Kapitel 80

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Ein paar Stunden später wurde ich davon wach, wie mir sanft jemand durch das Haar fuhr. Langsam schlug ich die Augen auf und schaute hoch. Dort war noch immer Ben auf dessen Schoß ich saß.
"Hey! Gina war gerade hier und hat gefragt, ob wir ein bisschen mit denen feiern wollen.", sagte Ben.
Ich nickte nur und stand langsam auf.
"Mach langsam! Wenn du mir hier nochmal zusammen klappst kann ich nichts machen! Ich hab keine Hand frei!", warnte Ben.
"Ich pass schon auf.", meinte ich.

Gemeinsam gingen wir nun langsam zu dem großen Festzelt, wo Gina uns schon entgegen kamen.
"Hey Champion! Das war ja wohl der mega Hammer!", begrüßte sie mich begeistert.
"Ich hab mir nur die richtigen Pferde ausgesucht.", meinte ich schulterzuckend.
"Ah ja. Und die sind natürlich die komplette Strecke ganz alleine gelaufen. Ist klar."
"Den Hauptteil haben die Pferde gemacht. Ich saß nur drauf."
"Das sagst du sagst du immer. Lisa jetzt sieh doch mal ein, dass die ganze Arbeit sich gelohnt hat. Du bist perfekt geritten und die Pferde, die du trainiert hast sind perfekt gelaufen. Du kannst ruhig mal stolz sein. Du hast was erreicht!"
"Da muss ich ihr ausnahmsweise mal Recht geben.", stimmte Ben ihr zu. Ich ignorierte diese Bemerkung diskret und fragte stattdessen: "Wollen wir dann jetzt los?"

Wenig später saßen wir dann in der üblichen Runde zusammen und unterhielten uns.
"Was hast du eigentlich mit Ben gemacht?", fragte Gina, mit der ich zu den Pferden gegangen war.
"Wieso?", fragte ich.
"Sein Fuß."
"Achso. Der ist beim Fußball spielen mit Julian und Co umgeknickt."
"Oh. Heftig?"
"Ziemlich. Die Bänder sind überdehnt und er hat einen Trümmerbruch am Sprünggelenk."
"Au. Das tut weh."
"Sprichst du aus Erfahrung?"
"Ja. Leider. Ich bin vor Jahren mal so richtig von einem Dreijährigen geflogen und hatte einen Trümmerbruch am Ellenbogen. Das tut echt sau weh!"
"Kann ich mir schon denken. Ich hab Ben schon ewig nicht mehr so weinen sehen, wie da."
"Und Sprunggelenk und so sollen wohl noch schlimmer sein."
"Ja. Das ist schon heftig."
"Wie geht's ihm denn jetzt so?"
"Es geht. Nachts, wenn er dann zur Ruhe kommt hat er oft noch Schmerzen, aber sonst gehts ihm eigentlich ganz gut."
"Und was ist mit dir? Kommst du mit den ganzen Pferden alleine klar?"
"Ja. Das läuft alles."
"Ganz sicher? Ben meinte du wärst mit dem ganzen ein bisschen überfordert."
"Ne. Ich komm schon klar."
"Wenn nicht sagst du Bescheid! Ich kann jeder Zeit kommen und aushelfen!"
"Danke, aber das brauchst du wirklich nicht. Julian, Louis und Andreas helfen so lange aus, bis Ben wieder reiten kann."
"Okay. Was ist eigentlich wegen Stuart? Ist die Beerdigung schon durch?"
"Ja. Er ist kurz nach dem Spiel beerdigt worden. Ben hat sich allerdings geweigert hin zu fahren. Dem ging es zu dem Zeitpunkt so schon ziemlich schlecht. Deshalb sind wir nicht hin. Emely war mit den Freunden von ihm da."
"Will Ben nicht mal wenigstens zum Grab hin?"
"Nein. Ich hab ihm aber schon angedroht ihn auf jeden Fall da mit hin zu zerren. Vielleicht hilft das ihm das alles irgendwie zu verarbeiten."
"Ja. Einen Versuch ist es wert."

Wir unterhielten uns nun noch ein wenig und kümmerten uns um die Pferde, bevor wir dann zu den anderen zurück gingen und mit ihnen die ganzen Siege und Platzierungen feierten.
Wir verabschiedeten uns allerdings schon relativ früh voneinander, denn am nächsten Morgen fuhren wir schon früh wieder zurück.

Am Nachmittag kamen wir hier dann auch an und luden alles wieder ab.
Bis dann die Pferde alle versorgt waren, war es dann auch schon wieder spät und wir halfen nur noch bei der Fütterung, bevor wir dann auch zu Bett gingen.

Am nächsten Morgen half ich schnell bei der Fütterung und quetschte mich dann ausnahmsweise mal in ein kurzes, schwarzes Cocktailkleid. Heute hatten die Pferde alle noch einmal frei und so hatte ich beschlossen am heutigen Tag mit Ben zum Friedhof zu fahren. Dieser schlief allerdings noch tief und fest und wusste noch gar nichts von seinem Glück.
Ich setzte mich nun neben ihm und strich ihm sanft durch das Haar. Er schlug sofort die Augen auf und guckte mich groß an.
"Morgen Schatz!", sagte ich.
"Morgen. Hast du irgendwas bestimmtes vor, dass du ein Kleid anzeihst? Damit wirst du wohl kaum in den Stall gehen wollen.", fragte Ben verwundert.
"Nein. Wir haben heute noch was vor."
"Und darf ich fragen was?"
"Nein, darfst du nicht. Zieh dir was halbwegs ordentliches an. Ich warte unten in der Küche."
"Okay..."

Ich ging nun runter und wartete in der Küche.
"Wow! Was ist denn mit dir los?", fragte Julia verwundert.
"Wieso?", fragte ich.
"Weil du ein Kleid an hast! Als du das letzte Mal eins anhattest haben ich und Johannes geheiratet. Sonst kriegt dich niemand aus den Reithosen raus."
"Da bist du doch auch nicht besser. Du trägst sonst auch nichts anderes, als Reithosen."
"Was gibt es denn jetzt so besonderes, dass du dich so hübsch machst? Du wirst ja wohl kaum damit reiten wollen."
"Nein. Das Kleid ist dafür viel zu eng."
"Dir traue ich auch zu, dass du das einfach hoch schiebst und dich trotzdem aufs Pferd schwingst."
"Stimmt."
"Was hast du denn jetzt vor?"
"Ich wollte mit Ben zum Friedhof fahren."
"Oh. Viel Glück!"
"Danke! Kümmert ihr euch drum, dass die Pferde wenigstens eine Weile in die Führmaschiene kommen? Ich denke das wird eine Weile dauern."
"Ja. Braucht ihr jemanden, der fährt?"
"Nein. Julian fährt."
"Und Ben fährt da freiwillig mit?"
"Was heißt freiwillig. Der hat noch keine Ahnung, wo es hin geht."
"Du bist ja nett!"
"Manchmal muss man Männer eben zu ihrem Glück zwingen."
"Stimmt auch wieder. Viel Glück! Ich geh jetzt raus zu den Pferden.", sagte Julia noch und ging dann.
Nun kam Johannes rein. Erstaunt schaute er an mir hoch und runter und pfiff anerkennend durch die Zähne.
"Du siehst heiß aus!", sagte er begeistert.
"Danke!", sagte ich. Es war schon eine Anerkennung, wenn mein Bruder mal so etwas sagte. Er traute sich nichtmal das Julia zu sagen.
"Was gibt's besonderes, dass du dich so hübsch machst?", fragte er nun.
"Ich wollte mit Ben zum Friedhof."
"Welchen?"
"Da, wo seine Eltern liegen."
"Und da fährt er freiwillig hin?"
"Nicht so ganz. Er weiß noch nichts von seinem Glück."
"Wann willst du es ihm erzählen?"
"Wenn wir da sind. Sonst haut der mir wieder ab."
"Ach das ist alles erzwungen oder wie?"
"Ja klar. Sonst würde er nie da hin fahren. Du kennst ihn doch."
"Und warum willst du ihn dazu zwingen?"
"Weißt du Bruderherz. Du musst nicht alles wissen!"
"Ach so nett heute wieder!"
"Hey! Ich hab es dir höflich erklärt! Ich hätte dir auch einfach sagen können, dass dich das gar nichts angeht!"
"Ja. Sorry."
"Ist zwischen dir und Julia alles in Ordnung?"
"Naja."

Nun kam Ben die Treppe runter und ich sagte zu Johannes: "Wir reden später. Mach mir für heute Abend nach der Fütterung Ginger fertig. Putz sie nur kurz über und leg ihr Gamaschen und Trense an. Mehr brauch ich nicht."
"Okay. Bis dann!", sagte Johannes und ging raus.
"Sagst du mir jetzt, wo wir hin fahren?"
"Nein. Das siehst du dann schon, wenn wir da sind."
"Das kann irgendwie nichts gutes bedeuten."
"Wart einfach ab."

Gemeinsam gingen wir nun raus, wo Julian bereits wartete. Auch er hatte die Reithosen ausnahmsweise mal gegen ordentliche Jeans ausgetauscht und sah darin sehr ungewohnt aus. Noch nie hatte ich ihn in Jeans gesehen und ich musste sagen, dass er in Reithosen deutlich besser aussah!
"Wow! Ben! So eine hammer Frau hast du doch gar nicht verdient!", sagte Julian begeistert.
"Ich verstehe auch immernoch nicht, was ich gemacht habe, dass ich so eine tolle Frau heiraten durfte.", meinte Ben.
"Ach du bist süß!", sagte ich und gab ihm einen Kuss. Er erwiderte diesen, bevor wir dann zu Julian ins Auto stiegen.

Der Falsche SprungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt