-Joana's Sicht-
,,Bist du bereit?'', fragte mich Alessio am Nachmittag, als wir vor der verschlossenen Haustür standen, die uns nach draußen führen sollte. Mein Herz klopfte wie wild, ich hatte ehrlich gesagt Angst hinaus zu treten, ich wusste, dass vor der Haustür Mitglieder der Mafia standen, die mich tagtäglich bewachten, damit ich auch bloß nicht abhaute. Ich wusste nicht, was mich erwarten würde, wie andere auf mich reagieren würden, trotzdem nickte ich leicht. Ich wollte endlich nach draußen, ich wollte aus dieser Wohnung raus in der ich mich so eingesperrt fühlte. Naja, ich war ja auch eingesperrt. ,,Okay, dann mal los'', Alessio öffnete die Haustür und trat hinaus. Ich ging ihm hinterher und war erleichtert, als keiner dort stand. Wir gingen im Treppenhaus die Treppen bis nach unten und dann passierte es. Gefühlte tausend Augenpaare sahen mich wütend an. In einigen Blicken sah ich Gleichgültigkeit, in anderen Hass. ,,Hört auf sie so anzustarren'', zischte Alessio vor mir und baute sich vor den anderen auf. Natürlich blickten nun alle auf den Boden und trauten sich nicht, ihre Blicke zu heben. Immerhin sprachen sie hier mit Alessio, dem Sohn des Anführers. Ein kleines wenig Erleichterung machte sich in mir bemerkbar, trotzdem klopfte mein Herz wie wild. Alessio drehte sich leicht lächelnd zu mir und musterte mich, als wollte er sicher gehen, ob es mir gut ging.
Als er sich wieder nach vorne drehte und weiter lief, ging ich ihm wieder hinterher, bis wir an einem schwarzen, teuer aussehenden Auto angekommen waren. Er öffnete die Beifahrertür und ich setzte mich hinein. Als auch er neben mir Platz genommen hatte und gerade losfuhr, sprang plötzlich ein Mädchen vor das Auto und Alessio konnte gerade noch stark bremsen, bevor dieses unter dem Auto lag. ,,Verdammt!'', zischte Alessio und haute leicht auf das Lenkrad. Das Mädchen kam auf die Seite von Alessio und er kurbelte genervt das Fenster herunter, durch das sie mich jetzt anblickte. ,,Alessio, du kannst sie doch nicht einfach aus dem Haus führen, ohne mir Bescheid zu geben!'', meinte sie ein wenig aufgebracht und fuhr sich durch ihre wilden kurzen Locken. ,,Tut mir leid, Cousinchen, aber du verstehst es einfach nicht'', begann Alessio zu meckern und ich verstand nur noch Bahnhof. ,,Das stimmt, ich verstehe ganz und gar nicht, wie du sie mir nicht einfach vorstellen kannst!'', sagte das Mädchen nun etwas lauter und grinste mich nun frech an. Unsicher lächelte ich zurück. ,,Das hat noch seine Zeit. Apropo Zeit, wir müssen los, tschüüüüss.'' Provozierend grinste Alessio und kurbelte das Fenster wieder zu, obwohl das Mädchen noch widersprechen wollte und fuhr einfach los. ,,Sie bringt mich noch um den Verstand'', murmelte Alessio vor sich hin und sagte es eher zu sich selber, als zu mir. Ich musste schmunzeln und blickte aus dem Fenster heraus. Erst jetzt traf mich die Erkenntnis, dass ich tatsächlich wieder draußen war, an der frischen Luft und bemerkte, wie sehr ich es vermisst hatte, die Sonne auf meiner Haut zu spüren. Seufzend schloss ich die Augen und genoss die Sonne, die hell auf mein Gesicht strahlte.Ich spürte, wie das Auto zum stehen kam und Alessio ausstieg, bevor er zu mir an die Tür kam und sie mir öffnete. Ich stieg ebenfalls aus und betrachtete ihn, wie er eine Picknick Decke und einen Korb aus dem Kofferraum heraus holte. Als er wieder auf mich zukam, grinste er etwas und sah mich an. ,,Ich dachte, wir könnten vielleicht ein bisschen die Aussicht genießen. Und da darf natürlich nichts an Essen fehlen'', erklärte er und deutete an mir vorbei. Ich drehte mich um und sah erst jetzt das Meer, das schöne Blau des Wassers, welches durch die Sonne schimmerte. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen und ich spürte Alessio nun neben mir. ,,Na komm'', flüsterte er und ging voran. Ich ging ihm still schweigend hinterher, bis wir kurz vor dem Wasser angekommen waren und er die Decke ausbreitete, auf die wir uns dann nebeneinander setzten. Er stellte den Korb vor uns ab und machte vorerst keine Anstalten, etwas heraus zu holen. ,,Ich hoffe es gefällt dir und ich kann dich wenigstens ein bisschen glücklich machen'', sagte er ruhig und ich drehte meinen Kopf zu ihm. Mit müden Augen sah er mich an und ich schenkte ihm ein kitzekleines Lächeln. ,,Danke, es ist wirklich schön hier'', flüsterte ich, sogar ein wenig schüchtern und drehte meinen Kopf wieder Richtung Meer. Es war wirklich wunderschön, das Wasser, der Himmel, die Sonne die auf uns schien. Nur wenige Leute waren am Strand, was wahrscheinlich an der Uhrzeit lag, es war schon später Nachmittag und ich genoß in diesem Moment einfach nur das Rauschen des Wassers und die Ruhe. Alessio bemerkte, dass ich einen Moment für mich brauchte und er sagte nichts, ließ mich aber trotzdem keine Sekunde aus den Augen. Ich spürte seine Blicke auf mir und nur zu gern würde ich mich in diesem Moment in seine Arme schmiegen und diesen Augenblick mit ihm zusammen genießen, alles andere erstmal vergessen.
Meine Augen öffneten sich wieder und ich drehte erneut meinen Kopf zu ihm, nur um Alessio in die Augen zu sehen. ,,Erzähl mir was von Italien. Von deiner Familie'', forderte ich und Alessio zog überrascht die Augenbrauen hoch. Damit hatte er wohl nicht gerechnet, aber ich wollte die Menschen, mit denen ich wahrscheinlich den Rest meines Lebens zu kämpfen hatte, einfach mal kennenlernen. ,,Nun ja, also du weißt bereits, dass mein Vater der Anführer ist. Meine Mutter ist vor Jahren gestorben. Mein großer Bruder..'' Er schluckte kurz und erzählte dann weiter. ,,Mein großer Bruder Manuel ist verheiratet mit Mia und sie haben zusammen die kleine Lina. Wie du auch weißt, ist mein Bruder vor einigen Wochen gestorben.'' Ich konnte mich nur zu gut an diesen Tag erinnern, als Alessio begann vor mir zu weinen. Er war so verzweifelt. Aber wie war das überhaupt passiert? Wie ist sein Bruder gestorben? ,,Warum ist er gestorben?'', fragte ich Alessio, als er nachdenklich in den Sand sah. ,,Er wurde ermordet'', flüsterte er und mein Herz zog sich zusammen. ,,Von wem?'', fragte ich nun genau so leise und hoffte einfach, nicht genau diese Antwort zu bekommen, vor der ich mich so fürchtete. Alessio sah mich einfach nur gequält an und ich wusste sofort, wer seinen Bruder umgebracht haben muss. ,,Es tut mir so verdammt leid'', stotterte ich vor mich hin und bemerkte, wie mir die Tränen in die Augen schossen. Meine Familie war dafür verantwortlich gewesen, dass seine Mutter gestorben war und jetzt auch noch sein Bruder? Wie schrecklich war das ganze nur! ,,Du kannst nichts dafür, ich habe mich schon daran gewohnt, dass er nicht mehr bei uns ist, aber Mia geht es da ganz anders. Sie ist nicht mehr die lebenslustige Frau, die sie einmal war und die kleine Lina fragt auch schon täglich, wo denn ihr Vater ist'', erzählte er und eine Träne lief mir die Wange herunter, die ich mir sofort wegwischte, damit Alessio nicht sah, dass ich weinte. ,,Wie dem auch sei, mein Vater hat noch einen Bruder, beziehungsweise hatte einen Bruder, Matteo. Er war mit Viola verheiratet und zusammen haben sie Luca und seinen älteren Bruder Marco auf die Welt gebracht. Leider wurde auch Onkel Matteo umgebracht'', er wurde zum Ende des letzten Satzes immer leiser und ein Schauer lief mir über den Rücken. Noch ein Mord, an dem meine Familie Schuld hatte. ,,Dann gibt es da noch den anderen Bruder meines Vaters, Antonio. Er ist mit Sofia verheiratet und die beiden sind die Eltern von Jonas. Jonas hatte noch eine Schwester, Emma, aber auch sie wurde umgebracht. Dann gibt es da noch Noemi, die andere Schwester von Jonas. Noemi ist das Mädchen von vorhin am Auto'', erzählte Alessio weiter und bei dem Gedanken an einen weiteren Mord, brach ich beinahe erneut in Tränen aus, die ich jedoch bei dem Gedanken an Noemi verdrängen konnte. ,,Zuletzt ist da noch Rebecca, die Schwester von Sofia, also der Mutter von Jonas. Rebecca ist eigentlich die Tante von Jonas, nur ist sie jünger als er, weshalb wir ihn jedes Mal damit aufziehen'', erklärte er nun lachend und auch ich musste breit grinsen. ,,Das sind eigentlich so alle der engsten Familienmitglieder und natürlich somit auch die engsten Mafiamitglieder'', beendete er seine Erzählung und ich nickte. Es gab einige Todesfälle, in Alessios Familie, an denen meine Familie Schuld hatte und ich kam von diesem schrecklichen Gedanken einfach nicht los. ,,Hey, mach dir keinen Kopf darum, okay? Du kannst rein gar nichts dafür'', meinte Alessio nun. Er wusste sofort, woran ich dachte und er legte sanft seine Hand auf meine Schulter, die er nur ganz leicht mit seinem Daumen streichelte. Diese kleinen Berührungen sorgten schon dafür, dass ich mich etwas entspannte und lockerer wurde.Laut grummelte mein Magen und Alessio's Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen. ,,Da hat jemand hunger'', meinte er lachend und nahm langsam alles aus dem Korb heraus und legte es auf die Decke. Er hatte an alles gedacht. Es gab unmengen von Früchten, Sandviches, Süßigkeiten und Getränken, die er auf der Decke ausbreitete und mich frech angrinste. ,,Bedien dich'', sagte er und deutete auf das Essen. Ohne groß zu überlegen nahm ich mir eines von den Sandviches und begann zu essen. Alessio tat es mir gleich. Ich aß und aß, hörte gar nicht mehr auf und hatte plötzlich riesen Hunger auf Süßigkeiten und stopfte mich deshalb voll. Mir war in dem Moment egal, dass Alessio neben mir saß und wie es in diesem Moment zwischen uns stand. Ich wollte einfach nur noch essen. Es folgte die Früchte und als so gut wie nichts mehr von dem Essen übrig war, wurde ich satt und legte eine Hand auf meinen Bauch. ,,Wow, so viel hast du glaub ich noch nie gegessen'', behauptete Alessio amüsiert und betrachtete mich glücklich. ,,Ich hatte einfach so einen Apettit, ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist, tut mir leid'', murmelte ich schüchtern und hörte ihn wieder neben mir lachen, was mich rot werden ließ. ,,Du brauchst dich dafür nicht zu entschuldigen, mich freut es, dass du so viel gegessen hast, ich hatte schon Angst du würdest aufhören zu essen'', meinte er nur, worauf ich jedoch nichts erwiderte. Alessio packte die Sachen wieder in den Korb und ich merkte, wie er ein wenig näher zu mir rückte und seine Hand hinter meinem Rücken auf dem Boden abstützte. ,,Die Sonne wird gleich untergehen. Möchtest du das noch sehen?'', fragte er mich und ich nickte schnell. Ich liebte Sonnenuntergänge, und am Meer waren sie umso schöner. Wir schwiegen erneut und ich betrachtete den Himmel, der sich langsam orange, rot und lila färbte und die Sonne, die immer weiter vor uns zu Boden ging. ,,Du weißt, dass ich dich liebe, oder?'', hörte ich Alessio plötzlich leise neben mir fragen und ich drehte schnell den Kopf zu ihm. Er sah mich traurig an und ich konnte auf seine Frage nichts antworten. Ich wusste nicht mehr, ob ich ihm glauben konnte, dass er mich liebte. Ich wusste nicht, ob ich ihm überhaupt irgendeines seiner Worte glauben konnte. ,,Joana, du bist das schönste und natürlichste Mädchen, was ich jemals getroffen habe. Ich weiß, es war ein dummer Fehler, dich hier her zu bringen, aber ich habe einfach keinen anderen Ausweg gefunden. Es sollte alles ganz anders kommen. Ich weiß nicht, wie ich dir beweisen kann, dass ich dich wirklich liebe, dass alles, was zwischen uns echt war und keine Lüge. Aber ich werde darum kämpfen. So lange bis du mich eines Tages wieder lieben kannst.'' Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus. Wovon sprach er überhaupt da? Glaubte er allen ernstes, ich würde ihn nicht mehr lieben? Als würde ich jemals aufhören können ihn zu lieben! Egal, was er anstellte, ich würde ihn wahrscheinlich immer lieben. ,,Bitte verzeih mir diesen dummen Fehler. Ich bereue das alles so'', flüsterte er und legte sanft eine Hand auf meine Wange. Wir sahen uns stillschweigend an und er begann mit seinem Daumen über meine Wange zu fahren, über meine Lippen. Sein Blick glitt zu meinen Lippen und auch ich konnte mich nicht ganz beherrschen und starrte nun seine wunderschönen, vollen Lippen an, die sich so weich auf meinen angefühlt haben. Unser Atem wurde allmählich schneller und er kam mir mit seinem Gesicht immer näher und an alles was ich denken konnte war, wie gerne ich seine Lippen ein letztes Mal auf meinen spüren wollte. Zentimeter trennten unsere Lippen voneinander und plötzlich traf mich die Erkenntnis wie ein Blitz. Ich konnte ihn nicht küssen. Nicht nachdem, was er mir angetan hatte. ,,Alessio.'', flüsterte ich nur ganz leise und sah, wie er leicht nickte. ,,Ich weiß'', sagte er nur genau so leise und legte seine Stirn gegen meine. ,,Du gehörst ganz allein mir, das verspreche ich dir'', murmelte er und drückte mir einen festen und beschützerischen Kuss auf die Stirn, bevor er sich wieder von mir löste.
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Mission Incomplete
Romance,,Was ist hier los, Alessio?'', fragte sie mich so leise, dass nur ich es hören konnte. ,,Dein Vater hat dir sicherlich von euren Feinden erzählt? Der Mafia aus Italien?'' Schwach nickte sie und ich schaute auf den Boden. ,,Ich bin Teil von dieser M...