Zugfahrt

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Ich saß im Zug.

In ungefähr 6h werden meine Eltern merken, dass ich weg wäre. In ungefähr einem Tag wird die Polizei davon wissen. Und das ich nur weil ich zwei Tage unentschuldigt in der Schule fehlen werde. Aber mein Bruder würde das schon regeln. Hoffte ich.

Ich hatte ein bisschen Angst vor dem Kontrolleure. Natürlich hatte ich keine Fahrkarte. Von welchem Geld den? 'Mama, bekomme ich ein bisschen Geld, ich will abhauen.' Oder was hätte ich sagen sollen?

Ihnen wär es höchstwahrscheinlich trotzdem egal. Ich stand auf und lief einmal von einem Zugende zum anderen und zurück. Einmal lief ich dem Kontrolleure in die Arme. Aber der dachte wohl, dass ich zu irgendeiner Familie gehörte und meine Eltern irgendwo in diesem Zug waren. Aber meine Eltern waren nicht in diesem Zug. Und meine Eltern waren auch nicht mehr meine Eltern.

Den Rest der Fahrt verbrachte ich indem ich tat als würde ich auf die Toilette müssen und darauf zu warten oder in dem ich auf der Toilette saß.

Vielleicht sollte ich mich aber erst einmal vorstellen, bevor die Geschichte richtig begann. Mein Name ist Vanessa und ich war zu dem Zeitpunkt, an dem die Geschichte begonnen hat, zehn Jahre.

Als der Zug endlich in Dortmund war, stieg ich aus und war sofort in einer riesen Menschenmasse. Ich wurde leicht panisch, beruhigte mich aber und tastete nach meinem Schulranzen. Er war zum Glück noch da.

Ich ging aus dem Bahnhof und schaute mich nach einem Taxi um. Ja, ich hatte meinen Eltern Geld entwendet, aber sie waren wohl selber Schuld. Schließlich hätte alles auch anders kommen können, aber sie wollten es so. Sie haben es provoziert.

Ich sah ein Taxi und klopfte an die Scheibe:„Können Sie mich zu meinem Bruder fahren oder warten Sie auf jemanden?" Der Mann in dem Taxi war schon etwas älter sah aber sehr freundlich aus und antwortete mir auch freundlich:„Natürlich kann ich dich zu deinem Bruder fahren, weißt du denn die Adresse?"

Ich nickte und holte einen Zettel aus meiner Jackentasche. „Sicher das das die richtige Adresse ist?" Ich nickte zögernd. War das etwa nicht die richtige Adresse? Was sollte ich denn dann tun? „Tut mir leid, ich wollte dich nicht verunsichern, aber das ist eine sehr teure Gegend und deshalb dachte ich nur kurz... Von wem hast du den die Adresse?" „Von meiner Mutter." „Ja, dann ist das kein Problem. Die wird dir ja keine falsche Adresse geben. Komm steig ein." Ich stieg in das Taxi und wir fuhren los.

Eigentlich war das mit meiner Mutter nicht mal gelogen: Sie hatte einen Brief an meinen Bruder geschrieben, indem sie um Geld bat, weil er ja jetzt ein anstrebender Fußballprofi war. Aber er hatte nicht zurückgeschrieben. Vielleicht war es doch die falsche Adresse! Sonst hätte er doch zurückgeschrieben, oder?

Ich war so in Gedanken, dass ich gar nicht bemerkte, als wir hielten. Es war ein riesen Haus mit Garten und zwei schwarzen Mercedes vor der Tür. Und ich ahnte, das in der Garage noch mindestens einer war.

„38,50€." Ich schaute den Taxifahrer erschrocken an.

Ich hatte nur 35€ dabei. „Du hast nicht genügend Geld dabei, oder?" Ich nickte schuldbewusst. „Aber du hast Geld dabei?" Ich nickte wieder. „Dann gibst du mir das und wenn wir uns mal wieder treffen, dann ist das Schicksal und du gibst mir den Rest, okay?" „Danke." Ich gab ihm das Geld. „Darf ich Sie nach Ihrem Namen fragen, damit ich das nächste mal sie wieder als Taxifahrer bekomme?" „Heinz. Wenn du das bei meiner Taxistelle sagst, wissen Sie, wer gemeint ist." Er lächelte mich an. „Soll ich noch warten."

„Nein danke." Ich stieg aus und winkte dem wegfahrenden Auto hinterher.
Ich ging an die Tür und klingelte. Jetzt war also der Augenblick, wo ich meinen großen Bruder kennenlernen werde. Die Tür öffnete sich.

Mein Bruder, ein ProfifußballerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt