-1- ➳ Außerhalb

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Ich wusste, wie dies hier enden würde.
Ich wusste es ganz genau.
Nur würde ich vergessen, wie dies alles angefangen hatte.
Vielleicht nicht jetzt in diesem Moment, aber irgendwann.

Denn nun standen wir zu zehnt hier und keiner wagte es zu sprechen. Die Schleusen waren schon vor ein paar Minuten wieder geschlossen und alles was blieb, war die riesige graue Wand, die sich wie ein Monster mehrere hunderte Meter in die Höhe erhob. Ganz langsam drehte ich mich einmal im Kreis, so wie es die anderen auch taten.
Der Boden unter unseren Füßen bestand hauptsächlich aus Schutt, Asche und Geröll und genau neben uns befand sich unsere Heimat. Skyscraper Nord 44.
Ein Ort, der eigentlich nur vor Leben sprühte, ließ nun nichts mehr darauf schließen. Der Skyscraper war ein einziger, riesiger grauer Klotz, der ab und an in der glänzte und das Licht zurück warf. Doch das Sonnenlicht kam kaum hier bei uns an.
Denn wir waren winzig, im Vergleich zu den grauen Skyscrapern, die sich zu jeder unserer Seite in die Höhe räkelten und die Schatten auf uns warfen. Langsam legte ich meinen Kopf in den Nacken, denn die Verlockung war zu groß, als nicht in den Himmel zu sehen.
Den richtigen.
Nicht den simulierten.

Doch alles was ich sah, war die riesige Brücke, die unseren Skyscraper mit dem auf unserer rechten Seite verband. Es sah wie eine riesige Röhre aus, die jemand brutal in die beiden Blöcke gerammt hatte und nichts, rein gar nichts deutete auf den Luxus hin, der sich dort in dieser Höhe abspielte.
Wie viele Menschen sich wohl genau jetzt auf dieser Brücke befanden? Würden sie den simulierten blauen Himmel, der sich über sie erstreckte und die Wände, die ihnen eine Aussicht auf Berge, das Meer oder saftige Wiesen vorgaukelten, überhaupt noch wahrnehmen?
Sie alle gingen ihren Aufgaben, ihremAlltag nach und wussten nicht einmal, dass wir uns hier draußen, so nah, befanden.
Mein Blick senkte sich wieder und verharrte schließlich an der Stelle, wo ich den Sektor 2b vermutete. Etage 7.
Was Mum und Clovy wohl gerade machten?

Für einen kurzen Moment schloss ich meine Augen und atmete tief ein. Die Luft roch anders als in den Etagen der Skyscraper. Sie war voller Staub, ließ mich husten, aber dennoch schmeckte sie in meinem Mund freier.

„Wir haben keine Zeit, Leute. Oder habt ihr vergessen, dass wir uns genau jetzt im Exil befinden und jede Sekunde eines dieser Drecksviecher um die Ecke kommen könnte, um uns als Mittagssnack zu verspeisen?"
Nialls Stimme ließ mich meine Augen wieder öffnen und sofort wurde mir bewusst, wo ich mich hier befand.
„Megs, gib mir die Karte."
Niall streckte fordernd die Hand aus, doch Megs schien nicht einmal daran zu denken, sie ihm zu geben.
„Nein", meinte sie nur und faltete sie selbst auseinander.

Währenddessen rückte ich etwas näher an Sam heran und versuchte mich zu beruhigen.
Nialls Worte hatten Eindruck hinterlassen, denn er hatte Recht. Es konnte wirklich jeden Moment eines dieser Monster kommen und uns so schnell erledigen, bevor Megs auch nur ansatzweise die Karte deuten konnte.Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter, als ich an Eleanor und Louis dachte und schüttelte schnell meinen Kopf.
Es nützte keinem, wenn ich jetzt anfing zu heulen.

„Wir müssen nach Osten", sprach Liam plötzlich und ich drehte meinen Kopf zu ihm um. Er stand etwas abseits und kramte einen Kompass aus seinem Rucksack hervor.
„Und woher willst du das wissen?", fragte Jenia argwöhnisch, die neben Megs stand und nun ihre Hände in die Seite stemmte.
„Weil ich eine Ausbildung hatte, die mich zu einem fähigen Mitglieds des hohen Rates ausgebildet hat", antwortete Liam ruhig.
„Und genau deswegen ist dein Kopf wohl etwas zu vernebelt", warf Mason ein, der sich bis jetzt nur gegen die Wand des Skyscrapers Nord 39 gelehnt und seine Hände inspiziert hatte.
Nun kam er aber auf unsere kleine Gruppe zu und ich konnte sehen, dass er seine Hände mehrmals zu Fäusten ballte. Genauso wie jeder anderer hatte er wohl einen Hass auf Liam.
Mein Blick huschte wieder zu diesem, der mit ausdrucksloser Miene jede Bewegung von Mason beobachtete. Als dieser genau vor ihm stand, zuckte er nicht einmal zurück.
„Am liebsten würde ich dir jetzt in deine verdammte Visage einhauen, Payne", spottete Mason und spuckte zu Liams Füßen. Dieser jedoch schien wenig beeindruckt, doch bevor er etwas erwidern konnte, was Mason reizen könnte, warf Niall ein: „Stell dich hinten an, Mason... Megs, entweder du gibst mir jetzt die Karte, oder-"
„Oder was?", unterbrach Megs ihn und warf ihm einen Blick zu, der töten würde, wenn er könnte.
„Würdest du uns dann das nächste Mal verschweigen, dass wir von den Tieren verfolgt werden, während du dir ganz in Ruhe einen sicheren Platz suchst? Keine Sorge, diesmal bin ich schlau genug, um selbst die Sachen zu hinterfragen!" Mit diesen Worten drehte sie sich um und verschwand hinter der nächsten Ecke des Skyscrapers. Jenia folgte ihr, nicht ohne uns allen noch einen bösen Blick zu zuwerfen. Auch ich wurde von diesem getroffen und automatisch zuckte ich zusammen und presste dann meine Lippen aufeinander.

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