Beichte

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Erschöpft schlug ich die schwere Zeltplane zur Seite, die meine und Éowyns provisorische Unterkunft verschloss. Die Schildmagd Rohans sah von ihrer Näharbeit an einem zerrissenen Umhang auf und für einen kurzen Moment bemerkte ich das Zucken in ihrem Körper, als sie für mich aufstehen wollte. Mühsam zauberte ich ein Lächeln auf meine Lippen. Lag es an dem langen Tag, oder an dem Ort, an welchem wir unser Lager aufgeschlagen hatten?

„Éowyn, weshalb seit Ihr so spät abends noch wach?"

Als sie mit wippenden Locken ihren Kopf hob konnte ich auch auf ihrem Gesicht eine unaussprechliche Bedrücktheit erkennen. Es lag also doch an diesem Ort.

„Dasselbe könnte ich Euch fragen.", gab die junge Frau schlagfertig zur Antwort.

Ich lächelte matt und rieb mir sanft das linke Armgelenk, um das ein mittlerweile schmutzigweißes Tuch gebunden war.

„Ich brauchte ein bisschen Zeit für mich selbst.", wich ich geschickt aus und streckte ihr meine rechte Hand entgegen, „Hier habt Ihr Euer Kochmesser wieder."

Éowyn nahm die kurze, aber lebensrettende Klinge dankend entgegen. Stöhnend ließ ich mich auf meinen schmalen Strohsack neben Éowyn sinken. Sämtliche Körperteile schmerzten und der ständige Blutverlust machte mich schlapp und müde. Mich selbst am Leben zu erhalten war zermürbender als alle Schlachten, die wir noch schlagen würden. Fasziniert sah ich der jungen Rohirrim zu, wie sie geschickt mit der Nadel in den dicken Stoff stach und sie zielstrebig an einem anderen Ort wieder herauszog. Nach einigen dutzend Stichen hatte sie meinen Blick bemerkt und fragte mich ungläubig:

„Sagt! Könnt Ihr etwa nicht nähen, wenn Ihr mich so ungläubig anstarrt?"

„Doch, doch.", erwiderte ich mit einem gequälten Lächeln und nahm einen Schluck abgestandenes Wasser aus meinem Lederbeutel, „Aber bei mir sieht es nicht ganz so graziös aus. Und ich fluche mehr."

Éowyn zuckte mit den Schultern.

„Dafür könnt Ihr Kämpfen. Das kann ich nicht."

Ihr Tonfall hatte nebensächlich klingen sollen, doch ich erkannte die Schwermut dahinter.

„Kämpfen kann jeder."

Mit großen Augen starrte sie mich an.

„Die Frage ist nur, wie stark man sich an sein Leben klammert und wie erfolgreich man damit ist."

Es dauerte ein Moment, bis sich zwei feine Lächeln auf unsere Lippen schlichen. Sie blieben jedoch nicht lange.

„Wie Ihr kurz vor der Schlacht nur so ruhig sein könnt."

Ich erkannte ihre Bewunderung, die in ihrer Stimme mitschwang und quittierte schnell:

„Das war auch nicht immer so."

Stumme Fragen, die in ihren Augen aufleuchteten. Der kühle Wind, der trotz der Zeltplanen seinen Weg auf unsere Haut fand. Eine unangenehme Stille. Mein Räuspern versuchte, sie zu zerstören.

„Ähm, Éowyn? Habt Ihr zufälligerweise noch einen kurzen Verband für mein Handgelenk? Dieser hier ist nun doch schon etwas schmutzig."

Froh, der Stille entfliehen zu können, stand die junge Frau hilfsbereit auf und ging zu ihrem dürftigen Gepäck.

„Natürlich!"

Sie wühlte fahrig in einem kleinen Beutel, bis sie endlich eine kleine Rolle weißen Stoffes gefunden hatte.

„Ist es immer noch eine Wunde, die Ihr Euch in der Schlacht um Helms Klamm zugezogen habt?", fragte sie mitfühlend.

Ich nickte abwesend.

Die letzte ReiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt