39: Der Drachenbändiger Aiko Angel

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Immer näher kommen die beiden Drachen. Und desto näher sie kommen, desto deutlicher wird, dass ich keine Chance gegen sie habe. Wie auch. Ich bin emotional viel zu aufgewühlt, um überhaupt die Konzentration aufbringen zu können, mich in einen Drachen zu verwandeln. Also würde es mir sowieso nichts nützen, selbst wenn ich es könnte.

„Wie wollen wir jetzt vorgehen?" Raiu klingt leicht angespannt. Kein Wunder. Wir dürfen nicht versagen. Wir müssen die Beiden erfolgreich von dem Geheimversteck ablenken, sodass die Rebellen einen zeitlichen Vorsprung haben. Ich schüttele mit dem Kopf. „Ich habe keinerlei Ahnung, Raiu. Deswegen werde ich ab jetzt alles spontan machen. Wie ich es früher oder sonst auch immer tue. Einfach Augen zu und durch." Sie schnaubt. „Das ist aber nicht wirklich dein bester Vorschlag." Ich erwidere nichts darauf. Was sollte ich auch. Sie hat völlig recht. Nur bin ich gerade leicht verzweifelt, um mir etwas anderes zu überlegen.

Ich mache einen Schwenker mit meinen Flügeln nach oben, damit ich mich über Anna und Gylo befinde. Dann sind sie auch schon nahe genug, um mich mit Leichtigkeit mit ihrem Atem abzufackeln. „Wo ist denn der arme Rico?", kommt es schon mit gehässigem Unterton von Anna, „Evilia vermisst ihn ziemlich heftig." Das Einzige, was ich von mir gebe, ist ein „Tz." „Ans Bett gefesselt, wie mir scheint", vermutet Gylo richtig, „Und du bist also Raius Außerwählte?" Ich schlage mit den Flügeln, um ein bisschen mehr Abstand von den Gegnern zu bekommen und ändere gleichzeitig leicht die Richtung, sodass wir jetzt nach rechts ausweichen. Damit fliegen Gylo und Anna nicht direkt auf die Festung zu. Wenigstens lassen sie sich von mir ablenken. Ein klitzekleiner Fortschritt.

„Ja, sie ist meine Partnerin", antwortet Raiu für mich inbrünstig, „Und wenn ihr ihr auch nur ein Haar krümmt, dann werde ich euch niemals vergeben!" Anna fängt an, schallend zu lachen. „Wie willst du uns das bitteschön heimzahlen? Du bist an sie gebunden, in ihrem Körper eingesperrt. Wenn sie stirbt, dann stirbst du auch!" Raiu knurrt. „Reiß dich zusammen", denke ich speziell an sie. Sie sagt nichts mehr. Dafür hat Anna ein wenig beschleunigt, was mir den Anlass gibt, ebenfalls schneller zu werden. „Eigentlich sollten wir uns ja endgültig die Rebellen vom Hals schaffen, aber du bist wesentlich interessanter, oder täusche ich mich da Gylo?" Annas Kopf dreht sich zu dem Giftdrachen. Der knurrt einmal zur Zustimmung. Das Zeichen für mich, mich glänzlich umzudrehen und einen Zahn zuzulegen.

Ich wende mich in die Richtung, von der sie gekommen sind. Anna und Gylo dicht auf den Fersen. „Sag, wenn ich übernehmen soll", schaltet sich Raiu doch wieder ein. Ich nicke.

Plötzlich befindet sich Anna direkt vor mir und schneidet mir so meinen Fluchtweg ab. Derweil atmet Gylo seinen Gift-Odem aus. Ich halte die Luft an, um nicht diese ausknockenden Dämpfe ausgesetzt zu sein. Raiu reagiert sofort, übernimmt die Kontrolle über meinen Körper und navigiert mich aus der Giftwolke. Als ob das nicht genug wäre, kann ich gerade noch einen anderen Drachen ausweichen, der wie aus dem Nichts vor mir erscheint.

Dieser neue Drache hat eisblaue, Eiszapfenähnliche Schuppen, einen eher längeren schmalen Kopf und Rumpf, normal große Flügel, die mich an Fächer erinnern, und für mich unzählige Hörner am Kopf. „Das ist Aisu C. Lucian." Raius erschrockener Schrei macht die ganze Sache nicht besser. Ich kann es doch nicht mal mit einem von diesen Biestern aufnehmen, wie soll ich es dann mit drei?!

In meiner Verzweiflung klappe ich einfach meine Flügel ein und starte so einen radikalen Sturzflug, im Nacken die drei Drachen. Ich bremse erst ganz knapp über den Boden, streife diesen sogar mit der Spitze meines rechten Fußes und fliege dicht über der Erde im schnellsten Tempo, dass ich habe. „Warum verwandelst du dich nicht? Warum nicht?", gackerte es von hinten. Ich nehme an, Anna macht sich gerne über mich lustig. Mir egal. Ich bin mit etwas anderem beschäftigt, als mich über sie aufzuregen.

Die Landschaft unter mir verändert sich und prompt muss ich einen Berg ausweichen. Die Rolle nach rechts bekomme ich gerade noch so hin, leider spiele ich da völlig in die Hände – wohl eher Klauen – in meine Feinde. Die kennen das Gebiet schließlich besser als ich, sodass dort, wo ich mich hinrolle, sich bereits Gylo befindet. „Bremsen" kann ich schon noch, doch seine Dämpfe entkomme ich nicht mehr. Es ist wie ein Schlag ins Gesicht. Ich spüre förmlich, wie sich das Gift den Weg durch meine Lungen frisst und meine Organe einnimmt. Ich fange an zu Husten. Meine Sicht verschwimmt vollständig. Meine Tränensäcke sind außer Kontrolle, sodass unkontrolliert Wasser aus ihnen tritt. „Du musst hier weg!" hörte ich ganz schwach aus weiter Ferne Raius letzte Worte bevor meine Verbindung zu ihr kappt.

Mit meinen letzten Kraftreserven verwandele ich mich in einen grellen Blitz und katapultiere mich hoffentlich weit genug weg. Unsanft komme ich irgendwo auf, falle um. Mein Körper zieht sich zusammen, zittert unkontrolliert vor sich hin, verkrampft sich immer wieder. Von den Schmerzen jetzt mal abgesehen, die sich anfühlen, als ob Tausende von Nadeln in meinen Körper eindringen, nehme ich gar nichts mehr von meiner Außenwelt war. Irgendwann, nach Sekunden, Minuten, Stunden oder Tage, ich weiß es nicht mehr, entlässt mich mein Bewusstsein endlich in die Ohnmacht.


Das Nächste, was ich wieder wahrnehme, ist ein sanftes Streicheln über meine Wange. Ein Hauch von einem Kuss auf meinem Hals. Eine federleichte Berührung an meiner Lippe. Ein Seufzen entfährt mir, nicht laut, aber dennoch zu hören. Ein leichtes Kichern, ein Rütteln meiner ach so weichen Liegefläche. Etwas weiches an meinem linken Ohr.„Guten Morgen, meine Liebe", wispert eine fremde Stimme.

Ich zucke zusammen und schlage hektisch meine Augen auf. Bevor ich mich allerdings aufrichten kann, werden meine Schultern von jemanden nach unten gedrückt. Ich sehe nach rechts. Neben mir liegt ein weißhaariger Mann. Seine Seelenspiegel sind grau und funkeln mir vergnügt entgegen. Dazu kommt, dass sich tatsächlich auf seinen Rücken schneeweiße Flügel bewegen. Ich starre ihn mit offenen Mund an. Er kichert wieder, streicht mir über die Wange. „Du solltest dich noch nicht bewegen, meine Liebe. Das Gift ist immer noch in deinem Körper." Ich blinzle, fange mich etwas verspätet wieder. „Wer bist du?", rutscht es mir leicht verdattert raus. Er lächelt mir mit seinen strahlend weißen Zähnen entgegen. „Ich bin Aiko Angel. Freut mich, Raiu C. Kira. Ich wollte dich schon seit deiner Ankunft hier auf Dragon Island kennen lernen", säuselt er und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.

Ich bin zu perplex, um zu reagieren. Er beugt sich über mich, knabbert an mein linkes Ohr. Jetzt versteht mein Gehirn endlich, dass es sich mal in Gang setzen soll und ich bewege meinen Kopf etwas weg. Gleichzeitig hebe ich meine rechte Hand und versuche, Aiko an seiner Schulter von mir wegzudrücken. Ohne Erfolg. Er behält sein Lächeln bei, legt seine Hand auf meine. „Kira, wir sind doch keine Feinde." Ach nein? „Ich will nichts böses von dir." „Aber du bist mir zu nah...ich hab einen..."

Er lässt mich nicht weiter ausreden. „Einen Freund? Meinst du den Yonkou? Der, der dir das Herz vor nicht mal 48 Stunden gebrochen hat? Du bezeichnest diesen, diesen Verräter immer noch als deinen Freund, Geliebten? Meine Liebe, das stimmt nicht, so leid es mir auch tut. Er hat dich abgewiesen, oder etwa nicht? Hat dich rausgeworfen." Seine Stimme betört mich, seine Worte sind leider so verdammt wahr. Eine Träne kullert meine Wange hinab, wird aber von Aiko weggeküsst. „Du brauchst nicht zu weinen. Ich weiß, dass es hier schmerzt -" , er nimmt seine Hand von meiner und legt sie auf die Stelle über meines Herzens, „ich kenne diese Gefühle nur zu gut. Ich selbst habe meine Frau, meine Geliebte und mein Kind verloren. Es tut weh, nicht wahr? Es schmerzt." Ich nicke, weitere Tränen rollen mein Gesicht hinab. Aiko sieht mich mitleidig an. „Du hast so etwas nicht verdient, Kira. Du verdienst jemanden aufrichtigen, jemanden, der immer bei dir ist und sich um dich kümmert. Lass mich derjenige sein, bitte Kira. Du wärst die perfekte Mutter für mein Kind." Er kommt mir mit seinem Gesicht näher. Ich schüttele leicht verzweifelt den Kopf. Nein. Das ist nicht richtig. Oder? Was ist richtig, was falsch? Mein Verstand ist noch so vernebelt. Da kommt mir etwas in den Sinn. „Sagtest du nicht, du hast dein Kind verloren?", flüstere ich fast. Knapp vor meinen Lippen stoppt er. „Ich werde ihn wiederbeleben."

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