-13- ➳ Tierliebe

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Nach dem Gespräch mit Harry blieb ich nachdenklich zurück.
Und sprachlos.
Ich hätte niemals erwartet, dass er nicht gefasst, sondern sich gestellt hätte und insgeheim fragte ich mich, ob ich dasselbe auch getan hätte, wenn ich die Chance gehabt hätte zu fliehen.

Seufzend hakte ich meine Hände unter den Strippen meines Rucksackes, um so etwas meine Schultern zu entlasten und ließ meinen Blick über die Umgebung schweifen.
Weiterhin hüllte der Nebel alles ein, doch ich konnte die anderen noch gut erkennen.
Harry hatte sich wieder zurückfallen lassen und ich ließ es zu.
Auch er schien nun kein Redebedarf mehr zu haben.

Ich beschleunigte meine Schritte und konzentrierte mich auf meinen Atem, um nicht so schnell aus der Puste zu geraten. Staub stieg durch meine Bewegungen auf und brachte mich nicht nur einmal zum Husten, sodass ich wieder meinen provisorischen Mundschutz bis unter meine Nase zog. Kleine Kieselsteine knirschten unter meinen Schuhen und ließen mich ab und zu zusammenzucken.

Diese Gegend war beängstigend.
Die ganze Außenwelt war es.
Ich fragte mich, wie wir all die Jahre in den Skyscrapern leben konnten, nur ein paar Wände entfernt von diesen Gegebenheiten.
Ich schluckte schwer und der stechende Schmerz dabei, ließ mich ein weiteres Mal auf meinen ausgedörrten Hals sowie auf meine aufgesprungene Lippe aufmerksam machten.
Einen weiteren Schluck von meinem Wasservorrat konnte ich mir jedoch nicht erlauben, denn ich hatte bereits viel zu wenig und auf Niall baute ich nicht sehr, dass er mir etwas von dem Gruppenvorrat abgeben würde.
Besonders nicht nach seinen letzten Worten...

Automatisch wanderte mein Blick zu ihm.
Ich konnte nur sein Rücken und die blonden Haare, die ihm wirr vom Kopf abstanden, erkennen.
Er lief an der Spitze unserer Truppe und ich fragte mich, ob das so bleiben würde.
Ob die ganze Situation, die Angespanntheit zwischen den einzelnen Personen so beständig bleiben würde.
Ob ich weiterhin Angst haben musste, irgendwann abtreten zu müssen, da ich als nichtsnutzig eingestuft wurde.
Ich warf einen Blick zurück zu Harry, um mich zu versichern, dass es ihm gut ging, bevor ich erneut meine Schritte beschleunigte, um zu meinem kleinen Bruder aufzuholen.

Es waren unerträglich lange Stunden voller Anspannung, Hustenanfälle und verschwitzter Haut, die wir durch diese Todeszone gingen, bevor er wie aus dem Nichts auftauchte.
Jenia sah ihn zuerst, fing an zu schreien und auch ich erstarrte vor Angst, als ich die Umrisse ein paar Meter entfernt ausmachen konnte.

„Psst! Seid leise verdammt! Seid ihr alle Gehirnamputiert?", zischte Mason uns an und wedelte mit seinen Händen herum, um uns zum Schweigen zu bringen. Innerhalb weniger Sekunden hatten wir es geschafft, uns wie eine Schar Hühner zusammen zu drängeln. Megs stand vor mir und ich umklammerte Sams Hand so fest wie noch nie zuvor. Wir alle starrten zu dem etwas vor uns, was wir im ersten Moment für eine Mutation gehalten hatten.
Doch es sah definitiv anders aus - viel kleiner und wendiger- als die, die wir zwischen den Skyscrapern gesehen hatten.

„Scheiße, bring das Vieh um, Niall!"
In Jenias Stimme konnte man immer noch den Hauch Hysterie hören und auch ich würde am liebsten meine Beine in die Hand nehmen und zusammen mit Sam so schnell es ging davon rennen. Auch wenn ich ganz genau wusste, dass der Bunker über fünf Stunden Fußmarsch zurücklag.

Niall drückte sich in den Vordergrund, direkt gefolgt von Mason, der sich zwischen Niall und das Vieh, das nun neugierig den schmalen Kopf zu uns drehte, drängelte.

„Ich bringe dich gleich um, Jenia, wenn du nicht deine verdammte Fresse hältst! Das ist keine Mutation und auch kein Vieh, sondern ein Hund!" Er schüttelte den Kopf und drehte sich dann komplett zu dem Tier um, das weiterhin keine Anstalten machte abzuhauen und uns stattdessen mit einem angehobenen Bein musterte.

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