K A P I T E L 29

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-Joana's Sicht-

Mit zitternden Händen wartete ich nun im Wohnzimmer auf die Ärztin, die um 10:00 Uhr hier sein sollte. Zumindest behauptete es Alessio, der mich noch einmal besucht hatte und mir bescheid gegeben hatte, bevor er ging um irgendwelche Mafia Angelegenheiten zu regeln.
Um Punkt 10:00 Uhr klopfte es an der Tür und ich lief hin und öffnete sie langsam. Vor mir stand eine junge, hübsche Frau mit blonden langen Haaren. Sollte das ein Witz sein? Sie passte überhaupt nicht in den Typ Frau in Italien. ,,Guten Morgen, Joana. Darf ich rein kommen?'', fragte sie mich höflich und mit einem echten, freundlichen Lächeln auf den Lippen. Nickend trat ich zur Seite, damit sie eintreten konnte. Sie folgte mir ins Wohnzimmer, wo sie ihren kleinen "Koffer" auf dem Tisch abstellte und ihn öffnete. ,,Alessio sagte mir, dass du dich seit etwa einer Woche übergibst. Hast du noch andere Beschwerden?'', fragte sie mich. ,,Ab und zu mal Kopfschmerzen'', murmelte ich und betrachte die schöne Frau vor mir. Irgendetwas an ihr beeindruckte mich. ,,Hast du eine Frage an mich?'', fragte sie und grinste mich schief an. Ich musste es einfach wissen. ,,Es ist unhöflich zu fragen, aber..sie sehen noch so jung aus'', meinte ich und sie strahlte mich mit ihren schneeweißen Zähnen an. ,,Ich bin 22, Joana. Ich habe mit 20 die Praxis meines Vaters übernommen, als er gestorben ist. Er hat mir damals alles beigebracht'', erläuterte sie und ich nickte schwach. ,,Tut mir leid'', flüsterte ich und sie zuckte mit den Schultern. ,,Schon gut, und jetzt kümmern wir uns um dich.''

-Alessio's Sicht-

Zwei Tage waren nun seit dem Arztbesuch vergangen, die Ärztin und auch Joana sagten mir, dass sie nur eine Virus hatte und es ihr in ein paar Tagen wieder besser gehen sollte. Trotzdem stimmte etwas bei Joana nicht. Sie lag den ganzen Tag nur im Bett, sah immer nur nachdenklich und verzweifelt aus und erschien allgemein einfach nur noch erschöpft. Wenn ich sie fragte, was los war, sagte sie mir immer nur, dass sie müde sei und ignorierte mich dann weiter. Ich versuchte den ganzen Tag bei ihr zu bleiben, sie glücklich zu machen, kochte ihr Suppe, brachte ihr Tee, einige Bücher, die mir Noemi besorgt hatte, aber nichts brachte. Sie lag einfach nur da und hing ihren eigenen Gedanken nach.
,,Wie geht es dir heute?'', fragte ich am nächsten Morgen und sie starrte mich an. ,,Gut'', murmelte sie und vergrub ihr Gesicht unter der Decke. ,,Joana, was ist los mit dir. Bitte sprich'', sagte ich und setzte mich neben sie auf das Bett und nahm ihre Hand in meine. Sie setzte sich auf und sah mich einfach nur an. ,,K-Kannst du mich bitte einfach nur in den Arm nehmen?'', brach sie stotternd raus, ehe ihre Augen sich mit Tränen füllten und ich sie schnell in den Arm an. Sie begann zu weinen und es zerbrach mir das Herz, sie so zu sehen. ,,Psscht, hey alles ist gut. Hör auf zu weinen, bitte'', flüsterte ich ihr beruhigend zu und streichelte ihr über die Haare und Rücken. Sie beruhigte sich wieder etwas und löste sich langsam von mir. Ich nahm ihr wunderschönes Gesicht in meine Hände und strich ihr die Tränen von den Wangen. ,,Es wird alles wieder gut, okay? Vertrau mir bitte einfach'', sagte ich und sie begann zu nicken, was mich sehr wunderte. Hieß dieses Nicken, dass sie mir nun wieder vertraute? Oder war das einfach nur so? Hoffnung bereitete sich in mir aus und dann..

..dann hörte ich Schüsse. Einen, zwei. Und Schreie. Joana riss die Augen auf und ich zog sofort meine Waffe aus dem Hosenbund. ,,Geh sofort ins Bad und sperr dich dort ein, verstanden? Komm erst raus, wenn ich dich hole'', forderte ich schnell auf und drückte ihr eine andere Waffe in die Hand. ,,Du weißt sicher, wie man die benutzt und jetzt geh, schnell!''
Angsterfüllt rannte Joana ins Bad und schloss ab, ich lief aus der Wohnung heraus, die Treppen runter ins Freie und sah eine Horde schwarzbekleideter Männer mit schweren Waffen in den Händen die Straße entlang laufen. Sie waren am Eingang der Villa und hatten sich dort positioniert. ,,Wo ist meine Tochter?'', schrie einer der Männer plötzlich so laut wie es nur möglich war und ich hockte mich sofort hinter einen Busch, damit sie mich nicht entdecken konnten. Plötzlich spielte sich alles wie in Zeitlupe ab, der Großteil der Männer rannten in die Villa, andere in die umgebenden Häuser und andere rannten direkt auf Joana's Wohnung zu. Die Männer, die immer vor Joana Wohnung positioniert waren, zückten ebenfalls ihre Waffen und schossen auf die kommenden Männer. Ich befand mich immer noch hinter dem Busch, verließ jedoch mein Versteck, als ich sah, wer sich zwischen ihnen befand. Carlos. Joana wäre am Boden zerstört, wenn sie ihn umbringen würden. ,,Lasst die Waffen fallen!'', schrie ich und 'meine' Männer hörten sofort auf zu schießen, zielten jedoch trotzdem auf die 6 Männer vor uns. ,,Wo hast du Joana hingebracht, du Hund'', zischte Carlos und sah mich mit hochrotem Kopf an. Er war wütend. Er war mehr als nur wütend. Immer noch waren Schüsse zu hören, die aus der Villa kamen und ich dankte in diesem Moment Gott dafür, dass meine Familie bei einem großen Auftrag in einer anderen Stadt war, bei dem ich normalerweise auch dabei sein sollte. Es waren also nur andere Mitglieder der Mafia hier. ,,Joana geht es gut'', meinte ich nur und versuchte irgendwie, die Situation ein wenig aufzulockern. Auch die Portugiesen zielten mit den Waffen auf uns, Carlos direkt in mein Gesicht. Die Schüsse hörten auf und mehr und mehr Männer kamen in unsere Richtung. Es waren zu viele. Sie werden uns alle umbringen. ,,Ich habe nicht gefragt, wie es ihr geht, ich habe gefragt, wo ihr sie hingebracht habt!'', schrie Carlos nun. Die Männer die immer näher kamen, positionierten sich rechts und links neben Carlos. ,,Erledigt sie, bis auf ihn'', forderte nun ihr Vater, Malik höchstpersönlich und unzählige Schüsse durchbohrten meine Männer neben mir, bevor sie überhaupt reagieren konnten. Da stand ich nun. Alleine. Vor etwa dreißig Portugiesen. Und hoffte auf einen schnellen Tod. ,,Du hast dich also getraut meine Tochter zu entführen, was?'', meinte Malik nun und sah mich an, als könnte er mich mit allein seinen Blicken umbringen. ,,Wer genau bist du?'', fragte er sofort danach und ich sah auf den Boden. ,,Alessio, der Sohn von Lorenzo'', gab ich ehrlich zu. Er begann zu lachen. ,,Der Sohn meines größten Feindes war die ganze Zeit vor meinen Augen, und ich wusste es nicht?'', fragte er ironisch und lachte wieder laut auf. ,,Stattdessen überlasse ich ihm meine Tochter. Meine geliebte Tochter, die du mir lieber sofort überreichen solltest, sonst blas ich dir hier und jetzt dein verdammtes Hirn weg'', schrie Malik auf einmal und zwei seiner Männer traten mir von hinten in die Kniekehlen, sodass ich nun auf den Knien vor ihnen saß.
,,Er hat es nicht verdient, noch eine Sekunde länger zu leben, Bruder'', meinte nun ein noch relativ jung aussehender Mann neben ihm und sah mich ohne jegliche Emotionen an. Sein Blick war einfach nur kalt und ohne Gefühle. ,,Nicht nicht, wir wollen doch noch seine Familie kennenlernen. Ruf deinen Vater an'', forderte Malik und ich nahm mein Handy heraus und wählte die Nummer. Sofort riss mir Malik das Handy aus der Hand und hielt es sich ans Ohr. ,,Lorenzo, mein alter Freund. Ich hoffe dir geht es gut, wir haben hier gerade ziemlich viel Spaß mit deinem Sohn. Wir dachten uns, wir statten euch einen Besuch ab, aber wir hätten uns wohl lieber ankündigen sollen, leider war keiner von euch da.''

Keine zehn Minuten später hielten ein paar Meter entfernt drei schwarze Wagen und meine Familie stieg mit Waffen aus den Autos und kamen uns immer näher. Sie waren zu wenige, um sich mit den Portugiesen anlegen zu können, trotzdem waren sie gekommen und das nur wegen mir. ,,Lasst meinen Sohn frei'', sprach mein Vater mit fester Stimme. Er hatte keine Angst, das spürte und sah man. ,,Wieso denn? Du hast doch auch meine Tochter, nicht wahr?'', fragte Malik und grinste. ,,Weißt du was? Das lustigste ist, dein Sohn wir das ganze hier nicht überleben. Ich hätte ihn schon längst töten können, aber ich wollte es vor deinen Augen tun.'' Malik hob plötzlich seine Waffe und drückte sie mir direkt an die Schläfe. Ich kniff meine Augen zusammen und wartete auf den Schuss, der mein Leben beenden sollte. ,,Stop!'', schrie plötzlich die eine Stimme. Mein Engel. Joana. ,,Joana, meine wunderschöne Tochter. Geh zu deinem Onkel, sofort!'', forderte Malik mit sanfter Stimme auf und zeigte auf den jungen Mann, der gerade schon gesprochen hatte. ,,Vater, bitte. Bitte töte ihn nicht!'', schrie sie und bewegte sich nicht vom Fleck. ,,Wie kannst du sowas von mir verlangen, Joana?! Fabio, nimm sie zu dir.'' Der junge Mann ging auf Joana zu und packte sie am Arm, um sie zur Seite zu ziehen, doch sie wehrte sich mit aller Kraft dagegen. ,,Ich bin schwanger! Ich bin schwanger, und Alessio ist der Vater!''
Was? Joana, s-sie ist schwanger? Von mir?
Mit weit aufgerissenen Augen sah ich Joana an und mir war es in diesem Moment egal, in was für einer Situation ich mich befand, aber ich stand einfach auf und schubste alle Mafiamitglieder zur Seite und rannte auf Joana zu, die das selbe tat und sich in meine Arme fallen ließ. ,,Meinst du das ernst? Soll das ein Witz sein?'', fragte ich sie hektisch und nahm ihr Gesicht in meine Hände. Sie sah mich mit glänzenden Augen an und schüttelte den Kopf. ,,Nein, nein. Es ist die Wahrheit, wir bekommen ein Kind!'' Überwältigt von diesen Gefühlen drückte ich Joana so fest, wie es nur ging an mich. ,,Du hast meine Tochter geschwängert?!'', schrie plötzlich wieder Malik und sah mich so wütend an, wie es für einen Menschen nur möglich wäre. Er hob seine Waffe und zielte direkt auf mich. Bevor irgendwer reagieren konnte, drückte er ab. Ich hörte Joana neben mir nur schreien und schloss meine Augen. Alles wurde schwarz, doch es hörte nicht auf. Bis ich realisierte, dass nichts passiert war. Ich öffnete langsam meine Augen und sah sie am Boden liegen, ihre blutigen Hände auf dem Bauch und ihre Augen geöffnet. Nein. Nein.

Mission IncompleteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt