~17~ Neuanfang (Tag 8)

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Lina:

Zum zweiten Mal an diesem Tag (naja, eigentlich waren es zwei Tage, doch ich hatte seit meiner Ankunft hier kein Auge zugetan, also zählte es als einer) stand ich in der ungewöhnlich großen Menschenmenge am Münchner Flughafen. Das Einzige, was sich zum vorhergehenden Mal unterschied, war, dass ich alleine war und es aus einem, für mich, glücklichen Anlass war. Es war aufregend, nicht zu wissen, wo es hingeht und wie es weitergeht, und auch, dass ich alles selber entscheiden zu dürfen. Bis jetzt war es von mir vollkommen unabhängig, denn die Reisen gingen immer dahin, wo mein Erzeuger, beziehungsweise seine Arbeit, uns haben wollte. Doch diesmal durfte ich sagen, wo es hin geht. Ich stand also vor der großen Tafel und sah mir die Flugziele alle nach einander an. Es waren jedoch so viele, dass ich nicht wirklich durchblickte, wie, wo und wann die Flüge gingen. Nach ein paar Minuten gab ich es auf und ging einfach auf einen Schalter zu, an welchem eine junge Dame stand und gerade einem Mann ein Flugticket verkaufte. Als dieser den Schalter verließ ging ich auf die Frau zu. „Hallo, wie kann ich Ihnen helfen?", sagte sie und legte ein Lächeln auf. Ihr schien der Job ja wirklich Spaß zu machen. „Ja, also ich würde gerne wohin fliegen!", erklärte ich ihr und sie schaute mich nur lachend an. „Und wo genau wollen Sie hin?", fragte sie mich dann. „Das ist es ja genau. Ich weiß es nicht! Am besten einfach Weg von hier." Die Dame schaute mich nur total überrascht an und meinte dann in einem sarkastischen Unterton „Wir können ja den Zufall entscheiden lassen!" Es war wohl als Witz gemeint, doch ich fand diese Idee eigentlich ziemlich gut. „Einverstanden!" Jetzt verschwand das Lächeln auf ihren Lippen. Sie schaute mich entsetzt an und klärte mich dann über ihren Scherz auf. „Ich weiß schon, dass Sie das nicht ernst gemeint hatten, doch ich finde die Idee sehr gut und auch interessant. Wissen Sie, ich brauche eine Veränderung und ich glaube, dass mir Spontanität dabei weiter hilft!" „Na gut, ist ja nicht meine Entscheidung! In welchem Preisbereich bewegen wir uns denn?", fragte sie ernst, ich glaubte sie hielt mich für verrückt, und vielleicht war ich das sogar, aber die ganze Sache mit meiner Tante hatte mir echt den Rest gegeben und ich wusste nicht, ob es Verzweiflung oder wirklich der Drang nach Veränderung war, doch ich wollte es genau so machen. Den Zufall entscheiden lassen. „1500€!", meinte ich und die Frau schaute mich prüfend an. Ich konnte es verstehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein 18 jähriges Mädchen 1500 € um halb 7 Uhr in der früh dabei hatte war sehr gering, doch dann tippte sie etwas in ihren Computer ein. „Economy oder Business Class?", fragte sie mich und ich entschied mich für Economy. „1 Person, oder fliegt noch jemand mit Ihnen?", war die Nächste Frage und ich antwortete einfach „Nur ich!" Dann wollte sie meinen Ausweis sehen und jetzt kam zum ersten Mal mein Vorteil, volljährig zu sein ins Spiel. Die Angestellte überprüfte ihn kurz auf seine Gültigkeit und gab ihn mir dann zurück. „Und wie stellen wir das an?", fragte sie, nachdem sie anscheinend alles Wichtige erledigt hatte und schaute mir in die Augen. „Ich dachte, Sie könnten vielleicht durch die Angebote scrollen und ich sage irgendwann 'Stopp'. Der Flug, auf welchem die Maus dabei steht, den buche ich!", erklärte ich ihr und sie nickte zustimmend. „Bereit?", fragte sie und ich antwortete „Bereit!" Dann fing sie an an dem Rädchen der Computer Maus zu drehen und ich schloss meine Augen. Nach ein paar Sekunden stoppte ich sie und als die Servicekraft sah, wo sie stehen geblieben war, wiegte sie ihren Kopf immer wieder von einer zur anderen Seite. Ich wusste leider nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, also fragte ich neugierig nach „Und? Wo geht es hin?" Sie schaute mich kurz an, sodass ich das aufgeregte Funkeln in ihren Augen sehen konnte und meinte dann „Wollen Sie sich nicht überraschen lassen?" Ihre Hemmungen waren wohl weg und ich fand es gut, dass sie das Spielchen mitspielte. „Okay!", gab ich zurück. „Das macht dann 1324,42€!" Der Preis überraschte mich nicht wirklich, denn ich hatte schon mit einer Zahl in dieser Größenordnung gerechnet. Außerdem gab es mir den ersten Hinweis, denn ich wusste anhand des Preises, dass der Flug nicht im Bereich Europas stattfand. Dafür war es zu teuer. Ich gab ihr den Reisepass, die Frau verstand sofort und legte die Karte so hinein, dass ich nicht sehen konnte, wohin es ging. Dann setzte sie wieder ihr Lächeln auf und verabschiedete mich, die wohl außergewöhnlichste Kundin, die sie je gehabt hatte, mit denselben Worten mit denen sie wohl jeden verabschiedete „Ich wünsche Ihnen einen guten Tag und eine angenehmen Reise." Doch sie hängte noch etwas dran, was bestimmt nicht in ihrem Manuskript stand „Ich hoffe Sie bekommen die Art Veränderung, die Sie wollten. Viel Spaß!" Ich lächelte sie an und sagte „Danke, dass sie mitgespielt haben. Das weiß ich sehr zu schätzen." Dann drehte ich mich um und ging den normalen Weg, bis ich endlich vor den schon geöffneten Türen meines Fliegers ankam und einstieg. Ich wurde von einer Stewardess in blauer Uniform zu meinem Platz geführt und in dem Moment, in dem ich mich hinsetzte wurde mir erst klar, wie müde ich nach diesen anstrengenden Tagen war. Seit gut 48 Stunden hatte ich nicht mehr geschlafen und das machte sich jetzt bemerkbar. Wow, in diesem 48 Stunden war echt sehr viel passiert. Sie waren wohl die aufregendsten 48 Stunden meines bisherigen Lebens. Erst hatte ich ein paar Stunden meines 18. Geburtstages mit meiner Lieblingsband verbracht, eine Bootstour gemacht, beinahe eine Party gefeiert, sie wegen des Anrufs meines Erzeugers stehen lassen müssen, einen schlaflosen 18 Stunden Flug von Hawaii nach München und eine längere Fahrt in einem Taxi überstanden, war ohnmächtig bei dem Anblick meiner komatösen Tante geworden, musste mich von ihr für immer verabschieden, Peter bei dem Unterzeichen des Papierkrams beistehen, war in demselben Taxi zu Katjas Wohnung gefahren, hatte dann erfahren, dass mein Erzeuger und ich bald wieder zurück fahren würden, war von „zu Hause" weggelaufen, hatte per Zufall einen Flug in ein immer noch unbekanntes Land gebucht und lag jetzt hier in dem unbequemen Sessel und ließ den ganzen Tag Revue passieren. Das war schon echt viel für ein 18 jähriges Mädchen, das noch nie zuvor selbst für sich handeln musste. Ich zwang mich noch etwas wach zu bleiben, spätestens, bis ich wusste, wo ich überhaupt hinflog, was leichter gesagt war, als getan. Meine Augenlider kamen mir mit jedem Atmenzug noch schwerer vor, als zuvor und es kostete mich Unmengen an Kraft, sie vom herunterklappen aufzuhalten. Die Minuten vergingen wie Stunden und meine Müdigkeit wurde immer größer. Meine Erleichterung, als der Pilot endlich anfing zu reden, war riesig. Ich hörte nicht wirklich zu, was er sagte, das hatte ich alles schon oft genug gehört, sondern achtete nur darauf, ob er das Ziel erwähnte. Dann endlich, nach weiteren gefühlten Stunden beendete er endlich seine Rede „Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Flug nach Los Angeles!" Meine Augen fiel zu und ich versank in den tiefsten Schlaf, den ich seit Jahren gehabt hatte.

Tag -2301 (5SOS Fan Fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt