K A P I T E L 17

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,,Dass dich noch kein anderer Mann angefasst und so angesehen hat, wie ich es tue.''

Schnell drückte er mir fest einen Kuss auf die Stirn, rollte von mir runter und stand auf. ,,Ich muss gehen, Joana'', flüsterte er. Traurig nickte ich, er bemerkte, dass ich enttäuscht war und kam schnell auf mich zu, nur um mir einen weiteren Kuss auf die Lippen zu drücken. Mit einer Bewegung zog er sich sein Shirt über den Kopf und zog es mir an. ,,Ich melde mich, sobald ich kann. Pass auf dich auf'', murmelte er in mein Ohr, lief auf meine Terassentür zu und verschwand wenige Sekunden später in der Dunkelheit.

Pass auf dich auf.

-Jonas' Sicht-

,,Was macht Alessio? Ich rufe ihn ständig an, kann ihn aber nicht erreichen! Seit einer Woche geht das so! Wo treibt sich der Junge rum?'', schrie mein Onkel durch den Besprechungsraum und widmete Luca und mir einen bösen Blick. Er wusste genau, wie unzertrennlich wir drei waren und dass wir stets in Kontakt blieben. Nur diese Woche nicht. Nicht einmal wir konnten unseren Cousin erreichen und langsam begannen wir uns sorgen zu machen.
Gelangweilt zuckte ich mit den Schultern und Alessio's Vater beachtete Luca und mich nicht weiter.

Nach der Besprechung liefen Luca und ich in mein Zimmer und ich ließ mich erschöpft auf das Bett fallen. Wieder versuchte Luca Alessio zu erreichen, doch wie die ganze Woche schon, ohne Erfolg.
,,Ihm ist nichts passiert, ich weiß es. Ich hätte etwas gespürt, wenn ihm etwas zugestoßen wäre. Er drückt sich einfach davor, Kontakt mit uns aufzunehmen, weil er seine Freundin uns nicht ausliefern will!'', behauptete Luca. Langsam nickte ich. Genau das ging mir die ganze Woche auch nicht aus dem Kopf. Alessio ist auf dem Weg sich zu verlieben. In die Tochter unseres größten Feindes. Das wird eine absolute Katastrophe.
Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und tippte eine SMS.

Wir werden deinem Vater nichts erzählen, melde dich!

Nur wenige Sekunden später erhielt ich eine Nachricht.

Ich kann das nicht weiter machen, Jonas. Ich hab die ganze Mission verkackt.

-Alessio's Sicht-

Es war raus. Viel länger hätte ich nicht mit diesem Druck umgehen können. Ich konnte und wollte Joana nicht meinem Vater und der restlichen Familie überlassen.
Dafür war es jetzt schon zu spät. Lange hatte ich versucht diese Gefühle zu unterdrücken, aber letzte Nacht mit Joana hatte mir deutlich gemacht, wie ich wirklich zu ihr stehe, und wie meine Gefühle für sie waren.
Ich hatte es einfach verkackt. Wie konnte es so weit kommen, dass mir mein Feind etwas bedeutete? Dass mir mein Feind in irgendeiner Art und Weise leid tat und ich nicht wollte, dass dieser Person etwas passierte. Nach allem was diese Familie meiner Familie angetan hatte. Erst vor ein paar Woche hatten sie meinen Bruder getötet! Und ich? Ich fing an, etwas für diese Person zu empfinden, obwohl ich von Anfang an nur eins wollte: Schmerz. Den selben Schmerz den meine Familie auch über all die Jahre durchmachen musste.

Schnell wählte ich die Nummer von Jonas und genau so schnell nahm er ab und stellte auf Lautsprecher, damit auch Luca mich hören konnte.

,,Wie geht es dir, Alessio? Wie weit ist es?'', fragte Luca schnell. Ich schüttelte den Kopf, unwissend, dass sie mich nicht sehen konnten. ,,Ich weiß es nicht..'', fügte ich schnell hinzu. ,,Liebst du sie?'', fragte nun Jonas. ,,Nein, so weit ist es glaub ich noch nicht, aber ich will nicht, dass ihr etwas passiert, versteht ihr?''
,,Alessio, so leid es mir auch tut, du musst sie nach Italien bringen, du musst diese Mission durchziehen, du weißt, was ansonsten los sein wird!'', rief Jonas und ich nickte langsam. ,,Ich weiß, aber ich kann das nicht. Ich kann sie nicht weiter anlügen, ich will sie nicht verletzen. Ich will jedem den Kopf abreißen, der sie nur anguckt! Wie soll das gehen? Wie soll ich sie meinem Vater in die Hände geben? Wer weiß, was er mit ihr anstellen wird! Nicht mal ein Haar soll ihr gekrümmt werden!'', schrie ich nun aufgebracht und spürte langsam aber sicher die Tränen, die in meine Augen krochen und versuchten auszubrechen. ,,Alessio, ihr wird hier nichts passieren. Du weißt, dass wir keine Frauen misshandeln, schlagen oder sonst irgendwas. Wir unterscheiden uns von ihnen. Sie haben einige Frauen unserer Familie getötet, aber wir tun sowas nicht! Frauen gehören bei uns nicht unters Messer, oder unter die Erde, und das weißt du!'', behauptete Luca. ,,Ach ja? Wir töten keine Frauen? Wie kannst du dann den Tod ihrer Mutter rechtfertigen? Wir haben ihre Mutter umgebracht, wir handeln genau so schrecklich wie sie es tuen!'', schrie ich meine beiden Cousins an. Noch immer dachten sie, unsere Familie wäre in irgendeiner Art und Weise besser als die anderen. Aber das sind wir nicht. Wir alle handeln gleich. Nur will es keiner wahr haben.
Auf meine Aussage hatten beide keine Antwort, es herrschte plötzlich eine unangenehme Stille. ,,Alessio..i-ich, wir wissen nicht, was zu tun ist, verstehst du? Wir befinden uns zum ersten Mal in so einer Situation, zum ersten Mal ist einer von uns verliebt, Luca und ich kennen solche Gefühle nicht. Deswegen wissen wir auch nicht, wie wir helfen können. Aber wir werden gemeinsam das Problem lösen. Wenn du sie nach Italien bringst, werden wir alles dafür tun, dass sie in unserer Aufsicht bleibt und keiner ihr etwas tun wird. Wenn du sie trotzdem nicht hier hin bringen willst, dann weiß ich nicht weiter, was zu tun ist. Ich will nicht derjenige sein, der deinem Vater diese Situation erklären muss.''

Nach langem hin und her legte ich mit der Begründung ich wäre müde auf. Noch immer wusste ich nicht, was zu tun war. Die Jungs hatten Recht, der einzige Ausweg war, dass ich sie nach Italien brachte. Aber konnte ich mir wirklich sicher sein, dass ihr dort nichts passieren wird?

Schweren Herzens wählte ich die Nummer meines Vaters. Ich musste diese Sache jetzt sofort klären.
Nach ein paar Biep-Tönen, hörte ich meinen Vater. ,,Mein Sohn! Na endlich, ich habe mir Sorgen gemacht! Wo steckst du bloß und wieso gehst du nicht an dein Handy?'' ,,Papa, i-ich..was passiert mit der Tochter von Malik, wenn ich sie nach Italien bringe?'', fragte ich schwer und hielt meinen Atem an. ,,Alessio, was denkst du, wird mit ihr passieren?'', fragte mein Vater nun mich. Ich hatte keine Antwort darauf. War unsere Familie wirklich so gegen die Verletzung von Frauen? Oder war das alles nur gespielt? ,,Ich weiß nicht, Papa. Sag es mir!'' ,,Mein Sohn, bring sie erstmal hier hin, erfüll deine Mission, und dann werden wir weitersehen.'' Ohne meine Antwort abzuwarten legte mein Vater auf. Damit wollte er mir klar und deutlich vermitteln, dass ich nicht mehr wissen sollte und musste. Meine einzige Aufgabe bestand darin, die Tochter unseres größten Feindes nach Italien zu verfrachten. Da hatten Gefühle und Meinungen meinerseits nichts zu suchen.

Mission IncompleteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt