Die Beratung

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Die Absätze meiner frisch geputzten Stiefel hämmerten eilig auf den blanken Marmorboden des Thronsaals ein, das Echo stürzte sich von allen Seiten auf uns. Ich betrat die Runde der Auserwählten natürlich als letzte. Dass ich die einzige Frau war, fiel mir schon gar nicht mehr auf. In einem lockeren Kreis um den weißen Thron Gondors herum standen verstreut die wichtigsten sich in der Stadt befindenden Heerführer.

Zuallererst fiel mir der Zwerg ins Auge. In aller Ruhe saß er auf dem bedeutungsschweren Thron und rauchte eine Pfeife, ganz so, als handle es sich um einen gewöhnlichen Holzhocker. Verschmitzt blinzelte er mir zu. Diesen Dickschädel konnte nichts erschüttern.

Rechts und links des Thrones standen Gandalf und Aragorn. Beiden waren die Strapazen der letzten Nacht noch anzusehen, doch versuchten sie, sie hinter frischer Kleidung und weisen Blicken zu verstecken.

Legolas stand etwas abseits, die Arme verschränkt und gelangweilt der hitzigen Diskussion zwischen Éomer und Imrahil, dem Prinzen Dol Amroths, lauschend. Neben ihm stand ein mir flüchtig bekannter Waldelb.

Aragorns Gesicht hellte sich sichtlich auf, als er mich bemerkte und er gab mir zu verstehen, mich neben ihn zu stellen. Als ich den lockeren Kreis durchschnitt, brach die Diskussion zwischen den beiden Männern nicht ab.

"Worum geht es?", fragte ich Aragorn flüsternd, sobald ich neben ihm stand. Gandalfs Blicke ließen mich unsicher werden. Es lag etwas Forschendes in ihnen, so, als würde er zu erraten versuchen, wann ich mich gegen ihn richten würde.

"Wer wo seine Pferde weiden lassen darf.", klärte mich Aragorn ebenso flüsternd auf.

Ich schüttelte leicht den Kopf, enthielt mich jedoch eines Kommentars.

"Dann ist Théoden tot?", wollte ich unvermittelt wissen, während ich auf die Trauer in Éomers Augen starrte.

"Ja, gefallen in der Schlacht."

Flüsternd weihte Aragorn mich in die Liste der Gefallenen und Überlebenden ein. Ich zeigte keine Regung, als verlese er die Einnahmen und Ausgaben Gondors. Nur bei der Erwähnung Merry und Pippins zog sich mein Herz unwillkürlich zusammen. Wenigstens diese Beiden hatte das Schicksal – wenn auch knapp – verschont.

Die Diskussion der Männer fand kein Ende und so beschloss man, die Verteilung der Weideflächen fürs Erste ruhen zu lassen, um sich den größeren Fragen zuzuwenden. Augenblicklich erfasste eine zitternde Spannung den ganzen Raum. Niemand wollte das Wort ergreifen, zu viel hing an den folgenden Entscheidungen, für die niemand ganz alleine verantwortlich sein wollte.

Irgendwann räusperte sich Gandalf schließlich.

"Der Schatten, den Mordor verbreitet, ist zu groß geworden. Wir wissen nicht mehr, wie weit Frodo bereits gekommen ist. Alles, woran wir uns klammern können, sind die letzten Berichte Faramirs."

"Hätte Sauron den Ring bereits, hätte keiner von uns die letzte Nacht überlebt.", räumte Aragorn ein, diesen Keim der Hoffnung, den er immer mit sich trug, in der Stimme mitschwingend.

Und natürlich musste ich diesen Keim sofort ersticken:

"Die Frage ist nicht, ob Sauron den Ring bekommt, sondern wann. Wir haben gestern gesiegt. Ja. Aber unter hohen Verlusten und mit fremder Hilfe. Einem weiteren solchen Angriff werden wir jedoch nicht standhalten."

"Was interessiert uns das?", fragte Gimli und nahm einen tiefen Zug aus seiner Pfeife, "Für heute haben wir gewonnen."

"Er wird stärker! Gerade jetzt, während wir uns über die Verteilung von Weideflächen unterhalten tut er das!", gab ich etwas wütend an den Zwerg gewandt zu.

Die letzte ReiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt