Ein schwarzer Traum

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Meine Füße berührten kalten Stein. Vorsichtig ballte ich meine Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder. Als wollte ich sicherstellen, dass auch wirklich alle Teile meines Körpers hier angekommen waren, bevor ich die Augen öffnete. Zuerst blickte ich auf meine nackten Füße auf dem geschliffenen Onyxboden. Erleichtert stellte ich fest, dass ich trotz allem noch Hose und frisches Hemd trug. Ich beäugte das düstere Licht auf meinen Armen, suchte nach einer möglichen Lichtquelle. Rings um mich herum befand sich ein wabernder Nebel. Nicht dicht, doch wollte er trotz allem nicht preisgeben, was hinter ihm lag. Ich runzelte die Augenbrauen und bemerkte, dass der Nebel sich teilweise lichtete, sobald ich angestrengt auf eine Stelle starrte. Konzentriert drehte ich mich einmal um die eigene Achse. Doch in alle Richtungen schien es nur diesen endlos weiten schwarzen Steinboden zu geben.

"Das ist ein Traum.", rief ich hallend in die unbekannte Leere, um mich von meiner eigenen Vermutung zu überzeugen.

"Aber Prinzessin! Natürlich ist es das."

Erschrocken drehte ich mich um.

Vor mir stand ein hochgewachsener Mann in einer leichten Rüstung. Ein rot-schwarz gemusterter Umhang floss seine breiten Schultern hinab auf den Boden. Er machte einige selbstsichere Schritte auf mich zu, sodass der Nebel sich lichtete und ich sein Gesicht sehen konnte. Ein säuerlicher Brechreiz braute sich in meinem Magen zusammen.

Schwarze Augen in einem feinen bleichen Gesicht. Spöttisch verzogene Lippen, die ich früher so geliebt hatte. Alles eingerahmt von langen schwarzen Haaren. Unfähig, seinen Anblick viel länger zu ertragen, blinzelte ich langsam.

Als ich die Augenlieder wieder hob, starrten mir zwei feuerrote Augen entgegen. Die Haut war nun weiß wie Schnee und die schwarzen Haare durchzogen dicke rote Strähnen. Aus dem Meister war sein Schüler geworden.

"Alte Freundin. Es ist schön, dich wiederzusehen. Komm wir gehen einige Schritte gemeinsam."

Während er sprach, veränderte sich sein Gesicht ununterbrochen.

Meister. Schüler. Meister.

Seine Stimme schwankte zwischen diesem tiefen Basston und einem hohen eisigen Klang.

Seine Stiefel klackerten erhaben an mir vorbei in den Nebel, der sich gleich einem ergebenen Heer vor ihm lichtete. Wie ein trotziges Kind blieb ich an Ort und Stelle stehen. Er lief weiter.

"Ich will hier raus!", rief ich ihm schließlich verzweifelt nach.

Er blieb stehen. Drehte sich zu mir, den Nebel als ewigen Wächter im Rücken.

"Das ist aber traurig. Dabei wollte ich gerade mit dir das weitere Vorgehen besprechen."

Seine emotionslosen Stimmen versetzten mir einen Schlag in die Magengrube.

"Das weitere Vorgehen?", versuchte ich das Zittern in meiner Stimme zu verbergen.

"Ja, du hast schon immer zu uns gehört. Und bald wirst du ganz uns gehören."

Die wechselnden, ineinander übergehenden Lippen verzogen sich gleichermaßen zu einem hämischen Grinsen.

"Komm jetzt. Zier dich nicht so!"

Er setzte seinen Spaziergang weiter fort. Ich blieb wie angewurzelt wo ich war. Die Nebelschwaden um mich herum begannen, sich immer schneller zu drehen. Und je weiter er in ihnen verschwand, desto lauter hallten seine Stiefel auf dem geschliffenen Boden, bis ich mir schließlich die Handflächen auf die Ohren pressen musste. Es nützte nichts.

Ich begann, hemmungslos zu schreien, um diese hämmernden Schläge aus meinem Kopf zu vertreiben.

Die Nebelschwaden verschwammen vor meinen Augen zu einer dicken grauen Masse, die sich schwarz färbte.

Ich kreischte weiter.

Und weiter.

Das Kratzen in meinen Stimmbändern wurde immer schlimmer, bis ich keuchend und am ganzen Körper verschwitzt aus dem Schlaf hochfuhr.

Die letzte ReiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt