Lina:
„Katja hatte einen Unfall!" Augenblicklich bekam ich einen riesigen Kloß im Hals, welcher mir das Atmen erschwerte. „Was..", versuchte ich einen Satz zu bilden, scheiterte aber. „Ich weiß nicht genau, was passiert ist. Der Arzt meinte, sie hätte einen Unfall gehabt und es sähe nicht sehr gut aus. Mehr wollte er mir aber nicht sagen, ehe wir nicht im Krankenhaus sind.", erklärte mein Vater mir, während ich ihm direkt in seine glasigen Augen blickte. „Können wir das Thema jetzt beenden?", zischte er mich an und ich merkte, dass es ihm echt schwer viel darüber zu sprechen, also ließ ich es bleiben. In Gedanken war ich nur bei meiner Tante.
*Flashback
„Alles gute zum Geburtstag!", sang Katja mit ihrer lieblichen Stimme, als sie mit einem Kuchen in den Armen in mein Zimmer kam. Müde rieb ich mir über die Augen, setzte mich auf und lächelte meiner Tante zu. Wieder einmal hatte ich eine nahezu schlaflose Nacht erlebt und konnte mich kaum aufrecht halten vor Müdigkeit. „Komm! Blas' die Kerze!", forderte Katja mich auf und erst jetzt viel mir die leuchtende 14 oben auf dem Kuchen auf. Zum dritten Mal würde ich einen Geburtstag ohne meine Mutter erleben, was mich immer noch traurig stimmte. Wie gerne hätte ich sie in diesem Moment hier bei mir gehabt. Nachdem ich die Beleuchtung ausgepustet hatte, ging Katja samt ihres Kunstwerkes wieder in die Küche, um das Frühstück herzurichten. Ich zog mich schnell um und folgte ihr dann. Als ich in besagtem Raum ankam, fand ich einen wunderschön gedeckten Tisch mit diversen Leckereien vor. „Das war doch nicht nötig gewesen!", meinte ich überwältigt. „Man wird doch nicht jeden Tag 14, oder?", war Katjas kurze Antwort und irgendwie konnte ich es verstehen. Sie wollte mir nur einen schönen Tag machen, da sie genau wusste, wie schlecht es mir immer noch ging, auch wenn ich versuchte es zu verbergen. „Und jetzt setz' dich!", befahl sie mir mit einem Lächeln. Wieder fiel mir die Ähnlichkeit zu meiner Mutter auf. Dieselben strahlend blauen Augen, dasselbe weiße Lächeln, dieselben blonden Haare. Obwohl das bei Zwillingen so normal war, war es immer wieder verblüffend, machte aber das Vergessen des schlimmen Tages um einiges schwerer. Ich tat, wie mir gesagt und setzte mich auf den freien Platz am Tisch. Katja kam mit einer Kanne und füllte mir Tee ein, wessen Duft sofort den ganzen Ort einnahm und sie ließ sich dann mir gegenüber nieder. In aller Ruhe der Welt aßen wir gemeinsam, redeten aber nicht viel mit einander, was so normal war. Als sie fertig war, musterte sie mich von oben bis unten, während ich noch auf den letzten Bissen kaute. Sie tat das oft und ich war mir nicht sicher, ob sie das überhaupt noch mitbekam oder das schon automatisch passierte. Plötzlich sprang sie auf und eilte aus dem Zimmer. Als sie nach ein paar Sekunden wiederkam, hatte sie ein großes Buch in der Hand, welches schwarz eingebunden war und auf dessen Frontseite in Goldener Schrift etwas geschrieben stand, was ich aber zunächst nicht entziffern konnte. Dann reichte sie mir das Buch und ich konnte die Buchstaben entziffern. „An meine Tochter!", stand in großen Zeichen darauf geschrieben, doch ich wusste zuerst nicht, was das bedeutete. Verwirrt schaute ich meine Tante an, welche augenblicklich zu erklären begann „Es ist von deiner Mutter. Sie hat Tagebuch geführt in den letzten Monaten ihres Lebens und gemeint, ich solle es dir geben, wenn du alt genug bist. In den letzten Monaten bist du reifer geworden, gezwungenermaßen auch erwachsener. Ich denke, diese Zeit ist jetzt gekommen!" Doch immer noch konnte ich das Ganze nicht verstehen. Wieso wollte meine Mutter, dass Katja es mir gibt und nicht sie selbst? Sie konnte doch nicht geahnt haben, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte, oder doch? „Ließ einfach das Buch! Es wird dir viele Fragen beantworten, aber denk dabei immer an eine Sache: Deine Mutter hat dich geliebt und wollte dir alles erzählen, doch sie wusste einfach nicht wie. Du warst noch zu jung, um es zu verstehen. Also sei bitte nicht sauer!" Ich merkte ihre Nervosität, welche sich auf mich übertrug. Immer noch voller unbeantworteter Fragen ging ich, mit samt dem Buch, in mein Zimmer und begann darin zu lesen. Seite für Seite wurde von mir verschlungen und zum ersten Mal in meinem Leben bekam ich einen genauen Einblick in das Leben meiner Mutter. Es begann ungefähr 9 Monate vor ihrem Tod mit der Diagnose und ging bis in die letzten Tage ihres Lebens. Stunden verflogen und die Tränen flossen immer heftiger. Was hatte sie alles durchmachen müssen, um es vor mir geheim zu halten und was hatte sie alles getan, um mir ein schönes Leben zu ermöglichen. Sie hatte alles notiert in diesem dicken Buch, jeden einzelnen Tag hatte sie etwas aufgeschrieben. Ich merkte, wie ihre Schrift von Zeit zu Zeit schwacher und unlesbarer wurde, wie sie sich immer mehr anstrengen musste, um den Alltag bewältigen zu können. Ich merkte gar nicht, wie die Zeit verfloss, erst, als ich an einem bestimmten Tag ankam, wurde mir der Zeitsprung bewusst. Es war der Tag vor ihrem Tod. Das letzte, was in ihrem Tagebuch stand, schrieb sie nur Stunden bevor sie starb. Das war zu viel für mich. Ich konnte nicht mehr. Ich legte das Buch weg.
*Flashback
„Lina, aussteigen, wir sind da!", riss mein Vater mich aus meinen Gedanken. Ich wischte mir schnell die Träne weg, schnallte mich ab und hüpfte dann aus dem Wagen. Wir eilten hinein und waren nach etwa 20 Minuten vor den noch geschlossenen Türen.
Unser Flieger würde erst in ungefähr einer dreiviertel Stunde gehen, weshalb ich mich in den Wartebereich setzten. Wir sprachen kein Wort miteinander. Diese Ruhe machte mich sehr nervös weshalb ich aufstand, um ein paar Schritte zu gehen. Ich kam an eine große Fensterscheibe, durch welche man die Start- und Landebahn beobachten konnte und starrte in Gedanken raus. Meinen 18. Geburtstag hatte ich mir anders vorgestellt. Es war zu viel passiert hier in Hawaii und vor allem heute. Ich hatte meine Lieblingsband getroffen, ein paar Stunden mit ihnen verbracht und sie dann ohne Informationen stehen lassen. Und das schlimmste war, dass ich mich immer daran erinnern würde, aber die Jungs es wahrscheinlich schon vergessen hatten. Ich war nur eines von vielen Mädchen, die sie im Laufe ihres Lebens kennen lernen würden und die Band bedeuteten mir so viel mehr. Schlagartig bekam ich ein schlechtes Gewissen, weil ich an so etwas denken konnte, obwohl meine Tante im Krankenhaus lag und ich nicht wusste, ob sie es überleben würde, oder nicht. Ich wollte sie nicht auch noch verlieren! Sie war doch die Person, die mir nach dem ersten Schicksalsschlag geholfen hatte und für mich da war. Wenn sie weg wäre, hätte ich niemanden mehr. Je mehr ich darüber nachdachte, desto trauriger wurde ich und desto schwerer fiel es mir, die Tränen zurückzuhalten. Ich wollte unbedingt stark sein, für mich, für meinen Vater und vor allem für Katja, doch viel länger würde ich es nicht mehr durchhalten. Zu sehr wollte ich einfach nur weinen und mich irgendwo hinein kuscheln und alles vergessen. Nur für ein paar wenige Sekunden ein normaler Teenager sein, mit normalen Problemen und normalen Eltern. Aber dieses Glück schien mir nicht vergönnt zu sein. Eigentlich sollte ich mich auch nicht beschweren, denn viele Menschen wünschen sich so ein Leben voller Abenteuer und dem ständigen Kennenlernen neuer Kulturen, aber manchmal war das nicht so schön, wie es sich Außenstehende vorstellen. Gerade als ich wieder zurückgehen wollte, spürte ich, wie mir eine Hand auf meine Schulter gelegt wurde und ich hörte ein leises „Hey!" Als ich mich umdrehte, konnte ich nicht fassen, was ich sah. Was will er denn hier? Total überrumpelt blickte ich in zwei glasklare blaue Augen und stammelte etwas überwältigt ein „Hey!"
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Tag -2301 (5SOS Fan Fiction)
ФанфикLina ist zum Zeitpunkt 'Tag 0' 17 Jahre alt. Nach einem schrecklichen Schicksalsschlag vor ungefähr sechs Jahren, hatte ihr Vater beschlossen sie mit auf Geschäftsreisen zu nehmen, um mehr Zeit mit ihr verbringen zu können. Da er jedoch immer am Arb...