... Oder Ehrlichkeit und ein gedicktes Herz?
PoV Stegi
Es war unheimlich schwer für mich, Tim so leiden zu sehen. Ich konnte ihm ansehen, dass er sich die Schuld dafür gab. Mein Freund zuckte zusammen, als ich ihm vorsichtig eine Hand auf den Rücken legte. Ich wollte etwas sagen, damit er sich zumindest etwas besser fühlte, doch ich wusste nicht, was. Was sollte man in so einer Situation sagen? Es gab nicht, was man sagen könnte, damit er sich besser fühlte. Zu meiner Erleichterung hatte Tim mittlerweile aufgehört, zu weinen. „Ich glaub, ich leg mich hin." Wisperte er, ehe er aufstand und kurz darauf im Schlafzimmer verschwand. Ich seufzte lautstark und rieb mir einen Moment die Augen, bevor ich ihm folgte. Ich legte mich neben Tim und griff nach seiner Hand. „Wenn du alleine sein willst, musst du's nur sagen." Murmelte ich und erhielt lediglich ein Nicken als Antwort. Erleichtert stellte ich nach einiger Zeit fest, dass Tim tatsächlich eingeschlafen war. Ich war ratlos. Ich wollte ihm so gern helfen, ihm zumindest einen Teil des Schmerzes nehmen, doch ich konnte nicht. Tim sah fertig aus, als hätte er, während ich weg war, nicht eine Minute geschlafen. Ich fragte mich, wie lange er schon davon wusste, was Cata passiert war, wie lang er es verschwiegen hatte. Es störte mich nicht im geringsten, dass er es mir nicht direkt erzählt hatte, selbst wenn er es schon Wochen wüsste, würde es mich nicht stören. Ich war eher dankbar, dass er es mir überhaupt erzählt hatte, so verschwiegen wie er in letzter Zeit war, war es für mich nicht selbstverständlich, dass er mir sowas erzählte.
Tim schlief bis zum nächsten morgen, während ich die meiste Zeit neben ihm lag und keine einzige Minute Schlaf finden konnte. Ich war unheimlich dankbar, dass Tim durchschlief und nicht, wie so oft, durch immer wiederkehrende Alpträume aus dem Schlaf gerissen wurde. Viel zu lange hatte er nicht mehr richtig geschlafen. Als am Morgen die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster drangen, begann Tim zu blinzeln. „Guten Morgen." Wisperte ich leise und erhielt einen kurzen Kuss als Antwort, bevor sich Tim noch einmal umdrehte. Ich stand auf, holte mir einen Pullover aus dem Kleiderschrank und zog diesen über, bevor ich mich auf den Weg in die Küche machte. So wie ich Tim kannte, hatte er die letzten Tage auch nicht besonders viel gegessen, also bereitete ich Frühstück vor, welches ich kurz darauf auf einem kleinen Tablett ins Schlafzimmer brachte. Tim war wieder eingeschlafen, also stellte ich das Tablett auf dem Nachttisch ab und verließ den Raum wieder.
Bis mein Freund aufwachte, verging noch recht viel Zeit, die ich damit verbrachte unaufmerksam durch das Fernsehprogramm zu schalten. Neben mir auf dem Sofa lag das Tagebuch. Innerlich hatte ich es so oft verflucht. Ich hatte zwar von Anfang an gewusst, dass Cata immer ein Teil von Tim bleiben würde, doch so präsent wie in der letzten Zeit war sie nie. Auf eine Art war es immer schwer für mich, damit klar zu kommen. Hätte Tim sich von ihr getrennt, wäre es eine ganz normale Beziehung gewesen, die irgendwann ein Ende gefunden hätte, doch wenn Cata sich nicht umgebracht hätte, wären sie womöglich noch immer zusammen. Auch wenn ich mir sicher war, dass Tim mich liebte, war ich mir ebenfalls sicher, dass er Cata immer lieben würde, wenn nicht sogar mehr als er mich je lieben würde. Seufzend griff ich nach meinem Handy, welches seit gestern unangetastet auf dem Wohnzimmertisch lag. Fabi hatte mir in letzter Zeit oft geschrieben, ich hätte ihm nicht ein einziges Mal geantwortet. Er nervte mich. Immer öfter kam mir der Gedanke, dass Tim vielleicht recht hatte, mit dem, was er über Fabi gesagt hatte. Wieder und wieder sprach Fabi an, dass ich mich durch Tim verändert hätte, dass ich viel verschlossener geworden sei und kaum noch raus gehen würde. Ich hatte keine Lust mehr, mich mit diesen Vorwürfen zu beschäftigen, also hatte ich ihm irgendwann einfach nicht mehr zurückgeschrieben.
Leise Schritte näherten sich und kurz darauf stand Tim im Wohnzimmer und rieb sich verschlafen die Augen. Er warf sich neben mir aufs Sofa, während er ein leises „Danke fürs Frühstück." Murmelte und seinen Arm von hinten um mich schlang. „Hast du gut geschlafen?" wollte ich wissen, worauf ich ein zustimmendes Brummen zu hören bekam. Seine Laune von gestern schien wie weggeblasen. Keine Spur mehr von der Verzweiflung, die gestern noch so präsent war. Ich ignorierte die Tatsache, dass es ihm so viel besser ging, weil ich nicht wollte, dass es wieder so war, wie am vergangenen Abend und ich war mir sicher, dass es das würde, wenn ich das Thema ansprechen würde. „Wie geht's Chrissy? Du hast noch gar nichts erzählt." Riss Tim mich schließlich aus meinen Gedanken. „Ganz gut, Studium läuft, letztes Wochenende war Rafi bei ihr, in den Semesterferien fährt sie zu ihm. Ich weiß gar nicht, wie sie das aushalten will mit Tobi und Rafi in einer Wohnung. Die waren im Internat schon immer so chaotisch, ich will gar nicht wissen, wie deren Bude aussieht, geschweige denn, wie die bis jetzt überlebt haben." Tim schmunzelte. Wie oft hatte er sich darüber beschwert, dass Tobi so unglaublich chaotisch war. „Ich muss meine Eltern nachher noch mal anrufen, die haben heute Hochzeitstag." Wechselte Tim das Thema und stöhnte genervt auf. „Wir müssen uns da übrigens auch bald mal wieder blicken, meine Mutter nervt schon." Fügte er hinzu. „Stimmt, ist schon länger her." Stimmte ich zu. „Aber lass uns das lieber spontan machen, meine Mutter lädt sonst wieder alle möglichen Leute ein." Ich nickte. „Können wir ja sonst in den Ferien machen." – „mal sehen." Nuschelte Tim an meiner Schulter.
Tim war den ganzen Tag über unheimlich anhänglich, konnte seine Hände kaum bei sich behalten. Selbst beim Einkaufen wurde sein Blick beinahe panisch, wenn er mich nur einige Sekunden aus den Augen verloren hatte. Auch wenn mir diese Nähe in der letzten Zeit gefehlt hatte, machte ich mir auch jetzt wieder Gedanken. Ich fand es seltsam, dass Tim wie ausgewechselt schien. Die Tatsache, dass er am vergangenen Abend weinend in meinem Arm lag, schien er komplett auszublenden. Aufmerksam verfolgte ich deshalb jede von Tims Regungen, um möglichst schnell reagieren zu können, wenn seine Stimmung umschlagen würde. In der letzten Zeit fiel es mir unheimlich schwer, meinen Freund einzuschätzen.Jede Emotion, jede Reaktion könnte die nächste sein, die folgte, sei es Wut, Trauer oder, wie momentan, Ignoranz.
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Was machst du nur mit mir PART 2 | Stexpert FF
FanficDas hier ist also die Fortsetzung zu 'was machst du nur mit mir?' Ich denke, für das Verständnis ist es auf jeden Fall hilfreich den ersten Teil zu lesen. Rest der Beschreibung wird noch ergänzt (: