-25- ➳ Willow

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Es waren zwei Tage vergangen seit Harry in meinen Armen gestorben war und ich wusste immer noch nicht, wie ich genau mit der Situation umgehen sollte.
Wir hatten die Stadt ohne weitere Zwischenfälle hinter uns lassen können und waren einen ganzen Tag Abseits einer riesigen Straße in die nächste Stadt gewandert.
Sie war ein einziger Autofriedhof gewesen, verrostete Wellbleche lagen an den Rändern und der Asphalt wurde bereits von Jahrzehnten der Wetterumschwünge in Mitleidenschaft gezogen und durch Pflanzen aufgebrochen.
Niall und Megs hatten zusammen die Karte begutachtet, während Liam mir leise zuflüsterte, dass wir uns auf einer Autobahn befanden. Eine Schnellstraße, die die Leute von einem Punkt A schnellstmöglich zu Punkt B bringen sollte.
Und genauso war es mit uns.

Kurz bevor es angefangen hatte zu dämmern, erreichten wir eine Abfahrt, die mit halb verblassten Buchstaben auf die nächste Kleinstadt aufmerksam gemacht hatte und mit etwas Glück haben wir relativ schnell Unterschlupf in einer alten Lagerhalle gefunden.
Sie erinnerte mich in jeder Sekunde, die wir uns dort aufhielten, an die Industrie, in der Harry vor wenigen Stunden gestorben war.

Wir hatten dort Harrys Sachen aufgeteilt.
Im ersten Moment wollte ich schreien, irgendetwas durch die Gegend werfen und den anderen klar machen, dass dies Harrys Sachen waren und nicht irgendetwas, was man einfach so gerecht unter uns Überlebenden aufteilen konnte.

Aber dann fiel mein Blick auf die Armbänder und mir wurde wieder bewusst, dass Harry längst nicht mehr da war, um Anspruch auf die Sachen zu erheben.
Und dass wir jegliche weitere Unterstützung bitter nötig hatten.

Sein Rucksack gab überraschend viel her, doch bei keiner Sache äußerte ich mich, sodass ich das bekam, was mir Megs schlussendlich mit einem langen Blick zuordnete.
Das Essen, sowie seine Wasserrationen wurden unter uns überraschend gerecht aufgeteilt.

Während Mason sich gleich Harrys Decke und das kleine Kissen unter den Nagel riss und an Christopher und Niall die Ersatzthirts gingen, bekam Sam die Taschenlampe und seine übrige Munition.

Als Harrys gesamte Sachen verteilt wurden, konnte ich nur teilnahmslos auf das schauen, was mir Megs zugeteilt hatte. Eine dünne Windjacke, eine rote Trillerpfeife, sowie zwei Carabiner und zwei Leuchtstäbe. Die anderen waren an Jenia und Liam gegangen.

In der Nacht konnte ich nicht gut schlafen, denn immer wenn ich die Augen schloss, sah ich die Wölfe wieder, wie sie uns verfolgten und schlussendlich Harry töteten.
Selbst Sams Anwesenheit neben mir beruhigte mich nicht.
Bei jedem kleinsten Geräusch außerhalb der Halle schreckte ich zusammen, sodass ich insgesamt kaum Schlaf bekam.

Dementsprechend energielos war ich am nächsten Tag.
Niall hatte entschieden, dass wir unseren Weg entlang der Autobahn weiter fortsetzten, da wir so nicht vom Weg abkommen und nur einen geringen Umweg gehen würden.

Liam sagte nichts dazu, genauso wenig wie Megs oder Mason.
Wir alle akzeptierten Nialls Entscheidung.
Der stumpfe Schmerz der Erschöpfung zerrte an meinem ganzen Körper, doch mittlerweile war ich schon so vertraut damit, dass ich ihn schon fast wie einen alten Freund begrüßte.

Nach einer Weile faszinierten mich all die verlassenen Autos nicht mehr, die wie längst verstorbene Überbleibsel zu Hunderten unseren Weg kreuzten. Mich interessierte nichts mehr, ich starrte nur auf meine Füße, stolperte hinter Sam her und versuchte nicht auf die Schnauze zu fliegen.

Es kam mir jedes Mal wie eine Ewigkeit vor, bis Niall die nächste Pause ankündigte und ich mich mit einem Stöhnen auf eine rostige Motorhaube schwingen konnte.
Der Schweiß auf der Stirn und ließ meine Haare in meinem Nacken kleben. Das war ätzend an den kurzen Haaren: Ich konnte sie nicht eben schnell zu einem Dutt hochbinden, so wie ich es früher immer gerne gemacht hatte.

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