"Ich bin hier, um dir die gleiche Frage wie letztes Mal zu stellen, Weib." Seine
Stimme klang wie eine rostige Klinge, die über Stein gezogen wurde. Ohne mich umzudrehen erwiderte ich tonlos: "Und ich gebe dir die gleiche Antwort wie letztes Mal."
Da meine rechte Hand immer noch an meinem Schwertgriff lag, ergriff ich mit meiner linken eine unebene Stelle des Felsens und zog mich an ihm hoch. Während ich mich zu ihm umdrehte, zückte ich mein Schwert und richtete es auf meinen Gegner. Die roten Augen seines Pferdes starrten mich an. Wütend, seines Vorteils beraubt zu sein, zog er seine Klinge mit einem scheusslichen Schaben aus der Schneide und richtete sie ebenfalls auf mich. Meine Herzschlag beschleunigte sich etwas. Trotzdem war ich immer noch die Ruhe selbst. Mit leicht zusammen gekniffen Augen musterte ich meinen Gegner genau. Das Pferd trabte unruhig auf der Stelle hin und her. Das schwarze Gewand hing schwer von seinen Schultern und die knochige Hand hielt den Schwertgriff fest umklammert. Seine Stimme war nicht mehr als ein Zischen, als er antwortete: "Dann stirb!"
Sein Pferd setzte sich in Bewegung. Jeder meiner Muskeln war zum zerreissen angespannt. Als wir auf gleicher Höhe waren, eröffnete er den Kampf und liess seine Klinge auf meinen Kopf zusausen. Ich riss mein Schwert zur Seite. Mit einem lauten Klirren trafen sich unsere Schneiden in der Luft. Mit einem Schrei schwang ich meine schlanke Klinge auf seine Schulter zu. Er parrierte meinen Hieb aber und zielte auf meine Beine. Der Kampf wurde immer schneller, bis unsere Schwerter nur noch silberne Schweife in der Luft waren. Ich war so auf die beiden blitzenden Klingen konzentriert, dass ich erst im allerletzten Augenblick das Sirren einer dritten hinter mir wahrnahm. Ohne zu überlegen sprang ich von dem kleinen Felsen. Hinter mir hörte ich Metall auf Stein treffen. Sobald ich wieder festen Boden unter den Füssen spürte, wirbelte ich herum, das Schwert in Erwartung eines Angriffes hochreissend. Ich musste so verbissen gegen den schwarzen Reiter gekämpft haben, das ich die Ankunft des zweiten hinter mir nicht bemerkt hatte. Beide sassen auf ihren Pferden, zwischen ihnen der kleine Felsen. Der eine hatte seine Klinge noch hoch erhoben, die Klinge des anderen steckte in der soeben entstandenen Kerbe des Felsens, auf dem ich soeben noch gestanden hatte. Keiner der beiden Reiter rührte sich, zu verwundert waren sie über meine Reflexe. Diesen kurzen Augenblick des Zögerns nutzte ich, um das einzig Richtige zu tun: Ich drehte mich um und rannte so schnell ich konnte zwischen den Bäumen davon. Meine strategisch gut gelegene Position hatte ich aufgeben müssen und bei einem Kampf auf offenem Gelände gegen zwei berittene Nazgul standen meine Chancen nicht gut. Ich hatte zu hohe Ziele, als bei einem Kampf gegen zwei Schergen alles aufs Spiel zu setzen.
Um wendiger zu sein, liess ich mein Schwert zurück in seine Schneide gleiten und beschleunigte meine Schritte nochmals. Schon hörte ich hinter mir das Klirren des Zaumzeugs und das schrille Wiehern der Pferde, gefolgt vom Donnern der Hufe. Meine Atmung beschleunigte sich und das Rascheln der Blätter vereinte sich mit dem Rauschen des Blutes in meinen Ohren zu einer unwichtigen Geräuschkulisse, vor der ich nur noch die näher kommenden Hufschläge meiner Verfolger hörte. Fieberhaft listete ich in meinem Kopf alle mir bekannten Besonderheiten der näheren Umgebung auf und setzte sie mit dem zusammen, was ich alles über diese halbtoten Sklaven Saurons wusste, in der Hoffnung etwas zu finden, woraus ich einen Vorteil ziehen könnte. Ich war eine gute Läuferin und die tiefhängenden Zweige verlangsamten meine Verfolger zwar, doch trotzdem wurde das Donnern der Hufe immer lauter. Als mich gerade ein Zweig schmerzhaft im Gesicht getroffen hatte, hörte ich das Rauschen eines reissenden Flusses. Ich schnappte kurz nach Luft und vollführte dann eine scharfe Kurve. Ich hatte eine Idee. Eine gefährliche, aber sie war die einzige Lösung. Jeder Atemzug brannte mir in den Lungen, aber ich zwang mich, noch schneller zu laufen, während das Rauschen immer lauter wurde. Vor mir tauchte zwischen den Bäumen plötzlich wie aus dem Nichts eine breite Schlucht auf. Aus Erfahrung wusste ich, dass tief auf ihrem Grund sich ein reissender Waldfluss seinen Weg durch das Gestein suchte. Hinter mir wurde das Hufgetrampel langsamer. Sie ahnten, was ich vorhatte. Nochmals zwang ich mich dazu, mein Tempo zu steigern. Durch meine zusammengekniffenen Augen sah ich nur noch das Ende der Klippe vor mir. Ich hatte nur einen Versuch.
Als ich absprang, schloss ich die Augen und hielt die Luft an. Alle Geräusche verstummten und ich fühlte nichts mehr; es war, als wäre die Zeit stehen geblieben. Der Aufprall auf die harte Erde und der Geschmack von trockenen Blättern in meinen Mund holten mich in die Realität zurück. Meine Augen waren immer noch geschlossen, aber ich hörte deutlich die Verwünschungen, die mir die schwarzen Reiter zukreischten, bevor sie ihre Pferde wendeten und davonritten.
Ich genoss noch einige Augenblicke die Stille des Waldes und dankte den Valar für diesen glücklichen Zufall. Schliesslich rappelte ich mich auf, spuckte die Blätter aus und klopfte mir den Schmutz von der Kleidung. Nachdem ich auch die trockenen Blätter aus meinen Haaren entwirrt hatte, machte ich mich schon wieder auf den Weg. Nun jedoch in östlicher Richtung. Um zuerst Aragorn und dann Gandalf zu suchen war es jetzt zu spät. Meine Vorahnungen hatte sich bestätigt, somit brauchte ich Gandalf nicht mehr zu fragen, was er von ihnen hielt. Die Zeit drängte. Mein neues Ziel war Bruchtal.Den restlichen Tag rannte ich immer Richtung Osten. Nachdem der Wald sich
gelichtet hatte, führe mein Weg mich durch die hügelige Heide südlich der grossen Strasse. Diese mied ich, um ein erneutes Zusammentreffen mit den Schergen Saurons zu vermeiden. Schliesslich began sich
der Himmel über mir rot zu färben und die ersten Sterne erschienen. Hinter mir
ging die Sonne unter und mit dem Verblassen ihrer letzten Strahlen wurde es
sofort merklich kühler. Der Tag hatte mir viel abverlangt und ich wollte mich
gerade noch einem windgeschützten Schlafplatz für die Nacht zu umschauen, als
ich am Horizont eine kleine Rauchfahne erkennen konnte. Neugierig schlich ich
näher, immer darauf bedacht, nicht entdeckt zu werden. Nach einiger Zeit konnte
ich ein Pony und fünf Gestalten ausmachen, von denen vier Hobbits zu sein
schienen. Der fünfte musste ein Mensch sein, aber ich war noch zu weit entfernt,
um Genaueres zu sehen. Nach dem heutigen Vorfall hätte ich mich eigentlich zur
Vorsicht mahnen sollen, aber das Feuer sah so gemütlich aus und die dort
versammelte Gesellschaft machte keinen sehr gefährlichen Eindruck, so dass ich
mich schliesslich in Bewegung setzte, um die Fremden nach einem freien Platz an
ihrem Lagerfeuer zu fragen.
Sagt einfach, wenn es euch zu langsam geht.
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Die letzte Reise
FanfictionSchon seit Beginn der Zeitrechnung in Mittelerde bestimmt Lossiel das Schicksal Mittelerdes mit. Verbissen will sie Sauron, ihren letzten verbliebenen Feind, besiegen. Wenn es sein muss, bis in den Tod. So schliesst sich die Elbin der Gemeinschaft d...