-20- ➳ Fairness

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Wieder war ich es, die nichts gefunden hatte, dafür Sam umso mehr. Liam und ich mussten ihm beide dabei helfen, die Sachen nach unten zu Megs zu tragen und währenddessen berichtete er aufgeregt davon, dass er dies alles in einem kleinen Fach, versteckt unter dem Bett gefunden hatte. Es war mit das einzige, was nicht geplündert worden war und umso freudiger reagierte Megs auf die Ausbeute, als wir sie auf den Tisch, der in der Mitte des Raumes, den sie durchsuchte, fallen ließen. Auf den ersten Blick sah ich das rote Stück Stoff. Megs folgte meinen Blick und nickte mir zu: „Nimm sie dir, Sophia. Du hast sie am nötigsten."
Dankbar schnappte ich mir die rote Windjacke und schlüpfte in die Ärmel. Das Versteck, das Sam gefunden hatte, musste geschützt gewesen sein, denn auch die anderen Sachen waren von guter Qualität. Wir wühlten uns durch verschiedene Anziehsachen und meine Laune stieg von Sekunde zu Sekunde mehr. Zwischen den Stoffteilen fanden wir Schmuckschatullen, die wir jedoch zurücklassen würden. Ein Silberkettchen oder Diamantenohrringe würden unser Überleben nicht sichern, auch wenn sie hübsch anzusehen waren. Schlussendlich war es Liam, der eine flache Schachtel, eingewickelt in einem leicht muffeligen Tshirt, entdeckte.
Wir alle stoppten in unseren Bewegungen und beobachteten Liam gespannt. Die schwarz metallische Box sah anders aus als die anderen Schmuckschatullen und als er die Schnallen löste und den Deckel hochklappte, zog er scharf die Luft ein.

„Was ist es?" fragte ich atemlos und beugte mich gleichzeitig mit Megs und Sam vor. Sofort hielt ich die Luft an und öffnete überrascht meinen Mund.
Auf dunklen Samt lag eine schwarze Pistole.

„So wie es aussieht, hat der Bewohner zwar nicht mit einer Pistole unter dem Kopfkissen, aber mit einer in einem Fach unter dem Bett geschlafen...", meinte Liam und nahm sie vorsichtig in die Hand.
„Es ist kein Modell, das heute noch vertrieben wird. Aber es hat Ähnlichkeiten mit den Einsatzwaffen, die zur-"

„Mir ist es egal, was für ein Modell es ist, hauptsache sie funktioniert", unterbrach Megs Liam und streckte dann ihre Hand über den Tisch hinweg aus. „Gib sie mir."
Mein Blick huschte von Megs forderndem Blick und den hoch gestreckten Kinn zu Liams dunklen Augen und den zusammengepressten Lippen.

„Megs...", sprach ich unsicher.
„Was ist, Sophia?", fragte Megs scharf, ohne den Blick von Liam zu lösen oder ihre Hand zu senken.
„Findest du das fair?", stellte ich langsam die Frage und spürte, dass auch Sam hin und hergerissen schien.
„Ob ich es fair finde, dass wir hier alle sterben werden? Nein. Ob ich es fair finde, dass die Arbeiter aus den unteren Sektoren durch Maschinen ersetzt werden und dann hinterlistig ermordet werden? Nein. Ob ich es fair finde, dass Strom für die oberen Sektoren mehr wert als ein Menschenleben ist? Verdammt nochmal nein! Und dann fragst du mich, ob ich es fair finde, ihm die Pistole wegzunehmen? Vielleicht ist es auch ein nein, aber was zählt Fairness schon, wenn sie für die verdammt beschissene Regierung sowieso nicht existiert?"

Megs wurde immer lauter, ihr Gesicht immer roter und ich merkte, dass nun all die aufgestaute Wut an die Oberfläche durchbrechen wollte.

„Also Sophia, ist es fair, dass der verdammte Sohn des Teufels höchstpersönlich die einzige richtige Waffe besitzen soll? Wer weiß, vielleicht verpasst er uns auch allen einen Kopfschuss, wenn wir schlafen?"

Es war schon fast ironisch, dass Liam fast das gleiche von den anderen dachte. Nur dass er da die Vermutung aufstellte, mit einer aufgeschlitzten Kehle aufzuwachen.
Ich schluckte und mein Blick wanderte zu Liam, der die Pistole immer noch mit einer unscheinbaren Miene festhielt. Er rutschte wieder hinter seine alte Emotionen-Mauer. Megs knirschte mit ihren Zähnen und durch ihre scharfen Gesichtskonturen wirkte sie, als könne sie nichts besiegen.
Und es unterstrich ihre Sturheit.

„Megs, vielleicht sollten wir genau deswegen die Fairness nicht verlieren. Um zu zeigen, dass wir anders als die Regierung sind und weil sie uns hier draußen weiterbringt..."

SkylandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt