Wenn Alkohol das Kurzzeitgedächtnis blockiert, was macht dann erst der Alkohol?

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Mit schweren Schritten ging ich auf Emilys Haus zu, während Embry mir immer wieder unsichere, aber dennoch aufmunternde Blicke zuwarf, als wüsste er nicht, was er tun sollte. Da konnte ich ihn beruhigen; ich wusste es auch nicht.

Wir sparten uns das Klingeln und gingen wie schon bei meinem ersten Besuch mit General Vollpfosten durch die Terrassentür rein.

Doch kaum war ich drin, wollte ich am liebsten schon wieder flüchten. Ich hatte nur einen Fuß ins Haus gesetzt und hielt augenblicklich inne. Anstatt eines gemütlichen Beisammensein hatte Emily eine komplette Party mit allem drum und dran auf die Beine gestellt. Das Wohnzimmer war geschmückt mit lauter Ballons und Girlanden -bei genauerem Hinsehen erkannte ich haufenweise Hello Kittys und wusste gleich, auf wessen Mist das gewachsen war- und auf dem Tisch stand eine riesige Torte. Dahinter standen Emily, Kim und Leah mitsamt der ganzen Anabolikabande versammelt und erstere kam freudestrahlend auf mich zu, doch ich wich zurück.

"Entschuldigt mich mal bitte", sagte ich schnell und verschwand wieder zur Tür hinaus. Draußen versteckte ich mich um die Ecke des Hauses und lehnte mich an die Wand.

'Okay Tori. Atme tief ein und wieder aus', sagte ich mir immer wieder in Gedanken. Blöd nur, dass ich nicht dafür bekannt war, auf mich zu hören.

"Es tut mir furchtbar leid, Tori. Ich hatte absolut keine Ahnung, dass Emily so ein großes Ding draus machen würde. Ehrlich!", beteuerte Embry, als er zu mir um die Ecke bog. Seine Stirn war in sorgenvolle Falten gelegt und er blickte mich entschuldigend an. Vorsichtig legte er seine großen, warmen Hände an meine Taille. "Ist alles in Ordnung?", wisperte er und legte einen Finger an mein Kinn und hob meinen Kopf leicht an.

"Ja, ich... es ist total bescheuert, aber beim Anblick kamen unschöne Erinnerungen hoch." Ich biss mir auf meine Unterlippe und schüttelte den Kopf, als wolle ich diese Gedanken ebenfalls abschütteln. Was natürlich nicht klappte.

"Warte, ich gehe kurz rein und sage, dass wir wieder gehen und-"

"Nein, nein. Gib mir nur einen Moment und dann können wir wieder rein", sagte ich zuversichtlicher, als ich mich eigentlich fühlte. Aber ich wollte es. Wirklich. Ich durfte einfach nur nicht daran denken, was vor acht Jahren war und ich sollte endlich damit aufhören, Geburtstage damit zu assoziieren. Das war nicht nur anstrengend, sondern auch alles andere als gut für die Psyche. Wenn ich nicht endlich aufhörte, mich damit verrückt zu machen, würde ich noch irgendwann daran kaputt gehen. Außerdem war es nicht der Tag selbst, vor dem ich Angst hatte, sondern die Erinnerungen, die durch ihn auf mich einprügelten. Und die musste ich ein für allemal aus meinem Gehirn verbannen.

Und ganz ehrlich, was konnte heute schon großartig passieren? Das Schlimmste wäre, wenn ich zu viel Torte esse und mich am Ende übergeben muss. Oder wenn Jake mir einen Hello Kitty-Pyjama gekauft hatte. So einen besaß ich nämlich schon dank Lucy.

"Ganz sicher nicht", meinte Embry kopfschüttelnd. "Dein Gesicht ist so weiß, als hättest du dir Wandfarbe dahin geklatscht"

"Doch!", beharrte ich. "Die ganze Deko und all das Zeug haben mich einfach nur bisschen überrumpelt. Ich schaffe das, ich bin doch jetzt ein großes Mädchen, schon vergessen?" Mit mäßigem Erfolg brachte ich ein kleines Lächeln zustande.

Doch Embry sah nicht sonderlich überzeugt aus. "Ich weiß ja nicht... Es gefällt mir nicht, dich so zu sehen" Seine Hand lag nun an meiner Wange und sein Daumen streichelte sie. Wie durch Zauberhand wurde mir ganz warm, was vermutlich daran lag, dass mir literweise Blut in die Wange schoss und ich rot wurde. Und natürlich weil seine Hand so warm war. Embry war einfach so unerträglich fürsorglich und niedlich. Kein normaler Mensch konnte so etwas aushalten.

Engelchen im Herzen, Teufelchen im Blut und den reinen Wahnsinn im KopfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt