-22- ➳ In der Industrie

2.2K 317 100
                                    


Die Angst fraß sich durch meinen Körper, wie noch nie zuvor in meinem Leben.
Nur wenige Sekunden, nachdem wir in die Dunkelheit des Schornsteines gerannt waren, habe ich mich gefragt, ob dies wirklich so eine gute Idee gewesen war.
Was wäre, wenn am Ende nur Schutt und Geröll auf uns warten würde?
Wir wären den Bestien schutzlos ausgeliefert.

Aber dennoch war es auf die Schnelle unsere einzige Fluchtmöglichkeit gewesen.
Das Geheul, das nun durch den Schornstein hallte, war draußen von allen Seiten gekommen.
Wir hätten es niemals zurück zu einen der Häuser geschafft.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals und als ich stolperte, versagte es für eine Millisekunde.
Meine Hand glitt aus die von Harry, doch im nächsten Moment riss er mich wieder hoch und flüsterte hastig: „Lass nicht los."
„Nein, das werde ich nicht", keuchte ich, doch Harry rannte bereits weiter und trieb mich zu einem schnelleren Tempo an, dass meine müden Beine nur schwer mithalten konnten.
Dunkelheit umhüllte uns, stellte uns Stolperfallen und ließ alle Geräusche unnatürlich verzerrt wiederhallen.

Aber ich wusste nach nur wenigen Metern, dass wir es niemals schaffen würden.
Wir könnten nicht vor Tieren wegrennen, die auf die Jagd ausgelegt waren.
Sie würden uns bald eingeholt haben.

Die Panik schnürte sich immer weiter um mein Herz, als ich das wiederhallende Keuchen der Mutanten hören konnte.
Sie waren näher.
Und sie würden immer näher kommen.

Wenn ich hier sterben würde, was würde aus Sam passieren?
Ich hoffte sehr, dass Megs ein Auge auf ihn haben würde, denn zumindest er sollte diesen Albtraum überleben.
Er war viel zu jung um überhaupt in dieses Desaster reingezogen zu werden.
Aber dennoch war es geschehen...

Würden sie uns überhaupt suchen?
Sam würde sicherlich darauf bestehen und sich an den letzten Funken Hoffnung klammern, dass wir irgendwo Schutz gefunden hätten, doch bei Niall und Mason konnte ich ohne lange Nachzudenken davon ausgehen, dass sie ohne sich lange mit Gedanken an uns aufzuhalten, weitergehen würden.

Ich hoffte, Sam würde nicht nach uns suchen.
Und ich hoffte, er würde wissen, dass ich ihn niemals im Stich lassen wollte.

Selbst die Panik, die Angst und das Adrenalin, dass zusammen mit dem Blut durch meinen gesamten Körper gepumpt wurde, konnten nicht verhindern, dass sich die Anstrengung der letzten Tage wie ein Schlag ins Gesicht bemerkbar machte.
Sie ließ mich viel öfters über meine eigenen Füße straucheln, als ich es mir erlauben dürfte und das Gewicht meines Rucksackes zerrte mich von Sekunde zu Sekunde tiefer in Richtung Boden. Doch wir hatten keine Zeit, ihn loszuwerden, denn bevor wir alle Schnallen des Rucksackes gelöst hätten, wären wir unseren Kopf losgeworden.

„Sophia, dort ist Licht!", hörte ich Harry rufen und auf einmal steigerte sich unsere Überlebenschance um einen Hauch.
Doch ein Hauch war noch immer besser als nichts.

Harry hatte Recht.
Nicht weit entfernt schimmerte das trübe Tageslicht durch einen Spalt und von da an sah ich nur noch wie im Tunnelblick.
Ignoriert wurde das Keuchen und Donnern der Tiere hinter uns, die Anstrengung und all die Hindernisse, die zwischen Leben und Tod entschieden.
Harrys Hand lag schwitzig  in meiner und für einen kurzen Moment lösten wir uns von einander, um schneller rennen zu können.
Ich zwang meine Beine dazu, noch größere Schritte zu machen, sodass ich beinahe das Gefühl hatte, über den Boden zu fliegen.
Von Meter zu Meter wurde es heller, sodass man nun auch mögliche Stolperfallen erkennen und aus dem Weg gehen konnte. Harry gelangte zuerst an dem Spalt des Schornsteins, unsere Fluchtmöglichkeit, an und quetschte sich innerhalb einer Millisekunde hindurch. Er streckte mir seine Hand entgegen und als ich ihn erreichte, sah ich nichts als Panik in seinen weit aufgerissenen Augen. Er keuchte stark und ich sah eine leichte Blutspur an seiner Stirn. Er musste sich bei seinem Fall stärker verletzt haben, als dass ich angenommen hatte.

SkylandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt