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Diegos Sicht

Die nächsten Wochen wird am Programm für den Wettbewerb gefeilt. Neue Songs werden geschrieben, alte werden neu arrangiert. Mir wurde die Aufgabe zuteil, das Duett zu komponieren. Mir fällt nichts ein, absolut nichts. Ich soll ihn auf spanisch schreiben, da unser komplettes Programm spanische Songs beinhaltet und wir sonst zu sehr hervorstechen mit dem Duett und der Rest unseres Programms in den Hintergrund rutscht. Ich hab eine richtige Schreibblockade. Sowas ist mir in meinem ganzem Leben noch nicht passiert. Eigentlich habe ich immer sofort Ideen und bekomme manchmal einen Song in unter drei Tagen fertig. Und jetzt? Tja, jetzt sitze ich seit sechs Wochen vor einem leeren Blatt Papier.
'Und? Hast du schon eine Idee?' fragt mich meine Freundin und bringt mir meinen Saft. Meine freien Tage, also wenn ich selbst nicht arbeite verbringe ich eigentlich immer im Resto.
'Mein Kopf ist genauso leer wie das Blatt' seufze ich und trinke einen Schluck Saft.
'Vielleicht solltest du es mal ein paar Tage ruhen lassen. Auf Krampf funktioniert sowas eh nicht'
'Pablo will den Song aber bis Freitag'
'Und jetzt ist Samstag. Du hast noch knapp eine Woche. Du bist ein Genie, du findest schon was' spricht sie mir Mut zu und kümmert sich um die restlichen Gäste. Francesca hat recht, ich kann es nicht erzwingen. Ich packe meine Sachen in meinen Rucksack mit dem ich hinter die Theke gehe. Dort stelle ich ihn ab und Luca sieht mich verwirrt an.
'Du kannst Feierabend machen, ich übernehme für dich' sage ich und greife nach meiner Schürze.
'Aber du hast doch heute frei'
'Ich habe sowieso nichts besseres zu tun. Na los, Francesca und ich schmeißen den Laden auch allein'
'Dann vielen Dank, Mitarbeiter des Monats' bedankt er sich und ich höre eine protestierende Francesca.
'Ich arbeite hier seit ich klein bin, noch nie hat er was von Mitarbeiter des Monats gesagt' 
'Aber jetzt bin ich hier. Du stehst ja sowieso nur nörgelnd rum' provoziere ich sie lachend.
'Ich weiß wer heute nach Hause laufen darf' stänkert sie zurück und streckt mir die Zunge raus. Unsere kleiner Schlagabtausch wird durch ein paar Gäste die bestellen wollen beendet.

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'Endlich geschafft' sagt Francesca erleichtert als der letzte Stuhl oben steht.
'Das haben wir doch wieder super gemeistert, findest du nicht?'
'Einschleimen bringt nichts mein Lieber'
'Bist du dir ganz sicher?' frage ich und umklammere sie mit meinen Armen.
'Ja, absolut' bleibt sie bei ihrer Meinung.
'Und jetzt?' frage ich und küsse ihre empfindliche Stelle unter ihrem rechten Ohr.
'Okok, ich fahr dich, aber bitte hör auf' gibt sie schneller als gedacht nach. Francesca holt ihre Autoschlüssel und ich meinen Rucksack. Wir legen die Schürzen ab und Francesca fährt mich zu mir. Sie parkt am Straßenrand und wir werden Zeuge wie Leon sich mit Tomas vor der Haustür unterhält. Die beiden haben uns noch nicht bemerkt.
'Weißt du was da vor sich geht?' frage ich meine Freundin, die nur verwundert mit dem Kopf schüttelt. Tomas bekommen wir eigentlich nie zu Gesicht und ich glaube auch das Leon ihm schon mitgeteilt hat, das er absolut chancenlos ist. Tomas sieht ziemlich angespannt aus, wohingegen Leon schon fast ängstlich wirkt. Plötzlich holt Tomas aus und schlägt Leon zu Boden. So schnell ich kann sprinte ich aus dem Wagen um meinem Stiefbruder zu helfen. Ich stürze mich auf Tomas und schlage ein paar Mal auf ihn ein. Dann greife ich nach seinem Kragen an der Jacke und ziehe ihn nach oben.
'Verpiss dich und lass dich hier nicht mehr blicken' knurre ich und schubse ihn von unserem Grundstück. Francesca ist schon bei Leon und gibt ihm ein Taschentuch um seine blutende Lippe abzuputzen.
'Alles okay?' frage ich etwas außer Atem und halte ihm meine Hand hin, nach der er greift um sich hochzuziehen.
'Dankeschön, alles gut' versichert er uns und schließt die Haustür auf. Ich schenke ihm einen kurzen Blick und er schließt die Tür hinter sich.
'Das war wirklich heldenhaft von dir' macht meine Freundin mir ein Kompliment.
'Was hätte ich tun sollen? Im Auto warten bis er bewusstlos geprügelt wird? Glaub mir, auch wenn ich nicht sein Kumpel bin, gehört er zu meiner Familie und die ist heilig'
'Jetzt mal ehrlich, du bist perfekt. Es gibt nichts was du nicht kannst. Egal wie scheiße derjenige zu dir ist, du tust alles um ihm zu helfen'
Leon war auch die letzten Wochen ein Arsch zu mir. Vermutlich lag es auch an der Beziehungskrise mit Natalia, die noch immer nicht ganz überwunden ist. Natalia hat mir ja auch immer alles erzählt, von daher habe ich sogar ein bisschen Verständnis für ihn, dass er nicht gut auf mich zu sprechen ist. Ich würde es meinem Lockenkopf wünschen das die beiden sich wieder richtig zusammenraufen, aber manchmal ist sowas eben schwierig. 
'Ich bin nicht perfekt, aber schön das du das so siehst'
'Doch bist du und jetzt Ruhe' beendet sie unsere Konversation, indem sie ihre Lippen auf meine legt. Minuten vergehen und unsere Lippen rühren sich fast gar nicht. Es ist einer dieser Momente wo die Zeit still steht. Ein Moment der perfekt ist und nur uns gehört.
'Ich sollte langsam mal los, Luca ruft sonst noch die Polizei' sagt sie schlussendlich.
'Ich hab noch meinen Rucksack im Auto' weise ich sie drauf hin und begleite sie zum Auto. Ich hole meinen Rucksack und nachdem sie eingestiegen ist schließe ich ihre Tür und sie lässt das Fenster runter.
'Fahr vorsichtig und schreib mir wenn du angekommen bist okay?'
'Mach ich und du denk an meine Worte von heute Mittag. Lass den Song ein paar Tage ruhen und entspann dich'
'Wird gemacht. Ciao' verabschiede ich mich und küsse sie zum Abschluss ehe sie wegfährt. Mit dem Rucksack auf dem Rücken betrete ich das Haus. Im Flur streife ich meine Schuhe ab und dann begebe ich mich sofort in mein Zimmer. Auf meinem Schreibtischstuhl sitzt Leon, mit Kühlpad an der Lippe...

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