Kapitel 52

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Wir standen vor unserem Ziel, wie mir wenige Sekunden zuvor noch Robin sagte und ich hatte plötzlich wieder dieses Gefühl mich nicht bewegen zu können. So wie schon beim Trainingsgelände als Marco mir immer näher kam und mir schier die Luft weg blieb. Was ist wenn er mich weg schickte und Robin doch den Kopf abschlug weil er mich zu ihm gebracht hatte? Ein Weltuntergangsszenario ging durch mein Kopf und mein linker Mundwinkel ging automatisch nach oben, denn die Vorstellung war natürlich absolut abstrus und überhaupt der Realität kein Stück nah. "Was ist, hast du es dir überlegt und willst doch nicht?" Erst zögerlich, dann immer heftiger schüttelte ich den Kopf "nein, ich zieh das jetzt durch" versuchte ich mir selbst Mut zuzusprechen, blieb aber weiter sitzen. "So wird das aber nix. Du musst schon aussteigen" Robin fing an zu lachen und machte die Türe auf seiner Seite auf, "steig aus, es wird schon alles gut gehen" dann griff er zu mir rüber und drückte meine Hand. Was auch immer diese Geste in mir löste, ich konnte endlich aussteigen und meinen Weg gehen. Eilig lief ich hinter Robin zum Haus her und hätte keine Jacke mehr gebraucht. Mir war heiß! Meine Hände waren nass vom Schweiß, mein Magen fuhr Achterbahn und meine Wangen waren sicher purpurn Rot weil sie glühten. Robin hob die Hand und wollte gerade den Knopf neben der Haustür drücken als ich nach dem Handgelenk seiner anderen Hand griff. "Warte!" Ich brauchte noch einen kurzen Moment um durchzuatmen, dann nickte ich zu der Klingel hin "ok, kann losgehen". Schon war ein sonorer Ton hinter der Tür zu hören, dem kurz darauf Schritte folgten. Ich schloss die Augen und wünschte mir, ich wäre ganz klein oder unsichtbar. Es hätte aber auch gereicht, wenn einfach die Erde unter mir aufgegangen wäre. "Hey da bist d... Chrissy?" Mein Name wurde nur geflüstert und ich öffnete vorsichtig ein Auge. Marcel starrte mich mit großen Augen und offenem Mund an. "Ey Bro, hast du irgendwas an Marcos Aussage nicht verstanden?"-"Er hat auch scheiße gebaut und jetzt ist Schluss mit der rum Heulerei" Robin drückte sich an seinem Freund vorbei und ließ mich einfach stehen. Marcel sah mich sehr unfreundlich an und nichts war zu fühlen von der Freude die er mir in Miami immer entgegen brachte. Ich hatte keine Ahnung was ich machen sollte und sah schlussendlich auf meine Schuhspitzen und kaute auf meiner Unterlippe rum. "Was ist jetzt?" Erst Robins ungeduldige Stimme ließ mich auf sehen. "Das können wir nicht machen", Marcel war offenbar wirklich nicht mit Robins Idee einverstanden. "Willst du das noch ewig dir anhören?" Er zeigte in den Raum und zischte die Worte, so als wollte er nicht Marco auf unsere Illustre Runde aufmerksam machen "nach dem heutigen Abend ist das bisschen Ruhe wieder vorbei. Das ist Kindergarten und was für ein Zufall ist das bitte?" Nun zeigte er auf mich. "Findest du?"-"du etwa nicht?" Ich fühlte mich wie ein kleines Kind, dessen Eltern gerade in dritter Person über den Kopf hinweg sich unterhielten. Ich drückte mich kurzerhand zwischen den beiden hindurch und ging einfach hinein. Robin hatte recht, es war ein Kindergarten und entweder ich konnte Marco dazu bewegen meine Entschuldigung anzunehmen oder nicht. Ich hatte nichts zu verlieren und es würde mir meine Entscheidung, mit meiner Mutter nach Deutschland zu ziehen, vereinfachen. Denn ohne Marco an meiner Seite, gab es auch keinen Grund hier her zu ziehen. Alles wäre dann besser als in seiner Nähe zu sein. Mit großen, festen Schritten ging ich weiter mit dem Ziel Marco zu finden und es hinter mich zu bringen. "Chrissy warte" flüsterte Marcel hinter mir und ich blieb stehen, drehte mich um und legte meinen Finger auf den Mund. Er sah von mir zu Robin und wieder zurück. Was auch immer er eigentlich sagen wollte, er tat es nicht sondern zeigte mit dem Finger in eine Richtung mit den Worten, "Geh der Musik nach" dann resigniert er und winkte mit beiden Händen ab. Ich tat was er sagte und ging dann doch zögerlich auf eine Tür zu, die leicht angelehnt war und ich blieb stehen. Mir war mittlerweile so heiß, dass ein klarer Gedanke unmöglich erschien und bevor ich weiter ging, zog ich meine Jacke aus. Da es keine Möglichkeit in meiner näheren Umgebung gab wohin ich sie legen hätte können, warf ich sie nur auf den Boden und schob die Tür etwas weiter auf. Ich hatte ein rauschen im Ohr, was die Musik im Raum schon übertönte. Mein Puls ging schnell und mein Herz drückte gegen die Brust. Nur noch ein Stück. Nur noch wenige Meter, trennten mich von dem Mann, den ich so begehrte. Dann sah ich ihn. Er saß locker auf dem Sofa, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und die Hände auf seiner Stirn verschränkt. Der Läufer auf dem gefliesten Boden schluckte meine vorsichtigen Schritte und an der Ecke des Sofas blieb ich stehen. Er hatte immer noch nicht gemerkt dass ich da stand oder dass überhaupt jemand den Raum betreten hatte. Ich war unschlüssig was ich nun tun sollte und sog leise Luft in meine Lunge um sprechen zu können, sollte ich es denn wagen. Ich sah mich mit einem prüfenden Blick um. Konnte auf dem Tisch vor ihm, zwei Gläser, eine Flasche Wasser und Handys wie ein paar Schlüssel sehen. Dann sah ich wieder zu ihm und ich faste Mut. Kurz leckte ich mir über die Lippen und atmete frische Luft ein, da ich zu lang schwieg und die alte schon verbraucht war. "Hal..."-"Marcel? Ist das jetzt endlich Rob...", rief Marco genau in dem Augenblick und erstarrt sahen wir uns beide an als er seine Hände runter nahm und die Augen aufmachte. Er wollte wohl zur Tür schauen, doch ich stand ihm direkt im Sichtfeld. "Chrissy" tonlos kam mein Name über seine Lippen, dabei klang es beim letzten Mal noch so liebevoll. Ich stand nur da. Mit hängenden Schulter und die Finger in den Stoff meines Kleides gekrallt. Alles was ich sagen wollte, war aus meinem Kopf verschwunden. "Was willst du hier?" es war nicht auszumachen ob er nun sauer, überrascht oder erfreut war über die Situation und ich hoffte die richtigen Worte nun endlich zu finden. "Mich entschuldigen" ich versuchte es gleich emotionslos zu sagen wie er, was absolut in die Hose ging. Denn in meinem Hals saß ein Knoten, der mich unentwegt schlucken ließ. Dennoch wollte ich loswerden was ich mir nun schon wochenlang vorgenommen hatte.

A little Dream of you and meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt