Wer stets zu den Sternen blickt, kann auf die Fresse fliegen

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PoV Stegi

Seit dem Kuss waren mittlerweile einige Wochen vergangen und mein schlechtes Gewissen wurde von Tag zu Tag stärker. Ich hatte Tim nichts davon gesagt, Fabi sprach nicht mehr mit mir, Max warf mir lediglich einige mitleidige Blicke zu. In meinem Kopf herrschte absolutes Chaos, meine Gefühle spielten gänzlich verrückt. Ich war mir sicher, dass ich was für Fabi fühlte, wusste, dass die Gefühle vermutlich entstanden waren, weil wir so viel Zeit miteinander verbracht haben, beinahe jeden Abend gemeinsam in einem Bett geschlafen hatten. Ich hatte Tim vor einigen Tagen lediglich gesagt, dass ich etwas Zeit für mich bräuchte, von den Gefühlen und dem Kuss hatte ich nichts erwähnt. Fabi hatte von mir verlangt, dass ich es Tim erzählen sollte und als ich der Forderung nicht nachgekommen war, hatte er den Kontakt mit mir praktisch gänzlich abgebrochen.

Wieder einmal saß ich allein in meiner Wohnung, kein Geräusch durchbrach die Stille, die vorherrschte. In einigen Tagen stand Tim und mein nächstes Treffen bevor. Ich würde zu ihm fahren und bis dahin wollte ich eine Entscheidung getroffen haben. Eine Entscheidung, die vermutlich auch das Ende unserer Beziehung bedeuten könnte. Ich war mir sicher, dass Tim sich trennen würde, wenn er von dem Kuss wüsste. Was ich jedoch nicht wusste, war, ob ich es verkraften würde, wenn Tim sich trennen würde. Fabi hatte vermutlich recht, zwischen uns würde nie mehr sein, als Freundschaft, auch wenn ich etwas für ihn fühlte. Er hingegen hatte mir nie gesagt, ob er auch Gefühle für mich hatte.

Nachdem ich mir noch einige Zeit den Kopf über die momentane Situation zerbrochen und einen Entschluss gefasst hatte, stand ich seufzend auf. Ich wollte spazieren gehen, den Kopf endgültig frei bekommen. Ich zog meine Schuhe ein, griff nach der Jacke, die an der Garderobe hing und verließ die Wohnung.

Ich verließ gerade den Zug, Tim stand am Bahngleis und lächelte mir erleichtert zu. Ich zwang mich, das Lächeln kurz zu erwidern. „Ich freu mich so, dich zu sehen." Murmelte Tim, als er mich in seine Arme gezogen hatte. „Ich freu mich auch." Gab ich schwach zurück, auch wenn meine Antwort nicht gelogen war, fühlte ich mich schlecht, nachdem ich es ausgesprochen hatte. „Komm, lass uns nach Hause fahren, ich will endlich mit dir alleine sein." Bat Tim, griff nach meiner Hand und zog mich eilig hinter sich her.

Langsam stieg ich aus dem Auto aus, schlug die Tür hinter mir zu und folgte Tim zur Haustür seines Elternhauses, die er wenig später aufschloss und mir aufhielt. Ich lächelte ihm dankbar zu, zog meine Schuhe aus und hing meine Jacke an die Garderobe. Mein Freund tat es mir gleich. Ich folgte ihm die Treppe hinauf zu seinem Zimmer. „Ist alles okay? Du bist so ruhig." Wollte Tim besorgt wissen, als wir nebeneinander auf dem Bett lagen. Nun schien der Moment gekommen zu sein, an dem ich ihm die Wahrheit sagen musste. Ich wollte ehrlich zu ihm sein, er hatte es verdient. Er war immer ehrlich zu mir gewesen und er sollte selbst entscheiden können, ob er mir verzeihen könnte oder nicht. „Eigentlich ist nicht alles okay, wenn ich ehrlich bin." Tim setzte sich ruckartig auf und sah mich besorgt an. Es tat unheimlich weh, zu sehen, dass er so besorgt war, weil ich wusste, dass ich ihm im nächsten Moment unfassbar weh tun würde. „Ich muss dir was sagen." Begann ich leise, mein Gegenüber schluckte schwer. „Ich.. Ich hab Fabi geküsst." Flüsterte ich, betete, dass er mich vielleicht nicht hören würde, doch sein Blick verriet, dass er jedes Wort gehört hatte. Sein Gesichtsausdruck wechselte schlagartig von Besorgnis zu Trauer, Enttäuschung, Wut. Er atmete tief durch, schloss die Augen und sagte noch immer nichts. Mit jeder Sekunde, und er er nichts sagte, wuchs meine Nervosität immer weiter. „Sag doch was!" forderte ich, als ich die Stille nicht mehr aushielt. „Wann?" zischte er leise. „Nach der Party, von der ich dir erzählt hab.." – „und dann sagst du mir das jetzt erst? Sagst mir noch, dass du Zeit für dich brauchst, weißt, dass ich mir Sorgen um dich mache?" – „ich wollts dir nicht am Telefon sagen, ich.. Man, Tim, du weißt, dass ich dich liebe!" – „und dann küsst du Fabi? Warum küsst du ihn? Warum lügst du mich die ganze Zeit an? Du hast die ganze Zeit gesagt, dass ihr nur Freunde seid, ich hab dir vertraut!" Tims Stimme wurde immer lauter. „Ich dachte doch auch, dass wir nur Freunde sind, aber.." – „also hast du dich in ihn verliebt?" unterbrach er mich forsch. „Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass.. Irgendwas ist da, ich weiß nicht, was es ist, aber ich liebe dich trotzdem.." Tim murmelte unverständliche Dinge vor sich hin, schüttelte unentwegt den Kopf. „ich versteh dich nicht, Stegi, warum?" – „man, ich hab mich so alleine gefühlt, du warst nicht da, warst immer nur beim Sport oder hast gelernt Fabi und ich haben so viel Zeit miteinander verbracht und dann ist es halt passiert, ich hab mir das doch nicht ausgesucht!" – „ach, jetzt ist es meine Schuld? Weil ich keine Zeit oder kein Geld hab, dich zu besuchen, suchst du dir direkt den nächstbesten? Und ich glaub dir auch noch, wenn du sagst, dass zwischen euch nichts läuft, dass du nur da schläfst, damit du nicht alleine bist, obwohl du dich wahrscheinlich schon die ganze Zeit von ihm ficken lassen hast!" – „Tim, es war nur ein Kuss, mehr nicht!" – „würdest du dir selbst jetzt noch glauben? Aber keine Angst, du kannst dich ficken lassen, von wem du willst, es geht mich nichts mehr an, pack bitte deine Sachen ein, alles, was du noch hier hast, ich schlaf bei nem Freund und wenn ich morgen wieder komm, will ich dich nicht mehr sehen, nie mehr." Mit diesen Worten erhob er sich, war gerade im Begriff den Raum zu verlassen. „Tim, warte bitte!" rief ich, während die Tränen unaufhaltsam über meine Wangen liefen. Ich griff nach seiner Hand, um ihn aufzuhalten, Tim drehte sich ruckartig zu mir um. „Fass mich nicht noch ein mal an, Stegi, du widerst mich an!" zischte er bedrohlich und lief kurz darauf die Treppe hinab.



PoV Tim

Ratlos lief ich durch die Stadt, ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte. Sicherlich hätte ich bei diversen Freunden unterkommen können, doch ich wollte so niemandem unter die Augen treten. Mit Tränen im Gesicht zog ich mein Handy aus der Hosentasche, suchte nach Chrissys Namen in meiner Kontaktliste und rief sie an. Es dauerte ziemlich lange, bis sie das Gespräch annahm: „Tim, was gibt's? Alles in Ordnung?" ertönte ihre Stimme aus dem Hörer. „Hast du Zeit?" fragte ich schwach, ohne auf ihre Fragen einzugehen. „Moment.." Nun herrschte Stille. „So, jetzt hab ich Zeit!" riss sie mich aus meinem Selbstmitleid. „Was ist los?" Wollte sie besorgt wissen. „Ich hab Schluss gemacht." Gab ich kaum hörbar zurück.

Nachdem ich Chrissy alles erzählt hatte, seufzte sie laut. „Und meinst wirklich, dass das schon länger läuft?" – „sicher läuft das schon länger, sonst hätte er nicht ständig da geschlafen und nie Zeit gehabt, wenn ich ihn anrufen wollte, sein ganzer Tagesablauf hat sich doch um Fabi gedreht!" giftete ich zurück. „Entspann dich, ich kann doch nichts dafür." – „ich weiß, tut mir leid." – „wo bist du denn jetzt und wo ist Stegi?" – „ich bin draußen, keine Ahnung, wo Stegi ist, ich hab ihm gesagt, dass er bis morgen weg sein soll und dass ich ihn dann nicht mehr wieder sehen will." Es tat unglaublich weh, diese Worte noch einmal auszusprechen. Es tat weh, zu wissen, dass die gemeinsame Zeit vorbei war, alle Pläne, die wir gemacht hatten, nun geplatzt waren. Ich war unwahrscheinlich enttäuscht von Stegi, nie hätte ich gedacht, dass er es so weit kommen lassen würde. Ich hatte gedacht, dass er mit mir reden würde, wenn er Gefühle für jemand anderen entwickeln würde, sobald es passierte, nicht, wenn es eigentlich schon viel zu spät war. In meinem Kopf tauchten immer mehr Bilder auf. Fabi, wie er Stegi küsste. Stegi, wie er mit Fabi in dem Bett schlief, in dem ich sonst mit Stegi gelegen hatte. Ich schüttelte den Kopf, ich wollte diese Bilder nicht sehen. „Tim, mach keinen Blödsinn, ja? Ich komm morgen zu dir, heute schaff ichs nicht mehr." – „Quatsch, du brauchst nicht herkommen, mir geht's gut." Winkte ich ab, Chrissy schnaubte belustigt. „Dir geht's gut? Für wie blöd hältst du mich? Du hast gerade mit Stegi Schluss gemacht, dir geht's nicht gut, ich weiß, dass du gerade weinst, Tim." – „du brauchst nicht herkommen, ehrlich." – „ich weiß, dass ich das nicht brauche, ich will aber, ich hab gesagt, dass ich für dich da bin und das bin ich auch. Ich melde mich nachher noch mal bei dir, ja. Wenn was ist, ruf an und mach bitte keinen Scheiß, versprichs mir." – „ja, versprochen." Kurz darauf war das Gespräch beendet, ich saß allein auf einer Parkbank, wusste nicht, wohin mit mir, konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen, wischte mir die Tränen von den Wangen. Mein Handy vibrierte unaufhörlich, ein Blick auf das Display verriet, dass es Stegi war, er rief ständig an, schrieb mir Nachrichten, dass ich zurück kommen sollte, dass er mit mir reden wollte, doch ich antwortete auf keine der Nachrichten, nahm keinen der Anrufe an. Bis vor einigen Stunden war ich überzeugt gewesen, dass Stegi und ich das alles hinbekommen würden, dass wir irgendwann zusammen wohnen würden und nun hatte ich mich von ihm getrennt. Die Situation, vor der ich am meisten Angst hatte, war schließlich doch eingetreten.






Kapitel ist nicht Beta gelesen
& please don't hate me.

Was machst du nur mit mir PART 2 | Stexpert FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt