Kapitel 87

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Nach etwa einem Kilometer schnalzte ich dann mit der Zunge und begann zu joggen. Meine Stute trabte locker neben mir her und auch Emely neben mir lief mit dem Hengst am Zügel locker los. Paul lief vor uns auch noch relativ locker und Emely hypnotisierte ihn von hinten.
"Er ist heiß oder?", fragte ich nach einer Weile.
"Mama!", schimpfte Emely.
"Gibs zu. Er versteht uns doch eh nicht."
"Ja. Er sieht schon nicht schlecht aus."
"Wäre der nicht was für dich?"
"Nein! Er wohnt in Deutschland und ich hier in Polen."
"Das lässt sich ändern. Der zieht bestimmt liebend gerne zu uns."
"Warum sollte er das machen?"
"Hier hat er jeden Tag seine privaten Trainer und eine tolle, riesige Anlage. Außerdem die hübsche Tochter von der Chefin. Ich an seiner Stelle würde sofort her ziehen, wenn ich könnte."
"Was sollte er denn ausgerechnet von mir wollen?"
"Das fragst du noch? Du wohnst auf einem riesigen Gestüt, reitest super und siehst dabei auch noch super aus!"
"Also das mit dem super aussehen würde ich jetzt nicht unbedingt bestätigen."
"Natürlich! Guck doch mal in den Spiegel! Du hast eine super Figur!"
"Denkst du er findet das auch?"
"Also doch."
"Ja. Ich gebs ja zu. Bei dir hab ich eh keine Chance."
"Du bist mir einfach zu ähnlich. Das ist das Problem."
"Ja."
"Hat er vielleicht schonmal was gesagt?"
"Nein. Er meinte nur, dass ich dir sehr ähnlich bin."
"Na das ist doch schonmal ein Anfang. Immerhin könnt ihr euch so halbwegs verständigen. Du hast noch zwei Tage. Dann fährt er wieder. Bis dahin kriegst du garantiert seine Nummer!"
"Und wenn nicht? Was, wenn ich ihn nie wieder sehe?"
"Dann ist er es nicht wert."
"Na das ist ja sehr beruhigend."
"Das wird schon. Und wenn nicht muss ich halt ein bisschen die Finger im Spiel haben."
"Nein! Du hältst dich da raus!"
"Ja ja."
"Mama!"
"Ja. Ich mach schon nichts!"
"Okay."

Wir joggten nun eine Stunde lang durch den Wald, als Paul vor uns immer langsamer wurde.
"Weiter! Nicht langsamer werden!", ermahnte ich ihn auf deutsch.
"Wie weit geht das denn noch?", fragte Paul.
"Also die Hälfte haben wir ungefähr geschafft."
"Was? Erst die Hälfte?"
"Ja. Du darfst nicht meckern. Wir nehmen wegen dir extra die kützere Runde und laufen ein bisschen langsamer. Normal laufen wir mindestens doppelt so weit in der doppelten Geschwindigkeit."
"Oh Gott! Das würde ich nie schaffen!"
"Ist alles eine Sache des Trainings. Jetzt geht's weiter. Los! Ich hab zuhause noch zu tun.", meinte ich und joggte neben ihm weiter. Als auch das nicht viel nützte nahm ich kurzerhand einfach sein Pferd an der Trense und trieb es ein wenig schneller. Da er den Wallach noch immer am Zügel hielt musste er nun wohl oder übel mit.

So joggten wir den Rest der Runde, bis ich das Tempo dann langsam verringerte und schließlich zum Schritt überging.
"Endlich!", kam es von Paul, der mittlerweile völlig außer Atem war. Seinem Pferd ging es da auch nicht viel anders. Sie hatten beide null Kondition.
"Also das Zeil von diesem Wochenende ist es, dass ihr beide die Strecke ohne Probleme schafft.", verkündete ich. Paul schaute mich ungläubig an, aber nickte.
"Gut. Mach ihn jetzt fertig. Wir treffen uns dann morgen früh um sieben in der Halle. Putz ihm nur kurz über und leg ihm Trense und Gamaschen an. Wir lassen ihn mal ein bisschen freispringen.", erklärte ich nun.
"Okay.", sagte Paul und verschwand.
"Laufen wir noch eine Runde?", fragte ich nun wieder auf polnisch an Emely gerichtet.
"Ja klar!", antwortete diese und so joggten wir nun die selbe Runde noch einmal. Dabei unterhielten wir uns ein wenig und beschlossen, dass wir am nächsten Mittag gemeinsam ein bisschen mit Nasim trainieren wollten.

Als wir von unserer Runde zurück kehrten war es bereits dunkel und wir versorgten nur noch schnell die Pferde, bevor wir dann rein gingen. Die anderen waren bereits im Bett und auch Emely legte sich nun schlafen. Ich musste jedoch erst noch ein paar Sachen im Büro erledigen. So ein Gestüt führte sich ja schließlich nicht von alleine.

So war es schon sehr spät, als auch ich schließlich ins Bett ging. Ben wurde davon wach und fragte besorgt: "Wo warst du so lange?"
"Mit Emely joggen und danach noch im Büro.", berichtete ich.
"Du arbeitest viel zu viel!"
"Sorry, aber irgendwer muss den Papierkram ja machen. Außer mit kann das keiner."
"Ja, aber du kannst nicht andauernd die Nächte durch machen! Das ist auf Dauer auch nicht gut."
"Die Diskussion haben wir jetzt schon seit Jahren jeden Abend. Geb es einfach auf und schlaf weiter!"
"Du musst trotzdem langsam machen!", ermahnte Ben mich, doch ich drehte mich einfach weg und ignorierte ihn.
"Wie war es denn heute mit Paul?", fragte er mich nun, aber ich ignorierte ihn auch weiterhin. Jetzt war er unten durch!
"Schatz?", fragte er und wieder keine Reaktion von mir.
"Ach jetzt hör doch auf zu schmollen.", sagte er nun.
"Nein!", sagte ich beleidigt, doch da hatte ich nicht mit ihm gerechnet. Er packte mich nun an der Taille und zog mich langsam zu sich. So leicht ließ ich mich nun auch nicht rum kriegen! Da musste er sich schon mehr einfallen lassen. Und das tat er. Sanft legte er einen Arm um mich und spätestens als er liebevoll einen Kuss auf meinem Haar platzierte war es vorbei. Da hatte ich keine Chance mehr. So gab ich nun auf und drehte mich wieder zu ihm um.
"Ich dachte schon ich krieg dich nie rum.", meinte Ben und gab mir einen Kuss. Ich erwiderte diesen und kuschelte mich dicht an ihn. Er schloss mich nun komplett in seine Arme und flüsterte: "Ich liebe dich!"
"Ich dich auch!", flüsterte ich und schloss nun meine Augen.

Der Falsche SprungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt