Das Schlachtfeld

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Bevor wir uns dem Schlachtfeld auch nur auf eine Meile genähert hatten, hing bereits der erdrückende Geruch des getrockneten Orkbluts in der Luft. Im Westen war die Sonne kurz davor, die schneeweißen Gipfel des Nebelgebirges zu erreichen und die Bäume des Fangorns warfen lange und bedrohliche Schatten gen Osten.

Obwohl wir die Orkspur entlang der Entwasser nur mit gedrosselter Geschwindigkeit verfolgt hatten, war Aragorn nichts aufgefallen, was  uns einen Hinweis auf den Verbleib der Hobbits hätte geben können. Die Fährte war immer noch frisch gewesen und so bestand kein Zweifel, dass Merry und Pippin zum Zeitpunkt des Gefechts nach wie vor Gefangene der Orks gewesen waren.

Der Boden rund um das ehemalige Schlachtfeld war von den Abdrücken hunderter Hufe aufgewühlt. Zwischen den Büscheln des blutgetränkten Grases lag hier und dort ein zerbrochener Speer oder ein glanzloser Helm, auf welchem das Zeichen der weißen Hand hässlich im Licht der schwindenden Sonne schimmerte. Das restliche Kriegsgerät bildete einen großen Haufen; auf einem splittrigen Pfahl davor steckte ein abgetrennter Orkkopf. Einige Fuß weiter qualmte die heiße Asche eines großen Feuers.

 Sobald Aragorn und Legolas die Ausläufer des Schlachtfeldes erreicht hatten, zügelten sie ihre Pferde und sprangen aus den ledernen Sätteln. Ungelenk ließ Gimli sich von dem Rücken des weißen Hengstes gleiten, auf welchem er und Legolas geritten waren, und folgte den beiden.

Ich schüttelte verständnislos den Kopf. Der Zwerg war so sehr darauf versessen, ein Lebenszeichen der zwei Halblinge zu finden, dass er sich nicht einmal darüber freute, den Ritt auf Arod heil überstanden zu haben. Doch seine Suche würde erfolglos bleiben, dessen war ich mir sicher.

Sanft zog ich an Fâniors Zügeln und brachte den grauen Hengst zum Stehen. Mit vorsichtigen Bewegungen stieg ich aus dem Sattel. Seit der Gestank des geronnenen Orkbluts die Luft verpestete, fühlte ich mich kraftlos und leer. Das Gift zeigte erstmals eine beunruhigende Wirkung. Ganz so, als könne es die ehemalige Anwesenheit der Orks spüren.

„Arod, Hasufel!“

Ich rief die beiden Pferde leise zu mir, da Aragorn und Legolas sie am Rande des Schlachtfeldes stehen gelassen hatten. Schon wollte ich die drei Tiere zu einem nahegelegenen Baum führen, um sie an den tiefhängenden Ästen festzubinden, als mir die frisch aufgeschütteten Erdhügel ins Auge fielen, die nur wenige Schritte entfernt aus dem Boden ragten. Fünfzehn in das Gras gerammte Speere kennzeichneten die Gräber der gefallenen Reiter. Entschlossen führte ich die drei Pferde in die Richtung, aus welcher wir gekommen waren; weg von den Ruhestätten ihrer alten Herren. Im Gehen bückte ich mich kurz und hob einen abgebrochenen Speerschaft auf. Als wir weit genug vom Schlachtfeld entfernt waren, wo kein Orkblut das Gras schwarz färbte, steckte ich den Speerschaft in den Boden und warf die Zügel der drei Hengste locker darüber. Die Oferde waren klug genug, sich nicht loszureißen und davonzulaufen. Dankbar senkten sie die Köpfe und begannen zu grasen.

Ich drehte mich seufzend um und lief zum Schlachtfeld zurück, über welchem dunkel die uralten Bäume des Fangorns aufragten. Aragorn und Legolas suchten den Boden rund um den hohen Waffenhaufen nach spuren ab, während Gimli wahllos mit seiner Axt in dem Sammelsurium an Kriegsgerät herumstocherte. Wie lange würde es wohl dauern, bis auch sie einsehen mussten, dass die beiden Halblinge tot waren?

Die Arme vor der Brust verschränkt blieb ich neben dem großen Kreis aus rauchender Asche stehen und schob angewiderte mit der Spitze meines Stiefels eine angekohlte Orkhand, welche den gierigen Flammen entkommen war, in die Mitte des einstigen Feuers. Ein leises Zischen ertönte. Kurz züngelte eine kleine Flamme empor und leckte an dem rohen Fleisch, doch ein kräftiger Windstoß brachte sie sogleich zum Erlöschen. Das Siegesfeuer war vorbei.

Plötzlich hielt Gimli inne und zog vorsichtig etwas aus dem unübersichtlichen Haufen, wobei scheppernd ein roh bearbeiteter Helm zu Boden fiel. Unter Schmutz und verkrustetem Blut konnte ich die fein gearbeiteten Ornamente Lóriens Schmiede erkennen.

Die letzte ReiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt