K A P I T E L 31

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,,Alessio? Alessio wach auf'', hörte ich eine ruhige, weibliche Stimme und öffnete langsam meine Augen. ,,Was ist los?'', fragte ich und setzte mich wieder ordentlich hin. Letzte Nacht war ich mit Sicherheit eingeschlafen. Ein Blick nach rechts verriet mir, dass Jonas und Luca noch immer bei mir waren. Sie schliefen ebenfalls auf den ungemütlichen Stühlen im Warteraum. ,,Sie ist aufgewacht. Und fragt nach dir'', meinte Leah und sofort stand ich auf. Endlich. Endliche hatte Joana ihre wunderschönen Augen geöffnet. ,,Sie ist noch schwach und sollte sich nicht anstrengen. Also alles mit der Ruhe'', mahnte mich die blonde, junge Ärztin. Ich nickte und folgte ihr zum Zimmer, wo sie mich dann alleine hinein gehen ließ.

,,Joana..'', murmelte ich und ging zu ihr ans Bett. Ich setzte mich an die Kante und nahm ihre kleine Hand in meine. ,,Alessio'', flüsterte sie schwach und sah mich mit müden Augen an. ,,Wie konntest du das nur tun? Wie konntest du dich nur vor mich schmeißen?'', fragte ich sanft und konnte bei dem Gedanken an die letzten Stunden meine Tränen nicht zurückhalten. ,,Ich konnte nicht zulassen, dass..dass der Vater meines Baby's stirbt'', erklärte sie und legte ihre Hand auf meine Wange, wo sie mir die Tränen wegwischte. Ob sie wusste, dass es unser Baby nicht mehr gab? Dass unser Baby..tot war? ,,Hat..Hat Leah es dir nicht erzählt?'', fragte ich vorsichtig und kämpfte gegen die Tränen, die immer wieder drohten aus meinen Augen zu fließen. ,,Was gesagt?'', fragte Joana mich unwissend und zog die Augenbrauen zusammen. ,,Unser Baby..es..der Schuss hat unser Baby getroffen..und..'' Ich stotterte vor mich hin, wusste nicht ganz recht, wie ich ihr diese Nachricht überbringen sollte. ,,Was? Was redest du da, Alessio? Was ist mit meinem Baby?'', fragte sie und wurde von Wort zu Wort immer lauter. ,,Es ist tot, Joana'', flüsterte ich nur vor mich hin, aber sie hörte es. Sie hörte es klar und deutlich und sah mich mit weit aufgerissenen Augen an, die sich mehr und mehr mit Tränen füllten. ,,Mein Baby..'', hauchte sie und ihre Hände wanderten wie automatisch zu ihrem Bauch. Ich konnte sie nicht anschauen, ich konnte diesen Anblick nicht ertragen. Ich konnte sie nicht weinen sehen. Zu viel hatte dieser wundervolle Mensch in letzter Zeit durchmachen müssen. Und ich konnte ihr nicht helfen. ,,Mein Baby..'', wiederholte sie ihre Worte, begann aber diesmal laut zu schluchzen. Mein Gesicht legte ich in meine Hände und begann genau wie sie laut zu weinen. All die Ereignisse der letzten Wochen ließ ich raus und weinte, wie noch nie in meinem Leben zuvor.

,,Wir werden das gemeinsam durchstehen, okay? Wir schaffen das alles zusammen. Ich werde immer für dich da sein. Dich aufbauen. Nicht von deiner Seite weichen'', sprach ich auf sie ein, doch sie reagierte nicht und starrte mit leerem Blick auf die Wand gegenüber. ,,Es tut mir alles so leid'', sprach ich leise aus und sah sie an. Wieder keine Reaktion. Ich hatte sie wahrscheinlich für immer verloren. Was würde ich nur für eine unbeschwerte Zeit und ihr Lachen geben, was ich viel zu lange nicht mehr gehört hatte. ,,Sprich bitte mit mir'', flüsterte ich und nahm ihr Gesicht in meine Hände. Sie schaute mich an, aber es war, als würde sie durch mich schauen. Ihre Augen waren glasig und rot. ,,Ich liebe dich'', flüsterte ich wieder und sah sie hoffnungsvoll an. Doch sie sprach nicht. Sie erwiderte diesen Satz nicht. Und das sorgte dafür, dass alles in mir drin zerbrach wie ein Spiegel, der auf den harten Boden fiel.

-Carlos' Sicht-

Es war bereits eine Woche vergangen, noch immer waren wir in Italien und warteten darauf, dass es Joana wieder gut ging. Zumindest körperlich. Sie redete seitdem sie erfahren hatte, dass ihr ungeborenes Kind gestorben war kein Wort mehr. Sie sah niemanden an, außer die kahle Wand ihr gegenüber.
Wir fuhren gerade vom Krankenhaus in die Villa, in der wir untergebracht waren und Joana ging sofort in eines der leer stehenden Zimmer, wo sie sich ins Bett legte, und nicht mehr raus kam. Wir alle versuchten mit ihr zu reden, doch bei keinem klappte es.
Außer Joana saßen alle im Garten, wir sprachen nicht viel wie sonst. Wir lachten nicht. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, bis plötzlich die Gartentür aufsprang und einige Italiener den großen Garten betraten. Viele von uns zückten ihre Waffen, doch bemerkten schnell die erhobenen Hände der Italiener. Ganz vorne der Anführer Lorenzo und neben ihm sein Sohn Alessio. ,,Wir kommen, um zu sprechen'', rief Lorenzo und sie traten näher zu uns. Auch wir senkten allmählich unsere Waffen und standen uns nun gegenüber. ,,Wir wollen uns bei euch..entschuldigen. Nicht dafür, dass wir Joana entführt haben, nein. Sondern dafür, dass sie eine Kugel getroffen hat und das Kind in ihrem Bauch gestorben ist. Wir wollten niemals, dass so etwas passiert. Auch haben wir Joana kein einziges Mal schlecht behandelt. Sie hatte ihre eigene Wohnung, in der sie Ruhe hatte. Ihr hat es an nichts gefehlt. Ihr solltet wissen, dass wir keine Familie sind, die Frauen schlecht behandelt. Egal aus welcher Familie diese Frauen sind. Ob wir sie hassen, oder nicht. Frauen sind für uns kein Ziel, was wir angreifen müssen. Joana zu entführen hatte nur einen Zweck. Und zwar diesen, euch Angst zu machen'', sprach Lorenzo laut. ,,Jaja, wer's glaubt, ihr habt genug Frauen aus unserer Familie umgebracht!'', schrie Pedro und bekam Zustimmung von unserer Seite. ,,Ach, und das habt ihr nicht?!'', schrie nun ein anderer von den Italienern und die Situation war beinahe dabei zu eskalieren. ,,Stop, stop, bleibt alle ruhig!'', rief Onkel Malik dazwischen und hob seine Hände, um meine Familie dazu zu bringen, die Klappe zu halten. ,,Ich habe keine Ahnung, wovon ihr spricht, aber wir haben keine einzige eurer Frauen angerührt!'', behauptete nun mein Onkel und Lorenzo zog überrascht die Augenbrauen hoch. ,,Und wir haben keine eurer Frauen angerührt, niemals hätten wir solch eine Dreckstat begannen!'', meinte plötzlich Lorenzo und die beiden Mafia-Bosse sahen sich mit weit aufgerissenen Augen und hochgezogenen Augenbrauen an. ,,Was..Was ist mit meinem Sohn? Habt ihr ihn nicht auch umgebracht?'', fragte nun Lorenzo und auch ich zog meine Augenbrauen nun zusammen. Ich war zwar nicht der Mafiaanführer, war aber trotzdem bei diesen Entscheidungen vor Ort und wusste, wen wir töteten und wen nicht. Der Sohn von Lorenzo stand nie auf der Liste. ,,Wann war der Tod deines Sohnes, Lorenzo?'', fragte Onkel Malik nun ruhig. ,,Ein paar Monate her'', antwortete dieser und Onkel Malik hielt sich die Hand vor den Mund. ,,Es werden Menschen umgebracht von denen behauptet wird, dass wir es waren?'', rief er aufgebracht und langsam begannen alle Anwesenden zu verstehen, was hier vor sich ging. Was all die Jahre vor sich ging.
,,Wer? Wer könnte es sein?'', fragte Lorenzo wütend und auch seine Familie hinter ihm wurde unglaublich wütend. Das wurden wir alle. ,,Ich habe keine Ahnung. Aber das werden wir heraus finden!''

Mission IncompleteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt