K A P I T E L 34

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-Alessio's Sicht-

Wir waren in Spanien angekommen und fuhren in die Einfahrt der riesigen Villa, in der meine Familie und die Portugiesen gemeinsam bleiben würden, damit wir alles noch einmal genau planen konnten. Die vielen schwarzen Autos vor der Tür verrieten, dass die Portugiesen bereits angekommen waren und einige von ihnen liefen gleich raus, um uns zu begrüßen.
Ich umarmte, sobald ich ausstieg Carlos, der mich anscheinend schon sehnsüchtig erwartete. Der Gedanke daran, dass Carlos und ich uns damals beinahe umgebracht hatten und uns jetzt schon vermissten, wenn wir getrennt waren, ließ mich schmunzeln. ,,Wie gehts dir, man?'', fragte er mich und schlug mir freundschaftlich auf die Schulter. ,,Gut, den Umständen entsprechend'', murmelte ich und schenkte ihm ein leichtes Lächeln. Zu mehr war ich momentan erstmal nicht fähig. Nicht, weil ich ihn und seine Familie nicht mochte, sondern einfach, weil sie mich einfach viel zu sehr an sie erinnerten. ,,Kommt Männer, dass Essen ist gerade fertig geworden!'', rief Malik von der Tür aus und wir alle stürmten gleich rein, da wir fast vor Hunger starben.

-Carlos' Sicht-

Alles war geplant, heute Nacht sollte es losgehen. Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie freute ich mich auf den Kampf. Vielleicht auch einfach aus dem Grund, dass wir endlich unsere lang ersehnte Rache bekommen konnten.
Ich entschied mich, Leah anzurufen. In den letzten Monaten hatten wir öfter telefoniert, trotzdem wusste ich noch nicht so recht, wo wir beide wirklich standen. Es piepte zwei Mal, bis ich ihre wunderschöne Stimme hörte, die meinen Namen sprach. ,,Stör ich dich?'', fragte ich sie erstmal. ,,Nein, nein auf keinen Fall'', meinte sie nur und ich musste automatisch lächeln, da sie sich bis heute noch immer so schüchtern anhörte, wenn sie sprach. ,,Ich wollte dir nur sagen..wir haben morgen einen Kampf, und..man weiß nie was passiert und wie es kommt'', stammelte ich vor mich hin und hörte, wie sie scharf die Luft einzog. ,,Man Carlos, pass bitte auf dich auf und sei vorsichtig!'' ,,Wieso denn? Wenn ich verletzt werde, könnte ich dich wenigsten besuchen mit der Ausrede, dass du mich behandeln wirst. Du bist doch eine spitzenmäßige Ärztin'', scherzte ich und lachte in den Hörer rein. ,,Mach keine Späße darüber, das ist absolut nicht witzig. Ich möchte nicht, dass dir etwas passiert'', gab sie schüchtern zu und ich wollte zu gern neben ihr sein, um ihre geröteten Wangen sehen zu können. ,,Mir wird nichts passieren. Versprochen. Ich muss jetzt auch schon auflegen'', verabschiedete ich mich so langsam von ihr, obwohl ich hätte zehn weitere Stunden mit ihr sprechen können. ,,Melde dich bitte sofort bei mir, wenn alles zu Ende ist. Bitte.'' ,,Werde ich, mach dir keine Sorgen. Tschüss, Leah.''

Ich legte auf und lief raus in den Garten, wo sich die anderen schon ihre Waffen raussuchten und einsteckten. Es gab alles, was das Herz begehrte, von Waffen bis hin zu Messern. Ich fragte mich, ob die Italiener genau so wie wir übten und vor allem gut mit Messern umgehen konnten. Joana kam mir in den Sinn, die einer der begabtesten von uns war, mit Messern umzugehen und immer ihr Ziel traf. Egal aus welchem Winkel.
Ich trat zu den anderen Jungen und erkannte, dass nur wenige der Italiener sich Messer einsteckten und eher an den Waffen interessiert waren. Ich nahm mir gleich mehrere Messer und zwei Waffen, die ich in meinen Hosenbund steckte. Alessio, der gegenüber von mir stand, steckte sich nur ein einziges Messer und eine Waffe ein, ohne darauf zu achten, wie diese in der Hand lag. ,,So wenig?'', fragte ich ihn grinsend und er zog die Augenbrauen hoch. ,,Mehr brauche ich nicht.''

Die Zeit war gekommen und wir hatten uns zu vier Gruppen aufgeteilt. Zwei der Gruppen nahmen sich die Seiten der Villa vor, die andere den Hintereingang und meine Gruppe den Vordereingang. Onkel Fabio, Alessio, Jonas, Luca und auch Pedro befanden sich in meiner Gruppe und wir versteckten uns zuerst hinter einer kleinen Mauer um das Geschehen zu beobachten. Wie wir schon wussten, standen drei Männer vor dem offenen Tor. Sie trugen große Gewehre in den Händen und "bewachten" das Grundstück. Alle drei standen in einer Reihe und waren somit leichtes Ziel. Zumindest für uns Portugiesen. ,,Ich nehm den Rechten'', flüsterte Onkel Fabio und zückte sein Messer. ,,Pedro nimm den in der Mitte, ich nehm den linken'', forderte ich und wir zückten wie Onkel Fabio unsere Messer und wie aufs Stichwort warfen wir unsere kleinen Messer etwa 30 Meter weit und trafen alle drei genau in die Stirn, sodass alle ohne einen Ton zu verursachen ausgelöscht hatten. ,,Wow'', hörte ich Luca hinter mir murmeln und musste Stolz grinsen.
Vorsichtig liefen wir nun auf den Eingang zu und lauschten zunächst, ob sich jemand näherte. Wir Portugiesen waren es gewohnt erst zu beobachten, bevor wir angriffen, Alessio jedoch gefiel das ganz und gar nicht. ,,Das wird mir zu dumm hier'', zischte er und trat aus unserer sicheren Ecke und ging mit großen und festen Schritten durch das Tor, hob seine Waffe und knallte gleich den Mann vor der Haustür ab. ,,Er ist genau wie ich'', murmelte Onkel Fabio vor sich hin und verließ ebenfalls ohne Vorsicht das Versteck. Jetzt würde sowieso alles eskalieren, da jeder den Schuss von Alessio gehört hatte und nun mehrere Männer auf uns zugerannt kamen, wir sie aber alle ohne Schwierigkeiten erledigten. Wütend trat Alessio die Eingangstür auf und wir trafen im angrenzenden riesigen Flur auf weitere Mitglieder der spanischen Mafia. Sie begannen ebenfalls auf uns zu schießen, trafen aber Gott sei Dank niemanden, da Alessio viel zu schnell einige von ihnen erschossen hatte. Was war nur mit diesem Jungen los?
Alleine lief er die Treppen hoch und während Onkel Fabio und die anderen mit weiteren Gegnern beschäftigt waren, rannte ich Alessio hinterher die Treppen nach oben, wo ich schon einige Schreie hören konnte. Als ich den langen Gang betrat, sah ich, wie Alessio sich in einem Kampf mit zwei Mitgliedern befand, die jedoch keine Waffen mit sich trugen. Alessio boxte sich mit ihnen und ich fragte mich, wieso er sie nicht einfach abknallte. Ich fasste schnell einen Entschluss, zielte auf den einen und schoss direkt in seinen Kopf. Im gleichen Moment schnitt Alessio dem anderen mit den Worten:,,Das ist für meine Familie'' die Kehle durch und sah mich dann an. Seine Augen waren voller Wut und Rache, noch nie in meinem Leben hatte ich diesen Ausdruck in dem Gesicht einer Person gesehen. Man erkannte nichts, außer Hass und während ich über diesen Ausdruck in seinem Gesicht nachdachte, lief er schon in den nächsten Gang und kämpfte sich durch alle anwesenden Mitglieder durch. Und das ganz alleine. Als ich ihm folgte, begegnete ich schon einigen Leichen, die verstreut auf dem Boden lagen und Alessio, der vor der letzten Tür im Gang stand. Sein ganzer Körper war angespannt und auch von der Entfernung konnte ich sehen, dass er zitterte. Ich lief gleich zu ihm, legte ihm eine Hand auf die Schulter und er drehte seinen Kopf zu mir. Noch immer dieser Hass. ,,Ich weiß, du bist wütend, dass sind wir alle. Aber beruhige dich ein wenig'', murmelte ich und er schloss die Augen, während er ein paar Mal durchatmete. Mit nur einer Bewegung trat er die Tür vor ihm ein und ein lauter Knall ertönte, als der Mann hinter der Tür auf Alessio schoss. Alessio taumelte einige Schritte zurück, hielt sich die Schulter für eine Sekunde, bevor er schnell dem Mann in die Beine und in den Arm schoss, in der er die Waffe hielt, bevor dieser Alessio endgültig umlegen konnte. Das musste der Anführer sein, und wir befanden uns mitten in seinem Büro. Ich war noch viel zu geschockt, da ging Alessio schon auf den vor Schmerzen schreienden Mann zu, trat die Waffe aus seiner Hand und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Der Mann flog auf den Boden und hielt sich die Hand vors Gesicht. ,,Ihr werdet sterben! Ihr werdet alle sterben!'', schrie der Mann gequält. Wütend trat Alessio ihm in den Magen und der alte Sack krümmte sich auf dem Boden. Man hörte nichts mehr, außer dem lauten Atmen des Mannes. Die Schüsse und Schreie hatten aufgehört. Von Wut gepackt zog Alessio den Mann an seinen Haaren auf die Knie. Der ganze Boden war voller Blut. ,,Weißt du wer ich bin? Sag schon! Weißt du wer ich bin?'', schrie Alessio ihm ins Gesicht. Ich hörte hinter mir Schritte, die hinter mir verstummten. Das musste meine Familie sein. Oder Alessio's. Und sie alle konnten nicht anders und guckten einfach Alessio zu.
Wieder schrie er den Mann an und fragte, ob dieser ihn kennen würde. Er wollte nicht antworten, so zog Alessio das Messer aus der Tasche und hielt es ihm an die Kehle. ,,Nein! Nein ich weiß nicht, wer du bist!'', schrie der Mann auf einmal voller Angst und Alessio begann zu lachen. ,,Natürlich nicht. Als du meine halbe Familie umgebracht hast, war ich auch noch ein kleines Kind. Und jetzt. Jetzt sieh mich an. Ich bin groß geworden und wir haben dich gefunden! Dachtest du echt, wir würden es niemals erfahren?'' Wieder lachte Alessio laut auf, der Mann vor ihm blickte ihn nur voller Angst an. Sein teurer Anzug von Blut überströmt. ,,Du wirst sterben. Du wirst in die Hölle gehen. Für alle, die du umgebracht hast! Für meine Mutter, meine Tanten, meine Cousine. Für alle anderen Portugiesen, die du umgebracht hast, denn sie sind ebenfalls zu meiner Familie geworden! Diese Feindschaft, die du erschaffen hast, ist vorbei! Du wirst für all diese besonderen Menschen, die du auf dem Gewissen hast sterben!'', brüllte er und stach mit dem Messer in den Bauch des Mannes. ,,Weißt du, für was du noch sterben wirst? Dafür, dass ich meine Frau nicht bekommen konnte, dafür, dass ich sie erst verarschen musste, bevor ich gemerkt habe, dass ich sie liebe. Und das nur wegen dieser scheiß Feindschaft, an der ganz allein du Schuld hast!'' Immer und immer wieder stach Alessio nun auf den Mann ein, Blut verteilte sich überall, die Augen des Mannes weit aufgerissen, er war tot und trotzdem hörte Alessio nicht auf. Seine wütenden Schreie wurden schon bald von bitteren Schluchzern ersetzt und bis sich einer fassen konnte, machte er damit weiter. Jonas war der erste der reagierte.
,,Es reicht, Alessio er ist tot, komm zu dir'', rief er und zog ihn an den Schultern zurück. Alessio ließ den toten Körper des Anführers auf den Boden fallen und vergrub seine blutigen Händen in seinen Haaren. Sofort fiel er Jonas in die Arme und weinte sich die Seele aus dem Leib. Ich war einfach nur geschockt, wir alle waren geschockt von dem Bild, dass wir in den letzten Minuten zu sehen bekommen hatten. Alle standen dort. Alle Italiener. Alle Portugiesen. Und alle konnten nicht fassen, was da gerade bei Alessio passiert war.

Mission IncompleteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt