~4~ Der Traum (Tag -13)

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Lina:

Ich lag auf einer Wiese und starrte gen Himmel. Ich spürte das Gras unter meinem Körper. Es war nichts sehr hoch, sorgte jedoch dafür, dass ich nicht sehen konnte, was um mich herum passierte. Ich hörte das leise zwitschern der Vögel und ab und zu sah ich, wie einer über meinem Kopf vorbeiflog. Die Sonne schien grell und ließ die Umgebung warm und sommerlich wirken. Der Wind verlieh der Szene eine kühle Note und sorgte dafür, dass ich nicht überhitzte. Ich setzte mich langsam auf und rieb mir über die Augen. Dann sah ich mich um. Ich lag in Mitten eines riesigen Blumenfeldes und konnte weit und breit kein Haus sehen. Plötzlich bewegte sich etwas neben mir. Ich sah zwei Hände, welche sich in die Luft streckten und dann einen Kopf der nachdenklich durch die Gegend blickte. Dann drehte die blonde Frau ihren Kopf zu mir und schaute mir in die Augen. „Wie lange habe ich geschlafen?", fragte sie mich neugierig, doch ich konnte ihr nicht antworten. Ich war zu überwältigt. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah. Kurzerhand rieb ich mir erneut mit dem Handrücken über die Augenlider und öffnete sie wieder. Aber meine Mutter saß immer noch genau da, wo sie vor drei Sekunden auch noch saß. „Mum?" Meine Stimme zitterte und ich war mir nicht sicher, ob sie mich verstanden hatte. „Wer denn sonst?", antwortete sie mir verwirrt. Jetzt viel ich ihr um den Hals. Ich fragte mich, ob ich das alles nur geträumt hatte und ob meine Mutter gar nicht Tod war. Sie rieb mir über den Rücken und ein paar meiner Tränen fielen auf ihren Nacken. Sie kullerten ihre Wirbelsäule entlang und endeten an ihrem Hemd. „Ich habe dich so vermisst!", weinte ich. „Wieso? Wo war ich denn?", lachte sie leicht überfordert. „Ach egal. Jetzt ist ja alles gut." Ich grinste übers ganze Gesicht und konnte mein Glück kaum begreifen. Ich hatte meine Mutter wieder bekommen. „Wollen wir gehen?" Ich nickte und nahm ihre Hand. Ihre Nähe tat mir so gut. Wir liefen über das Feld in eine Richtung, die ich nicht einordnen konnte, doch das war mir egal. Solange meine Mutter bei mir war, würden wir uns nie verlaufen.

Auf einmal zogen Wolken auf. Es fing an zu Blitzen und zu Donnern. Na Super! Das hatte uns gerade noch gefehlt. Und als wäre es nicht schon genug, fing es auch noch an zu regnen. Wir hatten keine Jacken, geschweige denn Regenschirme dabei, weshalb die Tropfen einfach auf uns fielen. Bei genauerem betrachten fiel mir auf, dass die Flüssigkeit nicht normal war. Sie hatte einen rötlichen Braunton. Ich öffnete meinen Mund um zu schmecken, um was es sich handelte. Der Regen hatte einen Geschmack, welcher verdächtig an Eisen erinnerte. Blut! Es regnete Blut! Ich sah, dass meine Mutter genau so geschockt war, wie ich selbst. Ich war gerade dabei zu schauen, ob der Regen irgendwo in der Gegend endete, als ich merkte wie meine Mum zusammensackte. Ich kniete mich auf den Boden und nahm ihren Kopf in die Hand. Sie hatte eine große Wunde an der Stirn, ihre Augen waren geöffnet und glasig und ihre Lippen waren geschlossen aufeinander gepresst. Es war genau wie damals vor 6 Jahren. Ich weinte bitterlich und wieder fielen meine Tränen auf ihren leblosen Körper. Ich hatte sie ein zweites Mal verloren. Ich hatte sie wieder bekommen und ein weiteres Mal verloren. Wie konnte das sein? Lina! Lina! Wach auf!

Ich schreckte hoch und sah in die besorgten Augen meines Vaters, welcher seine Hände auf meine Schultern gelegt hatte. „Es war nur ein Traum. Alles ist gut!", versuchte er mich zu beruhigen. Ich fiel ihm um den Hals und hielt ihn ganz eng bei mir. So nah waren wir uns schon ewig nicht mehr gewesen. Nach ein paar Sekunden ließ ich von ihm ab und wischte mir die Tränen weg, welche noch auf meinen Wangen lagen. „Was hast du denn so schlimmes geträumt?", fragte er besorgt. „Ach, nichts besonderes.", log ich. „Wieso bist du schon da?", fragte ich und schaute zur Uhr. Es war 19:30 Uhr. „Ich musste noch meine Taschen packen. Und das solltest du auch machen!", erklärte er ruhig, während er sich aufrichtete und seinen Anzug glatt strich. „Packen? Wieso?" „Naja, also wir fahren morgen früh. Ich habe einen neuen Auftrag bekommen und sie wollten mich so schnell wie möglich drüben haben." Er lächelte,vermutlich um mich zu beschwichtigen, denn er wusste wie sehr ich es hasste, alle 4 Wochen wo anders hinzuziehen. „Und? Wo geht es diesmal hin?", gab ich genervt zurück. Er grinste mich an. „Oh! Das wird eine Überraschung, aber es wird dir sicher gefallen!" Mit diesen Worte ging er aus dem Zimmer und rief mir noch ein „Pack' schon mal deine Sachen, wir müssen morgen um 3 Uhr los" zu. Dann war er verschwunden. Widerwillig stand ich auf, streckte mich einmal und ging in mein Zimmer. An der einen Wand stand ein großes Wasserbett, bezogen mit weißen Laken und dekoriert mit bestimmt einem Dutzend weicher Kissen. Das würde ich wohl am meisten vermissen. Ich zog meine zwei Koffer unter dem Bett hervor und begann zu packen. Ein Kleidungsstück nach dem anderen landeten darin und am Schluss waren beide Gepäckstücke bis zum Rand gefüllt mit Klamotten, Schmuck und ihren Notizheften. Und davon hatte ich eine ganze Menge. Immer wieder schrieb ich Gedichte darin auf und manche waren gar nicht schlecht. Ich sah mich im Raum um und bemerkte, dass ich nicht wirklich andere Besitztümer hatte, als Klamotten und Schmuck. Irgendwie war das schon traurig, dass ich nichts hatte, was mir besonders am Herzen lag, außer ein paar kleiner Blöcke in denen ich amateurhafte Lyrik verfasste. Aber so war wohl das Leben derjenigen Menschen, welche ständig Standorte wechselten und zwar so oft, dass sie sich nicht mal eine eigene Wohnung mieten oder kaufen konnten. Ich atmete einmal tief durch und schob die Koffer vor mir aus dem Zimmer heraus. Ich stellte sie neben das Sofa und betrachtete nachdenklich meine Umgebung. Dieses Appartement war eines derjenigen, welche mir am besten gefallen hatte, was wahrscheinlich an der Einrichtung, jedoch auch an der unglaublichen Aussicht auf Peking durch die überdimensional großen Fenster lag. In der Nacht war es genauso hell wie Tagsüber, was von der Beleuchtungen der Nachtclubs kam. Ich war zwar nicht sonderlich traurig, dieses Haus zu verlassen, da es ja nicht wirklich ein zu Hause für mich war, jedoch hätte ich mir schon auch mal einen Ort gewünscht, an welchem ich mehrere Monate oder sogar Jahre leben konnte. Aber ich hatte meine Entscheidung vor 3 Jahren gefällt. Ich wollte meinen Vater besser kennen lernen und auch, wenn dieser Wunsch bis jetzt noch nicht in Erfüllung gegangen war, hatte ich die Hoffnung noch nicht ganz verloren, auch wenn sie über die Jahre immer kleiner geworden war und kaum noch zu spüren war.

Tag -2301 (5SOS Fan Fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt