K A P I T E L 15

2.1K 59 0
                                    

-Joana's Sicht-

Nachdem ich schnell die Einkaufstüten nach Hause gebracht hatte, sprintete ich mit Alessio zusammen zu ihm, bevor meine Cousins auftauchten.
Alessio und ich brauchten jetzt erstmal Zeit für uns und bei ihm Zuhause würde uns keiner stören.

,,Ich gehe schnell duschen, okay? Machs dir gemütlich, fühl dich wie Zuhause'', meinte Alessio. Ich nickte lächelnd. Schnell drückte er mir einen kurzen Kuss auf die Stirn und ging ins Badezimmer. Ich machte es mir auf der Couch gemütlich und betrachtete ein wenig sein Wohnzimmer. Es war modern eingerichtet. Ehrlich gesagt sahen die Möbel ziemlich teuer aus. Alessio war wohl kein armer Mann, was er mir natürlich schon bei unserem Date im edelsten Restaurant der Stadt bewiesen hatte.

Es musste eine gewisse Zeit vergangen sein, als es an der Tür klingelte. Schnell lief ich dort hin und öffnete sie. Sie stand vor mir. Das Mädchen, was letztes Mal an meiner Stelle hier in der Wohnung stand. In seinem Hemd. Ein schlechtes Gefühl bereitete sich in mir aus. ,,Oh hey, du bist doch die von letztens, oder?'', fragte sie fröhlich und grinste mich breit an. Stumm nickte ich und schaute sie so unauffällig wie möglich von oben bis unten an. Sie trug ein schlichtes Sommerkleid, ihre langen braunen Beine glänzten, ihre Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Alles in einem war sie ein wirklich sehr hübsches Mädchen. ,,Ich habe bei meinem letzten Besuch mein Portemonnaie hier vergessen, ich wollte es nur kurz abholen'', erklärte sie und ich trat einen Schritt zur Seite. ,,Alessio ist gerade im Bad, komm doch rein'', meinte ich. Dankend lächelte sie mich an und betrat die Wohnung. Sie fand den Weg ins Wohnzimmer von alleine und setzte sich. Ich mich ihr gegenüber. Es herrschte eine unangenehme Stille, doch in meinem Kopf schwirrte nur eine einzige Frage. ,,E-Ehm, das letzte Mal als du hier warst, a-also, h-habt ihr miteinander..'' ,,Geschlafen?'', beendete Alessio meinen Satz. Ich drehte mich um und er stand wütend hinter mir. Schnell ging er zu einem Schrank, öffnete ihn, zog ein Portemonnaie raus und legte es dem Mädchen in die Hand. ,,Danke'', murmelt sie nur, stand auf und verließ die Wohnung. Auch sie hatte die Wut von Alessio bemerkt und machte sich anscheinend lieber aus dem Staub.

,,Ich dachte, du würdest mir vertrauen'', zischte Alessio und sah plötzlich enttäuscht aus. Enttäuscht von mir. Natürlich vertraute ich ihm! Ich hatte ihm sofort geglaubt, als er sagte, da wäre nichts zwischen den beiden gewesen! Oder nicht? Aber wieso musste ich sie dann noch fragen, wenn ich doch Alessio Glauben schenkte?
,,Ich vertraue dir, Alessio!'' ,,Das hat man ja gesehen'', sagte er ironisch und lachte kurz auf. Kopfschüttelnd drehte er sich um und machte Anstalten zu gehen. Ich folgte ihm und packte ihn an seinem Handgelenk. ,,Glaub mir! Ich vertraue dir, ich weiß selber nicht, wieso ich sie gerade fragen wollte, i-ich bin einfach nur durcheinander, es tut mir leid''. Schuldbewusst blickte ich auf den Boden und spürte, wie mir die Tränen kamen. Ich konnte es noch nie leiden, wenn jemand sauer auf mich war und ich die Schuld trug. Ich fühlte mich dann immer so schlecht und traurig, dass ich augenblicklich anfing zu weinen.
Krampfhaft versuchte ich die Tränen zu unterdrücken, jedoch gelang es mir nicht und eine Träne nach der anderen lief meine Wange herunter und fiel auf den Boden. ,,J-Joana..weinst du etwa?'', fragte Alessio plötzlich und hob mein Kinn mit seinen Fingern an. Ein Grinsen bereitete sich auf seinen Lippen aus und er wischte mir das Salzwasser von den Wangen. ,,Es tut mir leid'', flüsterte ich und sah ihm in die Augen. Er lachte leise und zog mich in seine starken muskulösen Arme. ,,Ist doch okay, ich verzeihe dir'', murmelte er und streichelte meinem Rücken.

Alessio und ich waren wohl eingeschlafen als ein dauerhaftes Klingeln und Hämmern auf die Tür uns beide weckte. Schnell lief ich zur Tür und öffnete sie verschlafen. ,,Was tust du hier?!'', schrie Carlos mich plötzlich an. Stirnrunzelnd sah ich ihn an. Er packte mich am Arm und versuchte, mich aus der Wohnung zu zerren, jedoch riss ich mich schnell von ihm los und ging einige Schritte zurück. ,,Gibts hier ein Problem?'', hörte ich plötzlich Alessio hinter mir fragen. Er trat neben mich und schob mich vorsichtig hinter seinen Rücken. ,,Ja, es gibt ein Problem. Joana sollte das Haus nicht ohne Begleitung verlassen, und vorallem sollte sie das Haus nicht verlassen, um zu dir zu gehen!'', zischte Carlos wütend und zeigte mit dem Finger auf Alessio. Alessio ging einige Schritte nach vorne und stand nun dicht vor Carlos. ,,Ich denke sie ist alt genug, um zu entscheiden, zu wem sie geht'', meinte Alessio. Seine Stimme klang im Gegensatz zu Carlos' Stimme ruhig. ,,Hör zu, Alessio, oder wie du dich auch nennst. Wir haben keine Ahnung, wer du bist oder wo du herkommst, aber dass du eine Waffe bei dir trägst zeigt offensichtlich, dass du kein lieber, unschuldiger Junge bist. Und so jemandem wie dir, geben wir Joana ganz sicher nicht'', sagte Carlos, darauf bedacht seine Fassung nicht zu verlieren. Man sah ihm an, wie schwer es für ihn war, Alessio nicht gleich abzuknallen. ,,Ich bin keine Bedrohung für Joana. Sie ist meine Freundin, ich kann auf sie aufpassen und sie beschützen. Vor allem, wovor ihr so Angst habt.'' Warte! Was? Hatte er mich gerade seine Freundin genannt? Ich spürte wie rot ich wurde und starrte auf den Boden. ,,Joana, komm zu mir'', murmelte Carlos plötzlich. Mein Kopf schoss hoch. Er und auch Alessio sahen mich an. Carlos Blick war auffordernd. Den Blick von Alessio konnte ich nicht deuten. Vielleicht ein wenig flehend? ,,W-Warum?'', fragte ich stotternd und bewegte mich kein Stück nach vorne. ,,Warum? Ich will nicht, dass du dich mit ihm triffst, so einfach, und jetzt komm'', zwang er mich. Ich riss meine Augen auf und sah ihn geschockt an. Ich sollte Alessio nicht mehr treffen? Carlos schubste Alessio zur Seite und kam auf mich zu. Er packte mich fest am Handgelenk und zog mich hinter sich her. ,,Hey!'' Alessio's Hand umfasste Carlos' Arm und hielt ihn fest. ,,Du kannst nicht darüber entscheiden, wen sie treffen wird, und wen nicht'', zischte Alessio. Er wurde wütend. Sehr wütend. Das hieß nichts Gutes. ,,Lass mich gehen, Alessio. Bitte'', flüsterte ich und sah ihm in die Augen. Gequält blickte er mich an und ließ langsam seine Hand sinken. Carlos schleifte mich weiter nach draußen. Ich drehte mich noch einmal zu Alessio, der in der Tür stand und formte ein ,,Wir sehen uns'' mit meinem Mund.

Erst in meinem Zimmer angekommen, ließ Carlos mein Handgelenk fest. Immer noch schockiert setzte ich mich auf mein Bett. ,,Geh'', flüsterte ich und starrte auf den Boden. ,,Joana, ich..'' Weiter ließ ich ihn nicht reden. ,,GEH!'', brüllte ich und sah ihn vernichtend an. Ohne ein weiteres Wort verließ er mein Zimmer und schloss die Tür hinter sich leise. Im selben Moment liefen die Tränen wie ein Wasserfall meine Wangen herunter. Eine absolute Wut überkam mich.Ich stand auf und schleuderte alles durch den Raum, was ich nur so in die Hand bekam. Als ich mich im Spiegel ansah, hasste ich mich selber. Ich hasste mich dafür, so eine Familie zu haben, die so unglaublich gefährlich ist. Mit meiner Faust schlug ich mitten in den Spiegel. Er zerbrach in tausend Stücke und Splitter bohrten sich in meine Hand.
Ich nahm nichts mehr um mich herum wahr. Starke Hände drückten mich an meinen Schultern ins Bett. Ich versuchte mich zu befreien, jedoch funktionierte nichts. Meine Sicht war verschwommen und ich hörte auf mich zu wehren. Wieso musste ich so ein Leid durchmachen? Wieso konnte ich nicht wie ein normales, junges Mädchen einfach nur den Jungen den ich liebte besuchen, mit ihm Zeit verbringen und das Haus verlassen, ohne dass mich jemand verfolgte? Wieso war all das nicht möglich? Stattdessen war ich zu jeder Uhrzeit einer Gefahr ausgesetzt. Wie sollte ich mein ganzes Leben so verbringen? Das war doch kein Leben!

Langsam nahm ich wieder Dinge wahr. Es war beruhigend still im Zimmer. Ich lag in meinem Bett und spürte, wie man an meiner verletzten Hand 'arbeitete'.
Langsam blickte ich auf und sah den Jungen an, der mich verarztete. ,,Na, Kleine'', meinte er lächelnd. ,,Bist du nicht der, der mich aus den Flammen gerettet hat?'', fragte ich und wurde ein wenig rot. ,,Ja, der bin ich. Man nennt mich auch Fabio. Deinen Onkel'', sagte er. Meinen Mund formte ich zu einem O, meine Augen waren weit aufgerissen. ,,O-Onkel?'', fragte ich nur stotternd. Er nickte. Er sah noch so..jung aus. Wie konnte er mein Onkel sein? ,,Ja, wir konnten uns bisher noch nicht kennenlernen, Joana.'' ,,W-Wieso habe ich noch nie etwas von dir gehört?'', fragte ich erstaunt und sah ihn interessiert an. ,,Ich halte mich gerne im Hintergrund'', murmelte er und verband meine Hand. Stumm nickte ich. ,,Du bist ganz schön ausgerastet'', sagte er und sah mich traurig an. Wieder nickte ich stumm. ,,Tut mir leid, dass ich dir solche Umstände gemacht habe'', murmelte ich. ,,Ach, kein Problem, ich kann dich verstehen. Bei mir wars damals genauso..'' Den letzten Teil flüsterte er nur und schien mit seinen Gedanken abgeschweift zu sein. ,,E-Ehm..willst du mir vielleicht davon erzählen?'', fragte ich etwas schüchtern. Auch wenn es sich dumm anhörte, es war gut zu wissen, dass ich anscheinend nicht die einzige Person war, die die Person, die man liebte nicht sehen konnte. ,,Vielleicht ein anderes Mal, Kleine. Du solltest dich etwas ausruhen.'' Er gab mir einen kurzen Kuss auf die Stirn und deckte mich ordentlich zu. Sofort fiel ich in eine Traumwelt, in der ich ihn sehen durfte. Meinen Alessio.

Mission IncompleteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt