Aus nächtelangem Reden wurde tagelanges Schweigen.

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PoV Tim

Die Zeit, nachdem ich vom Arzt gekommen war, hatte ich damit verbracht, in Catas Tagebuch zu lesen. Das tat ich oft, wenn Stegi nicht da war. Ich wollte nicht, dass er dabei war, wenn ich es las, ich wollte nicht, dass er sah, wie sehr es mich noch immer mitnahm. Mit jeder Seite, die ich las, hatte ich mehr Angst. Auch wenn ich einerseits wissen wollte, warum Cata so sehr gelitten hatte, hatte ich Angst es zu erfahren. Seit Josy mir gesagt hatte, dass ich eine Mitschuld am Tod ihrer Schwester trug, war diese Angst nur noch mehr gewachsen. Ich könnte mir nicht erklären, was ich getan haben sollte.

Zwei Wochen hatte der Arzt mich krank geschrieben, zwei Wochen blieben mir, um wieder mit mir selbst und meinem Leben besser klar zu kommen. Ich war Stegi dankbar, dass er mich nicht dazu drängte, ihm zu erzählen, was mich beschäftigte. Er gab mir unheimlich viel Freiraum, kommentierte es nicht, dass ich wieder angefangen hatte zu rauchen. Mein Freund stand seit einiger Zeit in der Küche, räumte die Spülmaschine ein, während ich im Wohnzimmer auf dem Sofa saß und lustlos in der Teetasse rumrührte.

„Hast du Lust heute noch was zu machen? Wir haben lange nichts mehr unternommen." Murmelte Stegi, als er sich zu mir aufs Sofa begab und sogleich seine Arme um meinen Bauch schlang. Ich zögerte. Ich hatte keine Lust rauszugehen, wollte ihn jedoch auch nicht jedes Mal enttäuschen. Ich vernachlässigte ihn ziemlich. „Worauf hast du denn Lust?" fragte ich, doch er schien an meiner Stimme zu hören, dass ich nicht unbedingt angetan von der Idee war. „Du willst gar nicht, oder?" wollte er wissen und ich seufzte leise. „Nicht wirklich, nein. Aber wir können was machen, wenn du möchtest." – „ne, wenn du nicht willst, bleiben wir zuhause, das passt schon." Antwortete er leise. Ich wusste, dass er enttäuscht war. „Tut mir leid, Schatz." Wisperte ich und gab ihm einen vorsichtigen Kuss, mein Freund nickte lediglich schwach.

PoV Stegi

Tim zog sich immer mehr zurück. Er verließ schon bald gar nicht mehr die Wohnung, ging nicht mal mehr zum Sport und meine Sorge wuchs immer weiter. Die einzige Nähe, die er noch zu ließ, war, dass er abends im Bett seinen Arm um mich legte. Er fehlte mir, obwohl er so greifbar war. Die Distanz zwischen uns schien mich beinahe aufzufressen. Ich konnte mich kaum noch dran erinnern, wann er mich das letzte mal geküsst hatte, geschweige denn, wann wir das letzte mal miteinander geschlafen hatten. Ich fühlte mich beinahe unwohl, wenn ich abends neben ihm im Bett lag. Ich hatte ein unheimliches Verlangen danach, ihn zu berühren, doch ich fürchtete mich vor seiner Reaktion.

Seit etwa einer halben Stunde lag ich ihm Bett und starrte an die Decke, Tim war noch im Wohnzimmer geblieben. Ich war mir sicher, dass er schon wieder in dem Tagebuch las und mittlerweile verfluchte ich es nur noch. Ständig lag seine gesamte Aufmerksamkeit bei diesem Buch, seine Laune würde davon gesteuert, was er zuletzt gelesen hatte und für mich schien in seinem Kopf keinerlei Kapazität mehr zu sein. Auch wenn ich Verständnis dafür hatte, dass er die Gründe in Erfahrung bringen wollte, nervte es mich von Tag zu Tag mehr. „Tim?" rief ich lauter als nötig und wartete anschließend auf eine Antwort, die ich jedoch nicht erhielt. Seufzend erhob ich mich und trottete langsam in Richtung Wohnzimmer. „Wann kommst du ins Bett?" murmelte ich vorsichtig, Tim zuckte erschrocken zusammen und schlug sogleich das Buch zu, das er in der Hand hielt. „Erschreck mich doch nicht so." Entgegnete er und schob das Buch unter eines der Sofakissen. „Ich komm gleich, leg dich schon wieder hin. Ich wollte nur noch kurz duschen." Ich nickte seufzend und wandte ihm den Rücken zu, um mich wieder auf den Weg ins Schlafzimmer zu machen.

Es verging nicht mehr viel Zeit, bis das Rauschen des Wassers der Dusche erklang. Mühevoll hielt ich mich noch einige Zeit wach, um zumindest mitzubekommen, wenn Tim sich zu mir legen würde. Zum Rauschen des Wassers mischte sich nach kurzer Zeit ein weiteres Geräusch, welches mich aufhorchen ließ: Tim hatte begonnen, zu stöhnen. Ich konnte hören, dass er wohl versuchte, es zu unterdrücken, es ihm jedoch nicht gelang. Genervt drehte ich mich auf die Seite, griff nach den Kopfhörern, die auf dem Nachttisch lagen und fing an, Musik zu hören. Den Grund, warum Tim nicht mit mir schlafen wollte, hatte ich dann wohl herausgefunden: er machte es sich lieber selbst. Meine Müdigkeit war wie weggeflogen, ich haderte, in ich mich nicht lieber aufs Sofa legen sollte, doch mir blieb nicht genug Zeit, um diese Entscheidung in Ruhe zu treffen. Tim hatte gerade das Badezimmer verlassen und ich konnte hören, wie sich Schritte näherten. „Du bist ja noch wach." Flüsterte mein Freund leise, als er sich neben mich legte. Unweigerlich bekam ich eine Gänsehaut, ich fühlte mich plötzlich noch unwohler, als die letzten Abende. Ein unangenehmer Gefühl breitete sich in mir aus, als Tim seinen Arm um mich legte und begann, über meinen Bauch zu streicheln. Ich griff nach seiner Hand, schob diese beiseite. „Ist alles okay?" wollte er besorgt wissen, ich schwieg jedoch und rutschte soweit wie möglich von ihm weg. „Schatz, was ist los?" fragte er erneut. „Lass mich einfach." Nuschelte ich und zog die Bettdecke ein wenig höher. Mein Freund seufzte laut und setzte sich auf. „Was ist denn?" wiederholte er und legte die Hand auf meine Schulter, um mich zu ihm umzudrehen. „Lass mich doch einfach!" zischte ich und warf ihm einen warnenden Blick zu. „Was hab ich dir denn bitte getan?" ich stöhnte genervt auf. „Ich geh aufs Sofa." Entschied ich und erhob mich kurz darauf. „Stegi, jetzt warte doch mal!" forderte Tim und folgte mir ins Wohnzimmer. „Sag mir bitte, was ich dir getan hab." – „denk doch mal nach, Tim! Ich versuch die ganze Zeit Rücksicht auf dich zu nehmen, lass dich in Ruhe, wenn du das möchtest, ich verzichte sogar darauf, dich zu küssen, weil du das anscheinend grad nicht willst und was machst du? Du holst dir einen runter, wenn du duschen bist, wenn der Sex mit mir so schlecht ist, dass du dir lieber einen runterholst, dann sag mir das halt!" – „man, Stegi.." – „ne, nichts 'man Stegi', du musst nicht mir mir schlafen, wenn du keinen Bock auf mich hast, aber dann schau wenigstens, dass ichs nicht mitkrieg, wenn du dir einen runterholst!" Tim atmete lautstark aus. „Das hat doch nichts mit dir zu tun, nur.." – „ach, das hat nichts mit mir zu tun?" Unterbrach ich ihn. „Lass mich jetzt bitte ausreden, Schatz. Das hat wirklich nichts mit dir zu tun, ich hab nur.. Man, ich kann.. Ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll. Ich kann mich eben gerade nicht so drauf konzentrieren, als dass es auch für dich schön wäre.. Ich will doch nicht nur mit dir schlafen, damit ich Druck loswerde und genau das wär es momentan. Wenn ich mit dir schlafe, will ich, dass es auch für dich schön ist."  Ich schnaubte belustigt. „Schön, dass dich das amüsiert. Wäre es dir lieber, wenn ich Sex mit dir habe, bei dem ich mich gar nicht auf dich einlassen kann?"  Kommentierte Tim, ich schüttelte langsam den Kopf. „Und anstatt mit mir zu reden, wartest du lieber, bis ich es von alleine mitbekomme? Super Idee, Glückwunsch." – „das wäre doch genau die gleiche Diskussion gewesen!" – „du hättest auch schon lange mal sagen können, dass der Sex mit mir scheiße ist!" – „jetzt erzähl doch nicht so einen Schwachsinn, du weißt ganz genau, dass ich den Sex mit dir nicht scheiße finde! Und jetzt hör bitte auf mit diesem Quatsch, ich hab dir gesagt, dass es mir bald besser geht, bitte gib mir einfach nur ein bisschen Zeit, dann wird das wieder, versprochen." Ich nickte schwach. Eigentlich hatte Tim recht, wie so oft. Egal, wie er das Thema angesprochen hätte, ich hätte mich angegriffen gefühlt. „Ich liebe dich, hörst du? Und ich liebe auch den Sex mit dir und das weißt du auch." Tim stand auf und hielt mir eine Hand hin. „Komm jetzt bitte wieder mit ins Bett." Ich griff nach seiner Hand und ließ mich von ihm mit ins Schlafzimmer ziehen.

Was machst du nur mit mir PART 2 | Stexpert FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt