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Claire's PoV

Mum hat mich zum Glück nicht noch auf Jake's Besuch angesprochen, auch wenn ich ein paar giftige Blicke ernten musste. Aber das ist auch schon das einzige Gute, was ich sagen kann.

Ich laufe direkt aus dem Haus, keine fünf Minuten, nachdem Jake weg ist. Ich muss einfach nur weg, weg aus diesem ganzen Chaos. Aber wo soll ich nur hin? Ich habe niemandem zum reden. Außer vielleicht Austin, aber den will ich jetzt nicht sehen, geschweige denn mit ihm reden.
Ich dachte, wir könnten Freunde sein, aber es hätte mir bewusst werden müssen, dass er mir nur Schaden bringt.
Ich schnappe mir mein Fahrrad und radele einfach darauf los. Egal in welche Richtung, einfach nur weg.
Der Wind pfeift mir durch meine offenen Haare und meine Ohren werden kalt. Ich hätte mir eine Mütze mitnehmen sollen. Aber was soll's? ! Ich kann jetzt nicht umkehren, nur um mir eine Mütze zu holen.
Ich radle weiter und als wäre es durch das Schicksal bestimmt, fängt es plötzlich an zu regnen. Yeah! Was für ein perfekter Tag.

Ich schaue mich um, um herauszufinden, wo ich überhaupt bin. Orientierung war noch nie mein sechster Sinn, aber ich weiß trotzdem, wo ich bin. In der Nähe von dem Friedhof, wo mein Dad begraben unter der Erde in Frieden ruht. Einen Moment überlege ich, ob es eine gute Idee wäre, wenn ich zu seinem Grab gehe, denn das würde mich wahrscheinlich noch trauriger machen, als ich eh schon bin. Ich war erst einmal an seinem Grab seit seiner Beerdigung. Es schmerzt zu wissen, dass er nicht nur auf einer Geschäftsreise ist, sondern nie wieder kommen wird. Ich stelle mir vor, dass er an einem schönen Ort ist, dass es ihm gut geht und er auf mich hinunterschaut. Aber ich wünschte, er könnte mir in diesem Augenblick einen Rat geben, einen nützlichen Tipp, einfach von Vater zu Tochter.

Ich fahre bis zum Friedhof und lasse mein Fahrrad am Rand stehen und öffne das quietschende Tor, das mit dem Zaun befestigt ist, der den Friedhof abgrenzt.

Ich gehe den Schotterweg entlang. Als ich das letzte Mal hier war kamen mir schon die Tränen, als ich nur den Schotterweg betreten habe. Das ist jetzt schon über drei Wochen her. Ich schäme mich dafür, dass ich nur so selten zu seinem Grab komme, aber mein Herz zieht sich zusammen, wenn ich seinen Namen auf dem Grabstein sehe.

Ich komme schließlich an dem mit Blumen geschmückten Grab an.
Verwelkte Blumen mit Frost überzogen, so kalt ist es. Weit und breit ist niemand zu sehen. Das ist auch besser so. Ich mag die Anwesenheit anderer Personen nicht, wenn ich meine Trauer endlich zeigen kann. Nirgendwo anders kann ich das, nicht in der Schule, nicht Zuhause.

Ich knie mich vor dem Grab hin, sodass meine Knie den kalten Boden berühren. Ein kalter Schauer durchfährt meine Kniegelenke bis hin zu meinen Fingerspitzen. Ich fühle mich einsam und allein, habe nicht den leisesten Schimmer was ich nun tun soll. Alles ist kalt und grau.

Eine einsame Träne rollt meine Wange herunter und vermischt sich mit dem ströhmenden Regen. Ich blicke von dem Grab meines Vaters hinauf zu dem Himmel, dort, von wo der Regen kommt. Ich stelle mir vor, dass mein Vater dort oben sitzt und zu mir herunter sieht, jedoch nur ein Häufchen Elend erblicken kann. Ich möchte, dass er stolz auf mich ist, aber ich kann gut verstehen, dass er es mit Sicherheit nicht ist. Wieso sollte er? Es gibt keinen Grund, um stolz auf mich zu sein. Ich bringe nur Probleme und Sorgen, mache alles nur noch schlimmer als es oft eh schon ist. Vielleicht sind die einzelnen Regentropfen, keine wirklichen Regentropfen, sondern Tränen von meinem Vater, die auf die Erde hinab fließen. Ich würde ihn so gerne stolz machen, aber ich kann einfach nicht. Ich bin zu schwach.

Ich denke zurück. An die Zeit, als alles noch anders war. Als es keine CHRYL gab und ich die Mädels alle noch nicht gekannt hatte. Es muss eine Ewigkeit her sein. Doch dann hat sich das Schicksal gegen mich gewendet, es musste ja so kommen. Wie gut früher alles war, wie warm und vertraut. Jetzt fühle ich nur Leere und Kälte.

Ich weiß, dass ich Fehler gebaut habe, sogar viele, aber habe ich es verdient, jetzt hier zu sitzen und mich einsam zu fühlen? Jeder hat mich verlassen - die CHRYL, Jake, Dad...

Ich kann es immer noch nicht begreifen, dass ich allein bin. Habe ich keine zweite Chance verdient?

Meine Tränen laufen nun unaufhaltsam mein Gesicht herunter und treffen auf den kalten Boden vor dem Grab.

Plötzlich höre ich ein Geräusch und schaue mich um. Eine alte Frau schlendert den Weg entlang, vermutlich auf dem Weg zu dem Grab eines Verwandten. Ich weiß, ich sollte gehen und nur schwer löse ich mich von dem Grab. Ich wische meine Tränen mit meiner Hand aus dem Gesicht und stehe auf. Mit eiligen Schritten gehe ich den Weg zurück. Gesenkter Kopf, hochgezogene Schultern, ein leises Schniefen. Ich weiß, wenn ich mich jetzt nicht schleunigst auf den Weg mache, dann komme ich hier nie weg und Mum macht sich wahrscheinlich sowieso schon unnötige Sorgen.

Ich verschwinde durch das knarrende Tor und schnappe mir mein Rad. Und schon gibt es einen Wettlauf zwischen mir und dem tosenden Wind und erneut vermischen sich meine Tränen mit denen von Dad, die vom Himmel her kommen.

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Heey, heute gibt es ein etwas längeres Kapitel und ehrlich gesagt bin ich schon etwas stolz darauf, dass es (meiner Meinung nach) ziemlich gut geworden ist und ich habe mir wirklich viel Mühe dieses Mal gegeben.

Hinterlasst mir doch ein Kommi und ein Vote, ich würde mich echt freuen :)

Love, Malin ♥

I'm sorryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt