K A P I T E L 26

1.8K 52 0
                                    

Langsam öffnete ich meine Augen und fand mich nicht wie gewohnt in dem großen Bett wieder. Ich lag auf einer Decke und sah vor mir das Meer, die Sonne ging gerade auf. Ein Blick zur Seite verriet mir, dass Alessio noch immer neben mir war. Die Augen geschlossen. Gleichmäßig atmen. Er schlief noch tief und fest. Er schlief. Sofort schwirrten mir die verschiedensten Gedanken durch den Kopf und mein Herz begann hart gegen mein Brustkorb zu hämmern. Das war meine Chance. Ich blickte mich um, es war keiner zu sehen und mein Blick blieb an dem Handy, was leicht aus Alessio's Hosentasche gerutscht war hängen. Ich packte meinen Mut zusammen und zog es ihm ganz langsam weiter aus seiner Hosentasche. Ich hatte Angst, dass er durch das Zittern meiner Hände aufwachen würde, aber als ich das Handy nun in der Hand hielt, schlief er noch immer.
Triumphierend stand ich vorsichtig auf und ging so leise wie es möglich war durch den Sand und entfernte mich von ihm.
Meine Hände begannen zu schwitzen, als ich sein Handy entsperrte und mir ein Stein vom Herzen fiel, dass er keinen Code hatte. Wen könnte ich anrufen? Ich kannte keine Nummern auswendig. Obwohl? Sofort fiel mir die Nummer meiner besten Freundin Giulia ein und ich tippte sie mit zitternden Fingern ein und hielt mir das Handy ans Ohr. Bitte nimm ab! Bitte nimm ab! Bitte! ,,Wer ist da?'', ertönte endlich nach gefühlten Jahren ihre Stimme. ,,Joana, ich bins Joana'', sagte ich aufgeregt und drehte mich zu Alessio, um mich zu vergewissern, dass er noch immer schläft. ,,Oh hey, wie läuft der Urlaub, süße?'', fragte sie mich nun fröhlich und ich konnte mir schon bildlich vorstellen, dass sie frech grinste und mit den Augenbrauen wackelte. ,,Giulia, hör mir jetzt genau zu! Du musst zu meinem Vater. Ich wurde entführt. Die Mafia in Italien hat mich und sie werden mich auch nicht gehen lassen! Du musst sofort zu meinem Vater und ihm das erzählen, hörst du?'', schrie ich fast schon ins Handy und fuhr mir verzweifelt durch die Haare. ,,W-Was? Entführt?! Oh mein Gott, Joana. W-Wie geht es dir? Haben sie dir was angetan?'', rief sie aufgebracht und ich schüttelte den Kopf. ,,Mir gehts gut, sie tun mir hier nichts. Erzähl das alles meinem Vater. So schnell wie möglich. Ich muss auflegen'', sagte ich schnell und die Tränen schlichen sich in meine Augen. ,,Oh Gott, ja tschüss'', hauchte sie nur noch ins Telefon und ich wusste sofort, dass sie weinte. Schweren Herzens legte ich auf und löschte den Verlauf, damit Alessio bloß nichts mitbekam. Schnell lief ich wieder zu ihm und legte das Handy dicht neben seinen Körper auf die Decke, damit es so aussah, als wäre es einfach aus seiner Tasche gerutscht. Vorsichtig setzte ich mich und blickte auf das Meer hinaus. Ich könnte auch einfach wegrennen, abhauen. Aber wohin sollte ich gehen? Ich hatte weder Geld, noch ein Handy. Die Polizei stand sowieso unter der Gewalt der Mafia. Es wäre alles zwecklos. Ich wenigen Stunden, vielleicht Minuten wird Giulia meinem Vater die Nachricht überbringen, und es wird Chaos herrschen. Sowohl dort, als auch hier. Und schon bald werden sich die Familien gegenüber stehen. Und das jagte mir jetzt schon eine unheimliche Angst ein.

In meinen Gedanken versunken, merkte ich gar nicht, dass sich Alessio neben mir aufgesetzt hatte, bis er seine Hand auf meine Schulter legte und ich zusammen zuckte. ,,Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken'', meinte er und ich nickte. ,,Schon gut'', murmelte ich, nahm meinen Blick nicht von dem wunderschönen blau des Wassers. ,,Bist du schon lange wach?'', fragte Alessio mich und ich zuckte mit den Schultern. ,,Eine halbe Stunde vielleicht'', gab ich wieder leise und undeutlich von mir, aber er verstand mich. Irgendwie kam plötzlich in mir ein Schuldgefühl auf, weil ich Giulia angerufen hatte, hinter Alessio's Rücken. Aber war das nicht mein Recht? ,,Kannst du mich bitte anschauen?'', fragte er und ich drehte langsam meinen Kopf zu ihm. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, trotzdem sah man in seinen Augen noch immer Traurigkeit und Schmerz. ,,Was hälts du von einer Dusche?'' Verwirrt runzelte ich die Stirn und sah erst dann, wie viel Sand auf Alessio's Gesicht und seinen Armen klebte. Er hob seine Hand und strich mir langsam über meine Wange, die, wie ich spürte, ebenfalls mit Sand besetzt war. ,,Na komm'', sagte er und packte mich an der Hand, um mich hochzuziehen. Er rannte auf das Meer zu und zog mich mit sich. ,,Alessio, ich will nicht ins Wasser'', schrie ich ihm nach. Das war eine Lüge, ich wollte unbedingt in das klare Wasser tauchen, aber war es richtig, mit ihm zusammen rein zu gehen?
,,Du willst, ich seh es in deinen Augen, komm schon'', rief er und grinste mich frech an. Er kannte mich einfach zu gut. Ein leichtes Lächeln bildete sich auf meinen Lippen und ich schaltete meinen Verstand aus. Am Wasser angekommen, zog sich Alessio sein Shirt über den Kopf, ich ließ jedoch meine Klamotten an und er zog mich ins Wasser. ,,Oh Gott ist das kalt'', schrie ich und wollte wieder raus rennen, stattdessen packte mich Alessio am Arm und zog mich zurück. ,,Schön hier geblieben'', rief er und hob mich im hoch. An seinem Grinsen konnte ich erkennen, was er vor hatte und strampelte mit meinen Armen und Beinen, damit er mich wieder loslassen sollte. Lachend hielt er mich fest und ging immer tiefer ins Wasser rein. Auch ich konnte mich nicht mehr zurückhalten und begann laut loszulachen. Als es immer tiefer wurde, klammerte ich mich an seinem Hals fest, damit er mich nicht loslassen und fallen lassen konnte. Aber das hatte er anscheinend auch nicht vor. Mit mir zusammen tauchte er unter, bis sich unsere Köpfe unter dem Wasser befanden. Als wir wieder auftauchten, zitterte mein ganzer Körper und Alessio grinste mich frech an. ,,Komm her'', meinte er und öffnete seine Arme, in die ich mich fallen ließ. Sanft streichelte er im Wasser meinen Rücken rauf und runter, um mich zu wärmen und tatsächlich begann mein Körper zu brennen, was jedoch einfach nur an Alessio's Berührungen und der Nähe zu ihm lag. Mit geröteten Wangen blickte ich nach oben und er sah mich ebenfalls an. Ganz langsam senkte er seinen Kopf und kam mir immer näher.

Mission IncompleteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt