Gebrochene Versprechen

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Die Sonne hüllte die grauen Wolkenfetzen in ein zartes Orange, als sie langsam hinter den weit entfernten Gipfeln des Nebelgebirges verschwand. Die Farben verschwanden aus der Welt und ließen nichts als dunkle Schatten zurück. Immer wieder schoben sich dichte Wolken vor sie silberne Mondsichel und verdunkelten Mittelerde. Selbst meine Elbenaugen taten sich schwer, die Fährte zu erkennen, der wir nach wie vor folgten.

Nachdem wir eine gute Meile durch die Dunkelheit gejagt waren, hielt Aragorn an. Mühelos kam ich neben ihm und Legolas zum Stehen. Selbst im dämmrigen Licht der Sterne konnte ich sehen, wie erschöpft der Waldläufer war. In der Ferne war Gimli als ein kleiner Schatten zu erkennen, der sich uns langsam näherte. Wütend biss ich mir auf die Unterlippe. Da ich keinen erneuten Schmerzensanfall gehabt hatte, hätte ich solange weiter rennen können, bis die Orks vor mir am Horizont aufgetaucht wären. Einen Moment lang erwog ich, alleine weiterzujagen und die Orks zu Strecke zu bringen, doch ich zweifelte daran, dass ich die Horde der riesigen Orks im Alleingang vernichten konnte, ohne die beiden Hobbits in Gefahr zu bringen. Verstohlen blickte ich zu Legolas hinüber, da mein Vorhaben zu zweit im Bereich des Möglichen lag. Doch würde er deswegen Gimli und Aragorn zurücklassen? Nach unserem heutigen Gespräch zweifelte ich stark daran.

Keuchend erreichte der Zwerg uns. Der Helm saß schief auf seinem Kopf und seine Augen waren stumpf vor Erschöpfung.

„Eine schwierige Entscheidung liegt nun vor uns.", sagte Aragorn mit rauer Stimme, „Sollen wir heute Nacht rasten oder unsere Jagd fortsetzen, solange uns unsere Kräfte dies noch erlauben?"

Bevor jemand von uns überhaupt seine Meinung kundtun konnte, war mir bereits klar, dass unsere kleine Gemeinschaft heute keine Viertelmeile mehr zurücklegen würde.

„Sofern unsere Feinde nicht auch ruhen, werden sie uns weit hinter sich lassen, sollten wir uns für eine Rast entscheiden.", sagte Legolas vorsichtig.

„Selbst Orks müssen auf solch einem langen Weg doch einmal eine Rast einlegen!", sagte Gimli wütend und strich sich über seinen wirren Bart.

„Selten wandern Orks bei Tag durch offenes Land, doch diese haben es getan.", widersprach der blonde Elb, „Mit Sicherheit werden sie heute nicht ruhen."

„Aber wir können bei Dunkelheit keiner Fährte folgen.", entgegnete Gimli und stützte sich auf seine Streitaxt.

„Die Fährte verläuft schnurgerade durch die Ebene, soweit meine Augen sehen können.", erwiderte Legolas und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf die gut sichtbare Spur der Orks.

Leise schnalzte ich missbilligend mit der Zunge. Mir war klar, dass Legolas es genauso wie ich vorzog, die Jagd fortzusetzen, doch solange er sich dazu nicht von Gimli und Aragorn trennen wollte, sollte er den Zwerg besser schlafen lassen, anstatt mit ihm zu diskutieren.

„Ich besitze zwar keine Elbenaugen, doch könnte ich euch vielleicht aufs Geratewohl durch die Dunkelheit führen.", warf Aragorn unentschlossen ein, „Aber wenn wir uns verirren oder die Orks einen anderen Weg eingeschlagen haben, wird es selbst bei Tag schwierig werden, ihre Fährte wiederzufinden."

Ich stöhnte resigniert auf.

„Vergeudet keine Zeit mit einer sinnlosen Diskussion. Entweder gehen wir nun weiter, oder die Gemeinschaft rastet.", sagte ich mit gereizter Stimme, „Die einzig wichtige Tatsache ist, dass wir die Orks vor den Toren Isangards eingeholt haben müssen. Sonst gibt es für Merry und Pippin kein Entrinnen mehr."

Sprachlos sahen mich meine drei Gefährten einige Momente lang an, bis Aragorn schliesslich fragte: „Es ist und bleibt eine schwierige Entscheidung. Wie wollen wir diese Frage lösen?"

Die letzte ReiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt