Kapitel 42

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So beschäftigte ich mich so ziemlich den gesamten Tag, bis ich am Abend von dem Klingeln meines Handys aus den Gedanken gerissen wurde.
"Ja?", meldete ich mich.
"Mum wo bist du?", kam es kläglich von der anderen Seite der Leitung.
"Ach du bist auch mal wach geworden.", bemerkte ich.
"Wo bist du?"
"Bei Johannes im Gästezimmer."
"Kannst du kommen?"
"Wieso?"
"Bitte!"
"Einen Moment. Ich komme sofort.", sagte ich und legte nun wieder auf.
"Was ist los?", fragte Johannes, der davon scheinbar wach geworden war.
"Das war Emely. Ich muss bei der mal eben gucken.", meinte ich.
"Okay."
"Ich bin sofort wieder da.", sagte ich noch und stand nun auf, um zu Emelys Zimmer zu gehen.
Dort angekommen klopfte ich an die Tür.
"Ja?", kam es von drinnen. So ging ich nun rein und schloss die Tür hinter mir.
"Was ist los?", fragte ich und setzte mich neben Emely auf das Bett.
"Was hab ich gemacht, dass es mir so beschissen geht?"
"Dich total besoffen und danach Mist gebaut ohne Ende."
"Scheiße was hab ich denn getrunken?"
"Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass du ganz tief in der Scheiße steckst!"
"Nicht so laut!"
"Ganz ehrlich! Eigentlich müsste ich dich jetzt so richtig anschreien. Schon allein, weil du einfach so abgehauen bist, obwohl ich gesagt habe, dass du schlafen und nichts anstellen sollst!"
"Mum bitte! Hab erbarmen!"
"Ist ja schon gut, aber bau mir ja nicht nochmal so einen Mist!"
"Verdammt ich weiß ja nichtmal mehr? Was ich gemacht hab!"
"Das willst du nicht wissen. Glaub mir."
"Warum? So schlimm?"
"Du hast einen Polizisten angemacht und wolltest mit dem schlafen!"
"Scheiße! Ich kann nie wieder raus gehen!"
"Nein, aber das wirst du wohl müssen."
"Hast du Kaffee da?"
"Ne, aber du kannst dir unten gerne einen machen."
"Hast du vielleicht auch irgendwas gegen Kopfschmerzen?"
"Setz dich unten in die Küche. Ich such dir alles raus, aber ich muss dann wieder zu Johannes."
"Warum? Kannst du nicht bei mir bleiben?"
"Johannes ist im Moment deutlich ärmer dran als du und außerdem bin ich auf dich immer noch sauer!", schimpfte ich und ging dann runter in die Küche, um ihr alles hin zu legen, was sie brauchte. Wenig später kam Emely dann auch und setzte sich an den Tisch. So verschwand ich nun wieder in das Gästezimmer, wo Johannes sich mittlerwiele auf das Bett gesetzt hatte und apathisch an die Wand starrte vor der noch immer die Scherben der Vase lagen. In dem ganzen Chaos hatte noch niemand Zeit gefunden sie weg zu räumen.
"Ist alles okay?", fragte ich besorgt und setzte mich zu ihm.
"Nichts ist okay. Das Leben ist scheiße!", meinte Johannes. Oh Gott! Jetzt wurde er auch noch depressiv!
"Warum lebe ich überhaupt noch?", redete er weiter. Okay. Jetzt reichte es aber!
"Johannes hör zu! Dein Leben ist mehr als nur lebenswert! Hör auf so depressiv zu sein!", stoppte ich ihn.
"Mein Leben ist ohne sie völlig wertlos.", meinte Johannes und stand nun auf, um eine der Scherben auf zu heben. Scheiße! Kommt der jetzt etwa auf komische Gedanken? Schnell sprang ich auf und sah, wie die Scherbe auch schon über seiner Pulsader lag und die Haut darüber leicht anritzte. Sofort eilte ich zu ihm und sagte verzweifelt: "Lass die Scheiße!"
Johannes schüttelte den Kopf und übte Druck auf die Klinge aus. Blut tropfte ließ mich nun doch ziemlich hysterisch werden.
"Johannes lass das! Julia braucht dich!", schrie ich nun schon fast und versuchte ihm irgendwie die Scherbe aus der Hand zu ziehen.
"Nein das tut sie nicht! Sonst wäre sie nicht weg gefahren!", meinte Johannes und schon schnitt die Scherbe noch etwas tiefer in seine Haut.
"Aber ich tue es!", schrie ich hysterisch und erwischte nun die Scherbe. Schnell warf ich sie auf den Boden und umfasste schnell seinen Arm an der Stelle, wo die Wunde war und das Blut über seinen Arm lief.
"Johannes bitte! Lass es! Ich brauche dich! Du bist das Einzige, was ich noch habe! Bitte!", flehte ich. Er nickte nur und ich fiel ihm um den Hals. Wie ich das geschafft hatte ohne seinen Arm los zu lassen wusste ich nicht, aber irgendwie hatte ich es scheinbar geschafft.
Ich löste mich nach einer Weile von ihm und Johannes musste natürlich erst einmal an sich runter gucken. Und was passierte? Natürlich. Er kippte mir erstmal um. Na super. Als hätte er nicht schon genug Mist gemacht!
"Emely!!!", reif ich nun laut und wenig später stand diese auch schon im Raum.
"Ach du Scheiße! Was geht denn hier ab?", kam es von ihr nur.
"Bring mir mal bitte mein Handy. Das liegt da auf dem Tisch.", wies ich sie an. Sie tat dies und drückte mir mein Handy in die Hand.
"Ich hab nur eine Hand frei. Du musst wählen.", erklärte ich.
"Was denn?", fragte sie.
"Papas Nummer. Ist unter Ben eingespeichert.", wies ich sie an. Emely tat dies und drückte mir dann mein Handy in die Hand.
"Verbandskasten! Im Büro!", sagte ich noch zu Emely und diese verschwand.
"Ja?", meldete Ben sich nun.
"Wo bist du?", fragte ich.
"Gerade im Stall. Wieso?", fragte Ben.
"Komm mal ganz schnell ins Gästezimmer. Ich brauch hier mal deine Hilfe."
"Wieso? Was ist passiert? Ist bei dir alles in Ordnung?"
"Frag nicht, sondern komm einfach!", sagte ich und legte auf, um mein Handy dann wieder an die Seite zu legen. Da kam auch schon Emely mit dem Verbandskasten wieder.
"Aufmachen und Verbandszeug rausholen.", wies ich sie an.
"Okay.", sagte sie und suchte langsam alles raus, was ich brauchte.
"Ein bisschen schneller, wenns geht!", sagte ich.
"Ich mach ja schon!", meinte Emely uns kippte kurzerhand einfach den kompletten Kasten aus. Ich suchte mir schnell alles zusammen und machte mich daran Johannes Wunde ordentlich zu verbinden und die Blutung irgendwie zu stoppen.
Nun stand auch Ben endlich im Raum und fragte geschockt: "Was ist passiert?"
"Keine Ahnung. Er wurde auf einmal irgendwie völlig depressiv und wollte sich mit einer von den Scherben die Pulsader durchschneiden. Ich konnte ihn gerade nich davon abhalten.", berichtete ich.
"Müssen wir ins Krankenhaus?"
"Ich glaube nicht."
"Kriegst du die Blutung so gestoppt?"
"Ich hoffe es, aber ich weiß nicht. Wenn nicht müssen wir doch fahren."
"Kann ich helfen?"
"Drückst du ein bisschen drauf? Ich versuch ihn irgendwie wieder wach zu kriegen."
"Okay.", sagte Ben und kniete sich nun zu mir, um die Wunde leicht ab zu drücken.
"Emely du gehst bitte wieder. Du musst das nicht unbedingt alles sehen.", wies ich Emely nun an, bevor ich mit leichten Ohrfeigen versuchte Johannes irgendwie wieder wach zu bekommen. Dieser regte sich allerdings nicht.
"Scheiße ich bekomm ihn nicht mehr wach!", sagte ich hysterisch und spürte, wie mir die Tränen die Wange entlang liefen.
"Ganz ruhig Süße! Alles wird gut!", meinte Ben und legte sanft einen Arm um mich.
"Jetzt komm runter und konzentrier dich! Du kannst das!", sagte Ben ernst. Ich nickte nur und schlug etwas fester zu. Okay. Etwas ist gut. In meiner Panik hatte ich wohl ziemlich heftig zugeschlagen, denn Johannes schlug nun die Augen auf und meinte nur: "Au!"
"Sorry.", sagte ich und fiel ihm um den Hals. Er bewegte sich nicht und als ich ihm wieder los ließ schimpfte er nur: "Kannst du vielleicht mal aufhören die ganze Zeit da drauf zu drücken? Das tut weh!"
"Wenn du lieber verbluten willst kann ich das gerne machen.", meinte Ben.
"Dann hat Julia wenigstens, was sie will."
"Das du stirbst will sie garantiert nicht!", mischte ich mich nun ein.
"Natürlich will sie das. Dann bin ich ihr aus dem Weg."
"Sie liebt dich!"
"Dann würde sie ja wohl kaum die Scheidung wollen."
"Nur weil sie eine Auszeit braucht willst du dich gleich umbringen?"
"Mein Leben ist doch nichts wert und mich würde hier eh keiner vermissen."
"Doch. Ich.", schluchzte ich. Mir waren mal wieder die Tränen gekommen. Ben zog mich sanft an sich und schaute Johannes mit einem Todesblick an. Dann holte er tief Luft und schimpfte wütend: "Sag mal kriegst du eigentlich noch mit wie fertig du deine Schwester machst? Sie hockt Tag und Nacht die ganze Zeit bei dir, nur um dich zu trösten und das soll jetzt dein Dank dafür sein? Das du vor ihren Augen versuchst dich um zu bringen und sie mit deinen depressiven Selbstmord Gedanken fertig machst? Und das alles nur, weil deine Frau einen Ort weiter sitzt und die Scheidung will? Ich würde an deiner Stelle nicht im Selbstmitleid versinken sondern um sie kämpfen! Jede einzelne Sekunde würde ich um meine Liebe kämpfen, damit sie versteht, was sie mir bedeutet! Julia liebt dich verdammt nochmal genauso sehr wie du sie auch! Deshalb macht sie das ganze Theater ja! Sie ist der festen Überzeugung, dass du sie mit Lisa betrügst und es liegt jetzt an dir sie vom Gegenteil zu überzeugen! Zeig ihr doch mal wie sehr du sie liebst und heul Lisa nicht damit die Ohren voll! Die weiß, dass du Julia liebst! Und wenn du dich so unbedingt umbringen willst dann mach es vor Julia, aber nicht hier! Damit erreichst du nur, dass du deiner Schwester dss Herz brichst und das sie sich auf ewig Vorwürfe macht! Und wenn du es bei Julia machst weiß sie wenigstes, was sie angerichtet hat!"
"Hör auf!", schrie ich nun.
"Verdammt du bringst ihn nur auf komische Ideen! Er soll sich nirgends umbringen!", schrie ich weiter, bevor ich weinend in mich zusammen sackte. Ben hatte mich sofort wieder fest in seinen Armen und schaute zu Johannes rüber.
"Wenn du dich vor ihr umbringst werden deine Kinder bald aber weder Vater noch Mutter haben und das kannst du ihnen nicht antun!", setzte Ben seine Strefpredigt fort und konzentrierte sich dann auf mich. Tröstend strich er mir immer wieder über den Rücken und versuchte mich irgendwie zu beruhigen, aber das half alles nichts.

Der Falsche SprungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt