdrückte ich die Tränen, doch die prügelten sich trotzdem durch, wie die durchgeknallten Frauen am Black Friday durch die Menschenmassen, obwohl es eigentlich kein Durchkommen gab.
"Oh nein, Tori. Bitte nicht. Hey, das wollte ich nicht." Er hatte es also doch gesehen. Oder es lag an meinen verräterisch zuckenden Schultern. Ehe ich mich versah, hatte er mich an seine Brust gedrückt und rieb fürsorglich mit seiner Hand über meinen Rücken. "Ich rufe Emily gleich an und sage, dass wir nicht kommen. Sie wird es bestimmt verstehen"
"Nein, nein. Mach das nicht. Ich..." Ich schluckte hart und wischte ein paar Tränen weg, um gleich darauf mit derselben Hand meine Haare aus dem Gesicht zu streichen. Ich wollte nicht, dass Emily sich umsonst die Mühe gemacht hat, für uns -oder eher mich- zu kochen. "Ich wollte mich heute zusammenreißen, aber- scheiße, so was hat noch nie bei mir geklappt. Und du bekommst das immer ab!", schniefte ich.
"Nicht schlimm. Ich halte das aus", sagte er nur. Das hab ich gerade gesehen, dachte ich mir und verkniff es mir, es laut auszusprechen. Immerhin war ich es, die hier wirklich heulte. "Aber wenn du nicht willst, musst du da nicht hin. Ist schon in Ordnung"
Ich hatte mich nun einigermaßen beruhigt und Tränen flossen nur noch vereinzelt über meine Wange. "Nein, es ist ja nur ein kleines Essen. Das schaffe ich schon", sagte ich zuversichtlicher als ich mich fühlte. Ich wollte heute definitiv nicht noch einmal losheulen. Ob das im Bereich des Möglichen war, wusste ich noch nicht.
"Sicher?", fragte er und ich nickte zur Antwort. So schlimm konnte es schon nicht werden, oder?
"Wir essen dort kurz, kommen wieder nach Hause und ich werde den restlichen Tag mit Popcorn im Bett verbringen und mir Filme ansehen. Du kannst dich alternativ dazu gesellen.", entschied ich.
"Klingt gut", grinste er und drückte mir einen kleinen Kuss auf die Stirn. "Es tut mir wirklich leid, dass-"
"Nein, du musst dich nicht entschuldigen, ich bin es, die Scheiße gebaut hat. Mal wieder. Ich hätte dich nicht so anzicken dürfen. Es ist nur... dieser Tag ... er macht mich einfach immer so fertig und du hast da einen empfindlichen Nerv getroffen und... ach, egal."
"Ist schon in Ordnung. Ich verstehe das" Ich wünschte, du könntest das, dachte ich und korrigierte mich auch gleich wieder. Natürlich verstand er, wie es mir ging. Er macht das selbe auch jedes Jahr durch. Und er war genauso mies gelaunt wie ich. Auch wenn ich letztes Mal nicht ganz unschuldig deswegen war.
Er verstand das Gefühl wirklich und sagte es nicht nur so daher, wie die meisten anderen es getan hätten. Mir wurde wieder einmal schmerzlich bewusst, dass wir uns doch ähnlicher waren, als es auf den ersten Blick schien.
"Wann sollen wir da sein?", fragte ich langsam.
"Um 12 Uhr. Aber meinst du nicht, dass David auch etwas geplant hat?"
Ich schnaubte verächtlich und löste mich von ihm. "Bestimmt und die Zahnfee betrügt den Weihnachtsmann mit dem Osterhasen. Ich glaube, er weiß nicht einmal, wann ich Geburtstag habe. Jedenfalls würde es mich wundern." Kopfschüttelnd sah ich zu ihm. "Nein. Wir haben also den ganzen Tag Zeit."
"Find ich gut" Embry lächelte mich liebevoll an. "Aber bevor wir gehen, solltest du eventuell etwas gegen dieses Etwas auf deinem Kopf unternehmen. Um ehrlich zu sein, du blamierst mich so in der Öffentlichkeit", sagte er todernst, auch wenn ich wusste, dass er mich so nur zum lachen bringen wollte. Trotzdem lag so etwas wie leichte Panik in seinen Augen.
Okay, jetzt hatte ich genau zwei Möglichkeiten, zu reagieren. Die erste: Ich raste aus und reiße ihm den Kopf ab. Oder die zweite: Ich nehme das Ganze wie von ihm beabsichtigt nicht so ernst und lache.
Ich entschied mich zum Wohle aller für Variante zwei. Als Embry sah, dass ich mich nicht auf ihn stürzte, verschwand die Panik und er kicherte mit mir.
"Du bist ein Arsch" Ich nestelte an meinen Haaren rum, in der vergeblichen Hoffnung, sie bändigen zu können. Eigentlich war ich ziemlich froh darüber, dass Embry sich endlich traute, Scherze über mich zu machen und dass ich es schaffte, mich nicht darüber aufzuregen. Das machte alles viel einfacher- und amüsanter. Mit der alten Tori wäre das vermutlich nicht möglich gewesen.
Außerdem hatte er es so hinbekommen, mich ein wenig abzulenken.
"Dann gehe ich mir mal die Haare waschen, wir wollen doch nicht, dass ich dich in der Öffentlichkeit blamiere oder so", meinte ich scherzhaft, schnipste ihm gegen die Stirn und sammelte aus dem Schrank Klamotten zusammen, die ich gleich anziehen konnte.
Ich verzichtete auf eine Ganzkörperwäsche und konzentrierte mich wirklich nur auf die Haare. War ja gestern erst duschen gewesen.
Als ich wieder in mein Zimmer kam, lag Embry ausgestreckt auf meinem Bett. Er hatte es geschafft, sein Shirt vom Boden aufzuheben und anzuziehen. Schade eigentlich. Mit jedem Mal  gefiel mir der Ausblick immer besser.
Ich widerstand dem Drang, mich einfach neben ihn zu legen und all meine Pläne für den heutigen Tag über Bord zu werfen. Dabei klang dieses Angebot einfach zu verlockend.
"Wir müssen das wirklich nicht machen, Tori", sagte Embry leise und sah mich an. Er musste wohl meinen Blick bemerkt haben.
Ich schüttelte den Kopf. "Nein. Ich glaube, Lucy hatte Recht. Es ist vielleicht wirklich Zeit für Veränderungen." Ich hatte mich neben ihn gesetzt, während er sich auf seine Ellenbogen abstützte.
"Sehr erwachsen von dir. Das Alter tut dir gut", lachte er.
Ich verdrehte die Augen. "Ich bin nur einen Tag älter als gestern. Es hat sich kein magischer Schalter über Nacht umgelegt, der mich erwachsen gemacht hat. Obwohl das eigentlich ganz nett wäre" Ich betrachtete ihn kurz und runzelte nachdenklich die Stirn. "Irgendwie fühle ich mich jetzt doch ein wenig pädophil. Immerhin bist du jünger als ich und du wirst auch nicht älter. Das ist ziemlich... seltsam"
Embry aber sah mich nur belustigt an und setzte sich auf. Vorsichtig nahm er eine noch nasse Strähne meiner Haare und spielte damit. "Du machst dir echt über so etwas Gedanken?", wollte er wissen.
Ich zuckte mit den Schultern. "In letzter Zeit mache ich mir über vieles Gedanken. Ich bin nur froh, dass du älter aussiehst, als du eigentlich bist. Das würde auf der Straße echt seltsam aussehen. So hab ich immerhin Zeit, bis ich dich eingeholt hab. Vom Aussehen her meine ich."
"Ist es denn ein Problem, dass ich jünger bin?"
"Nein, natürlich nicht. Außer du wärst 12. Dann wäre es schon ein wenig grenzwertig", grinste ich und kniff ihm spielerisch in seine Wange.
Embry verzog sein Gesicht und wurde leicht rot, als ich ihn berührte. "Das ist trotzdem kein Grund, mich jetzt wie ein kleines Kind zu behandeln", nuschelte er leicht beleidigt.
"Doch. Ich hab heute Geburtstag, ich darf..." Meine Stimme brach ab. Oh man, diesen Satz habe ich seit einer Ewigkeit nicht mehr gesagt. Acht Jahre, um genau zu sein. Was machte dieser Junge nur mit mir, verdammt?
Besagter Junge nahm meine Hand und drückte sie leicht. "Na gut, aber nur ausnahmsweise.", flüsterte er und beugte sich vor, um seine Lippen auf meine zu legen. Kurz setzte mein Herz aus, auch wenn ich wusste, dass dieser Kuss nur zur Ablenkung da war. Aber er tat seinen Job. Wie beim letzten Mal vergaß ich kurz alles um mich herum. Und das tat verdammt gut. Der Kuss dauerte keine zehn Sekunden, reichte aber, um mir selbst die Röte ins Gesicht zu zaubern. Das war aber immer noch nichts im Vergleich zu Embry. Der war in etwa so rot, wie mein Bobbycar von früher, mit dem ich in einen Fluss gefahren bin, weil ich dachte, ich könnte übers Wasser gleiten. Hat nicht geklappt. Ich bin gnadenlos untergegangen. Und anstatt mir zu helfen, hat Lucy es nur gefilmt und gelacht. Ich fands nicht ganz so witzig, zumal sie mir gesagt hat, dass so was möglich ist.
"Tut mir leid, ich wollte dich nicht überrumpeln", sagte Embry erschrocken, der meinen grimmigen Gesichtsausdruck falsch gedeutet hatte.
"O-oh, nein. Ist schon gut. Ich hab nur an was gedacht und ich ...du ...also... der Kuss war toll und so... und ich geh mir mal schnell die Haare föhnen", sagte ich und flüchtete ins Badezimmer und ließ einen verdutzten Embry zurück. Oh man, das war vielleicht peinlich gewesen. Wie hätte ich ihm denn bitte erklären sollen, dass ich direkt nach dem Kuss an meine Tante gedacht habe? Nein, so was war in keiner Beziehung gut.
Ich föhnte meine Haare trocken, kämmte sie und schminkte mich zur Abwechslung mal. Hab ich schon lange nicht mehr gemacht. Aber heute war ohnehin alles anders als sonst. Warum jetzt damit aufhören?
Wieder aus dem Bad raus warf ich einen Blick auf die Uhr. Ach du kacke, schon elf Uhr? Und ich habe immer noch nichts gefrühstückt? Bitte lass diesen Tag besser werden!
"Ähm, Tori, sag mal, weißt du warum ich plötzlich so viele blaue Flecken überall habe?"
Ich blinzelte. "Nein, das kann ich mir auch nicht erklären", log ich und legte eine unschuldige Miene auf. "Ich habe echt keine Ahnung"
"Hm, ich kann mich nicht erinnern, irgendwo gegen gestoßen zu sein", murmelte er nachdenklich.
Ich zuckte mit den Schultern. Wie konnte er nach meiner Tretaktion in der Nacht nicht aufgewacht sein? Hat der wirklich einen so festen Schlaf, dass er nicht aufgewacht war? Na, mit dem möchte ich gerne tauschen.
"Sollen wir langsam los?", fragte ich, um vom Thema abzulenken.
Embry stand von meinem Bett auf und sah musterte mich aufmerksam. "Wir müssen das wirklich nicht machen", sagte er zum wiederholten Male.
"Ich weiß, ich möchte es aber. Und nun komm. Lass es uns hinter uns bringen"
Wir gingen die Treppe runter, bis ich plötzlich ein Geräusch hörte und Embry hektisch wieder nach oben schupste. Ich hatte ganz vergessen, dass ich in diesem Haus nicht alleine war!
Gerade, als er dem Ende der Treppe entgegen gestolpert war, stand David vor mir. Erst jetzt fiel mir auf, wie knapp ich einigen unangenehmen Fragen aus dem Weg gekommen bin.
Was machte er überhaupt hier, verdammt? Er sollte doch eigentlich weg sein und... keine Ahnung was tun. Das war mir auch egal, solange ich ihn nicht sehen musste.
Meine gestrige Wut stieg wieder in mir auf und ich versuchte, nicht mit den Zähnen zu knirschen.
"Victoria, warum bist du nicht zum Frühstück gekommen? Bist du etwa immer noch sauer wegen gestern?"
"Das fragst du noch?", entgegnete ich patzig. "Was machst du überhaupt hier?"
David blinzelte überrascht. "Ich ...ich hab mir für heute frei genommen" Okay, etwas stimmte hier ganz und gar nicht. Er wich meinem Blick aus und er kratze sich am rechten Ohr. Das tat er immer, wenn er etwas zu verbergen hatte. Das hat er schon früher getan.
"Warum das denn?", wollte ich wissen und kniff im Vorbeigehen misstrauisch meine Augen zusammen. David folgte mir in die Garderobe.
"Nur so. Gehst du weg?"
"Nein, ich hab vor mit meinen Schuhen die Wände hochzulaufen. Mit denen hat man ein wenig mehr Halt.", brummte ich. "Natürlich gehe ich weg."
"Gut, gut. Für wie lange?" Die Tatsache, dass er mich das fragte und nicht, wohin ich hin wollte- und vor allem mit wem, ließ meine Alarmglocken klingeln. Und zwar schriller als die Schulklingel.
"Für 'ne Weile.", zischte ich.
Zu meiner Überraschung zückte er sein Portemonnaie und reichte mir ein paar Scheine. Was sollte das jetzt bitte?
"Hier, vielleicht hast du Lust, mit dem Jungen ins Kino zu gehen"
"Willst du mich irgendwie loswerden oder so?" Natürlich wollte er das. Warum sonst würde er mir ein Date mit Embry quasi aufdrücken?
"Nein, nein. Natürlich nicht" Wieder kratzte er sich am Ohr.
Plötzlich war die Versuchung einfach hier zu bleiben, nur um ihn zu ärgern, riesengroß. Dann würde ich ihm seinen hübschen, kleinen Plan versauen. Wie auch immer der aussah. Aber Embry wartete draußen und Hunde- ähhh Werwölfe- ließ man besser nicht warten.
Ich riss David das Geld förmlich aus der Hand, packte meine Jacke und den Autoschlüssel und ging ohne ein weiteres Wort zur Tür hinaus. Ich wollte gar nicht erst wissen, was mich bei meiner Rückkehr erwartete.
Wenn er glaubte, er könne die letzten acht Geburtstage einfach so mir nichts dir nichts nachholen, hat er sich aber doller geschnitten, als ich mich mit dem japanischen Küchenmesser, als ich es wie ein Schwertmeister in die Luft werfen und fangen wollte. Der Versuch endete im Krankenhaus mit sechs Stichen und einer wundervollen Narbe, die bis heute meinen linken Unterarm zierte.
"Wer war das eben?", fragte Embry, der sich an die Fahrertür gelehnt hatte und ungeduldig wartete, dass ich ihm den Schlüssel zu warf. Aber ich tat ihm diesen Gefallen nicht.
"David. Er hat sich heute frei genommen und mich indirekt aus dem Haus geschmissen. Wir haben übrigens Geld fürs Kino bekommen" Ich wedelte mit den Scheinen in der Luft.
"Meinst du er-"
"Nein, jedenfalls hoffe ich das für ihn. Seine Wiedergutmachungen kann er sich sonst wohin stecken. Zur Not helfe ich ihm dabei"
Embry kicherte und formte mit seinen Händen eine Schale.
"Ich werfe nur, wenn du mit dem Mund fängst", sagte ich mit einem hinterhältigen Grinsen.
"Ich bin doch kein Hund!", brummte er schmollend.
"Sicher?", kicherte ich und warf ihm den Schlüssel dennoch zu. "Was sagt man?"
"Danke", murmelte er gereizt.
"Braves Hündchen" Damit erntete ich einen äußerst finsteren Blick. "Verzeihung. Braves Wölfchen natürlich"
Embry sah so aus, als wolle er etwas sagen, ließ es dann aber bleiben. Schade, jetzt wo die Diskussion angefangen hat, Spaß zu machen.
Aber ich wollte keinen Streit vom Zaun reißen und blieb ebenfalls still. War auch wahrscheinlich besser so.
Auf der Fahrt zu Emily wurde mir von Kilometer zu Kilometer immer schlechter. Ich begann daran zu zweifeln, dass das ganze eine so gute Idee war. Ein ungutes Gefühl breitete sich in meinem Magen aus und nun rächte es sich, dass ich nichts gefrühstückt habe.
"Hey, wegen dem Kuss eben... hab ich was falsches gemacht? Du bist schneller weggelaufen, als Seth, wenn er eine Spinne sieht"
Ich schüttelte leicht meinen Kopf. "Nein, nein. Das hatte nichts damit zu tun. Wirklich. Ich hab nur an was gedacht und ... ist ja auch nicht wichtig. Aber es war wirklich nicht wegen des Kusses.", versicherte ich ihm.
"Also war das einer dieser "richtigen Momente"? Ich bin mir da immer noch sehr unsicher", gestand er.
Ich grinste in mich hinein. Mein Gott, nicht einmal ich konnte verleugnen, wie niedlich es war, wenn er versuchte, mich zufrieden zu stellen.
"Es war genau richtig."
Zufrieden grinsend bog er in die Seitenstraße ein, die ich mittlerweile selbst bei tiefster Nacht zu Fuß finden konnte.
Das Achterbahngefühl von vorhin kam wieder und ich wurde zunehmend nervöser.
"Ist alles in Ordnung? Du bist plötzlich so blass", meinte Embry besorgt und sah kurz zu mir, ehe er sich wieder auf die Straße konzentrierte.
"Nein, nein. Alles gut" Ich brachte ein kleines Lächeln zustande und strich leicht mit meiner Hand über seine Schulter. "Es ist nur... ein seltsames Gefühl."
"Wir bleiben nur kurz zum Essen und dann gehen wir wieder. Emily hat versprochen, da keine große Sache draus zu machen."
Nickend wandte ich mich dem Fenster zu und sah hinaus. Der Himmel war beinahe komplett mit dunklen, grauen Wolken bedeckt. Für die Sonne unüberwindbar. Was erwartete man auch mitten im November im verregneten Örtchen weit und breit? Der Wetterbericht hat in den nächsten zwei Wochen sogar Schnee voraus gesagt. Und auf den freute ich mich ja mal gar nicht.
Worauf ich mich auch nicht freute, war, jetzt aus dem Auto steigen zu müssen.
"Dann mal auf in die Schlacht", murmelte ich so leise, dass es Embry nicht hören konnte.

Engelchen im Herzen, Teufelchen im Blut und den reinen Wahnsinn im KopfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt