-30- ➳ Liebe oder Revolution

2.1K 296 136
                                    


„Niall, was machst du da?" Meine Stimme war voller Panik, ich konnte nicht realisieren, was sich gerade direkt vor meinen Augen abspielte.
„Du kannst ihn nicht töten!" Nun kreischte ich beinahe.
Doch ich war nicht so laut, als dass ich das Donnern der Gewehrkugeln übertönen könnte.

Nialls Blick verfing sich mit meinen, Liam blieb in seinem Griff ganz ruhig.
Abwechselnd sah ich von seinen braunen in Nialls blauen Augen.

„Ich werde ihn nicht einfach töten, Sophia", sprach Niall langsam aus.
„Dann senk die verdammte Waffe, wir müssen den anderen helfen!"
Mein Herz raste und ich machte einen Schritt auf Niall und die Pistole zu, hob bereits die Hand, um sie ihm aus der Hand zu schlagen.

Doch eine Hand, die sich gegen meine Brust drückt, hinderte mich.
Es war Liams Hand.
Ich erstarrte und blinzelte ihn geschockt an.
Sein intensiver Blick hielt meinen gefangen und langsam schüttelte er den Kopf.

„Sophia, Sophia Smith. Vertrau' ihm."

Mehr sagte er nicht.
Mehr musste er nicht sagen, um mich dazu zu bringen, einen Schritt rückwärts zu machen.
In seinen Augen erkannte ich, dass er es bereits tat.

Er vertraute Niall, seinem Halbbruder, auch wenn es genau dieser war, der ihm eine Pistole gegen die Schläfe drückte.

„Wenn das dann geregelt wäre, können wir ja loslegen! Meine Hübsche, du bleibst hier, wenn mein – zugegebenermaßen etwas sehr spontaner und nicht durchdachter – Plan nicht aufgehen sollte, kannst du von hier aus immer noch mit Kieselsteinchen werfen, okay?"

Ohne auf eine Antwort meinerseits zu warten, umgriff er Liams Oberarm etwas fester und stieß ihn aus unserem sicheren Versteck hervor.

Ich hielt den Atem an und drückte mich mit einem gesamten Körper gegen die kühle, rostige Seitenwand der Mülltonne. Ein ekliger Gestank stieg mir in die Nase, doch dies war mir in genau diesem Moment vollkommen egal.

Das Adrenalin rauschte weiterhin in einer unglaublichen Geschwindigkeit durch meinen gesamten Körper und ich konnte nur mit Mühe meine Beine dazu zwingen, nicht los zu rennen.

Es wurde immer noch geschossen, der Kaminsims war bereits zur Hälfte zu Staub verarbeitet worden und es schien, als würden die zwei Wächter nicht mehr lange brauchen, um die Tür zu dem Haus, auf dem Mason, Megs und Sam versuchten Schutz vor den Kugeln zu finden, aufzubrechen.

Mein Herz raste und tausende Stimmen in meinem Kopf schrien mir zu, dass ich etwas machen musste. Ich konnte nicht einfach zu sehen, wie sie meinen kleinen Bruder erschießen würden.
Lieber würde ich mich unbewaffnet auf die Wächter stürzen.

Meine Finger krallten sich in die Ecken des Metalls, als ich beobachtete, wie Niall mit der Pistole gegen Liams Kopf gedrückt, die Mitte der Straße erreicht hatte.
Neben einem hüfthohen Schutthaufen blieb er stehen und erst als er sich räusperte und anfing zu sprechen, schienen die Wächter ihn zu bemerken.

„Und ihr sollt ausgebildete Wächter sein? Ich hätte jeden von euch einen Kopfschuss verpassen können, schade aber auch, dass ich auf einen anderen Plan ausgewichen bin, weil ich euch überschätzt habe!"

Blitzschnell drehten sich die Wächter um, unter anderem auch der Offizier. Für einen Moment herrschte Stille, selbst Mason und die anderen hatten ihre Schüsse eingestellt.
Doch dann fingen die ersten an zu reagieren.
Die Gewehre wurden angelegt und die Wächter formten einen Halbkreis um Niall und Liam, während einer von ihnen weiterhin versuchte, die Tür aufzubrechen.

„Nicht schießen!", schrie der blonde Offizier und selbst aus der Ferne konnte ich Nialls Grinsen erkennen, als er den Kopf schief legte.

Er war umzingelt, das einzige, was ihm gerade am Leben hielt, war, dass er Liam in seinem Griff hatte. Und dennoch lächelte er, als wäre er derjenige, der überlegen war.
Liams Gesichtsausdruck konnte ich nicht deuten, seine Lippen waren zu einer schmalen Linie zusammengepresst und sein Blick wechselte abwechselnd zwischen dem Offizier und den Kaminsims.

SkylandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt