Marco war während des Gesprächs aus dem Zimmer gegangen. Als ich aber die Tür aufmachte, stand er direkt vor der Tür, als hätte er gelauscht. „Du spielst? Was denn?" Und da war der Beweis, dass er gelauscht hatte. „Also, ich spiele das Spiel: Wie man jemand am besten bei einem persönlichen Gespräch belauscht, ohne dass sie es merkt." „Tschuldigung, aber ich war neugierig. Also, was spielst du?" „Kein Problem. Ich spiel seit ein paar Jahren Fußball. Unsere Eltern wissen nix davon, natürlich." „Cool, wo spielst du am liebsten?" „Ich bin am liebsten Stürmerin." „Klar, Tore schießen." Er schweigt kurz. „Tust du mir einen Gefallen?" „Du nimmst mich, fast, ohne zu zögern bei dir auf und willst nichts von mir. Klar tu ich dir einen Gefallen, was denn?" „Nenn sie nicht mehr Eltern. Tu ich auch nicht mehr. Ich sage immer, dass ich keine Eltern habe." „Okay, aber wie soll ich sie dann nennen?" „Also, am besten rede gar nicht von ihnen. Nein, Scherz, ich weiß schließlich, dass man alles loswerden will. Nenn sie Günther und Marie. So tu ich es auch." „Okay." Ich nickte. Dann fuhr er fröhlich vor:„Komm, Mario hat bestimmt schon Frühstück gemacht. Und bei besonderen Frühstücks gibt er sich immer besonders Mühe." Er zwinkerte mir zu. „Was ist heute den besonders?" „Das ist dein erstes Frühstück mit uns, hast du das etwa vergessen? Oder kommt es dir schon vor als würdest du dein ganzes Leben hier wohnen? Vielleicht bist du ja jetzt schon zu verwöhnt und wir sollten dich ins Heim geben..." Er schien wirklich ernsthaft zu überlegen. „Hey, wehe!" „Würde ich nie machen." In seinen Augen merkte ich, dass er es ernst meinte. Ich hatte ein Zuhause gefunden. Ein richtiges. Ich war so froh darüber. Vielleicht klingt das seltsam, aber ich kann es nicht anders beschreiben als so.
Das Frühstück war richtig lecker, aber ich war es nicht gewohnt, soviel zu essen zu haben, weshalb ich nicht sehr viel aß. „Schmeckt es dir nicht? Soll ich dir was anderes machen?" Mario schaute mich an.„Ne, das schmeckt super, ich habe nur nicht so großen Hunger, tut mir leid." „Kein Problem." Er schaute mich von der Seite an, aber er wechselte das Thema:„Marco, soll ich dich heute beim Training entschuldigen?" „Ja, wär gut wenn du das machst, sonst bekomm ich noch Ärger." „Warum kannst du nicht zum Training?" „Na, ich muss mit dir zum Jugendamt und du brauchst neue Klamotten, oder etwa nicht?" „Ich hab doch gesagt, dass ich keine neue Kleidung brauche." Er hatte mir schon soviel geholfen und meine alten Sachen waren noch relativ gut. „Du ziehst das nicht mehr an, sonst denke ich an du weißt schon wen..." „An unsere nicht vorhandenen Eltern?" Mario grinste bei meiner Aussage. „Okay, weißt du, wenn du schon fertig bist, kannst du duschen gehen, ich bring dir Klamotten, okay?" Marco wartete nicht auf meine Antwort, sondern nahm einfach meinen Teller. „Aber dann habe ich ja gar keine Klamotten um sie jetzt anzuziehen!" „Das lass mal mein Problem sein",sagte er und ich ging in das Gästezimmer, weil dort auch ein Gästebadezimmer war. Ich duschte solange wie noch nie. Immer wenn ich zwei Minuten in der Dusche war, rief Mama, dass ich mich beeilen sollte. Und das hieß, dass ich sofort rauskommen sollte.
Als ich in das Gästezimmer ging, lag ein altes Trikot von Marco und meine alte Hose auf dem Bett. „Hab keine lange Hose auf die schnelle gefunden, tut mir leid." Mario trat durch die Tür. „Danke." Ich schaute auf das Trikot. „Nichts zu danken." Ich wollte widersprechen, aber dann ließ ich es. Er wollte keine Widersprüche hören. Das Trikot war ein bisschen zu groß, war höchstwahrscheinlich aus seiner ersten zeit beim BVB. Also als er 14 oder so war. „Ich hab auch ne Jacke, die hält vielleicht nicht vollkommen warm, aber wir fahren ja eh mit Auto. Aber ich geh davor erstmal duschen, okay? Konnte ich ja gestern nach dem Training aus bekannten Gründen nicht tun." Er sah mich gespielt böse an. „Mario ist beim Training, also bist du sozusagen allein. Aber es sollte niemand klingeln und wenn doch, kannst du einfach durch den Spion schauen. Aber komm erst hoch, vielleicht bin ich ja schon fertig. Okay?" „Alles klar. Mario-Training, Tür-nicht klingeln, wenn doch-Spion. Alles verstanden." „Und Marco?" „Marco-Dusche." „Genau, bis gleich."
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Mein Bruder, ein Profifußballer
FanfictionVanessa war 10, als sie von Zuhause abhaute. Sie konnte nicht mehr. Sie wusste, dass sie einen älteren Bruder hatte. Sie wusste seinen Namen. Und sie wusste seine Adresse. Und diese Adresse war in Dortmund. 500km weit weg von zuhause, aber sie musst...