-28- ➳ Tesco

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Cambridge war eine atemberaubende Stadt.
Selbst jetzt noch, zwei Jahrhunderte, nachdem hier das normale zivilisierte Leben schlagartig zu Ende ging, erstaunte sie mich mit ihrer beeindruckenden Schönheit.

Liam hatte sich Sam und mir angeschlossen und erzählte flüsternd, in welchen Formen die Stadt schon immer einzigartig gewesen war.
Er berichtete von der weltgrößten Bibliothek, von den internationalen Friedenskongressen und den neuartigen Technologien, die es zuerst hier gab.
Es faszinierte mich, wie viel er zu Wissen schien.
Als die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte, passierten wir ein einziges Trümmerfeld aus zerborsten Steinen.
Als Liam mir erzählte, dass die Trümmer, über die wir liefen, einst ein College der berühmtesten und mit der besten Universität der Welt war, bildete sich ein Kloß in meinem Hals.
Die University of Cambridge .

Der dritte Weltkrieg hatte auch auf die kulturelle Bedeutung keine Rücksicht genommen. Nein, dadurch war sie erst zu einer Zielscheibe geworden.

Der Kloß in meinem Hals wurde größer und verschwand auch nicht, als ich mehrmals schluckte.
Um mich abzulenken, unterbrach ich Liam und fragte ihn: „Woher weißt du so viel über diese Welt, Liam?"

Liam stockte, legte seinen Kopf schief und ließ seinen Blick in die Ferne wandern. Als er sich durch die dunklen Haare fuhr, sprach er langsam: „Ich habe mein ganzes Leben lang Unterricht bekommen, Sophia, Sophia Smith. Irgendwann soll... sollte ich den Fußstapfen meines Vaters folgen und einen Platz im hohen Rat einnehmen."

Ich musterte ihn von der Seite und nickte langsam.
Ich erinnerte mich noch gut an den Tag, als ich meine Tasche in dem kleinen Garten der Paynes vergessen hatte und auf Liam gestoßen bin, als ich sie schnell holen wollte.
Nun kam mir diese Begegnung so unendlich lange her, so als würde sie nicht mehr zu mir, sondern zu einem ganz anderen Leben gehören.

Damals habe ich mit meinen Händen in der Erde gewühlt, aufmerksam zu gehört, als Flynn über das neue Rosenbeet gesprochen hatte und gelacht, wenn Leo mich wieder einmal damit aufgezogen hatte, dass meine Haare immer aus dem Dutt rutschten.
Ich war nicht mehr das gleiche Mädchen, wie das, das sich ausversehen in der Tür irrte und geradewegs in das Zimmer stolperte, in dem sich Liam aufhielt.

Gleichzeitig war Liam auch nicht mehr der, der nur Anzüge trug, mich fast täglich zum Teeservieren einspannte und mit mir auf der Bank im Garten lernte.

Skyland hatte uns alle verändert.

Woran denkst du?" Liam riss mich aus meinen Gedanken und schnell schüttelte ich meinen Kopf.

„Wir sollten uns beeilen und die anderen wieder einholen", wich ich seiner Frage aus und beschleunigte mein Tempo. Jeder Knochen in meinem Körper schien zu protestieren und auch meine wunden Füße bedankten sich nicht. Doch es blieb uns allen keine andere Wahl.

Als wir zu den anderen aufgeschlossen hatten, hatten wir das Trümmerfeld der einstigen University of Cambridge hinter uns gelassen und wanderten nun wieder zwischen Autowracks, aufgebrochenen Straßen und monströsen Gebäuden.

Diesmal gingen Christopher und Mason an der Spitze und mit einem Blick auf Niall, wusste ich auch, warum.
Er hatte immer noch mit seiner Verletzung zu kämpfen und das Gewicht des Rucksackes schien bei den Schmerzen nicht zu helfen. Er verzog immer wieder das Gesicht und knirschte mit den Zähnen.
Dicht neben ihm lief Megs und überraschte mich mit dem Ausdruck, mit dem sie Niall immer wieder musterte.

Sie schien sich wirklich Sorgen um ihn zu machen.
So sehr, dass sie ihre Wut und ihren Hass auf ihn komplett vergessen zu haben schien.

Wir liefen schweigend nebeneinander, hielten Augen und Ohren auf und bahnten uns einen Weg durch die Straßen.
Selbst bei den wenigen Pausen, die wir machten, sprach keiner.
Doch Megs wich nie von Nialls Seite und ich hoffte sehr, dass dies ein Anfang war.
Ein Anfang davon, dass wir von nun an ohne Streitereien auskommen würden.

SkylandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt