K A P I T E L 38

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Spät am Abend gingen die älteren Herren bereits schlafen, darunter auch mein Vater und meine Onkel, bis auf Fabio. Die jüngere Generation, meine Cousins, Cousinen und auch die Familie Alessio's saßen an dem langen Tisch und hatten alle eine Flasche Bier vor sich stehen. Während alle über alte Zeiten sprachen und von irgendwelchen Ereignissen erzählen, hörte ich aufmerksam zu und lächelte ab und zu mal über witzige Bemerkungen. Nur konnte ich den Moment nicht wirklich genießen, weil genau diese bestimmte Person gegenüber von mir Platz genommen hatte und nur der Tisch uns voneinander trennte. Ich versuchte nicht zu ihm zu schauen, was mir auch gelang, nur konnte ich nicht verhindern, dass ich automatisch stiller war, als sonst. Ivan neben mir legte plötzlich seinen Arm um meine Schulter und zog mich noch näher an sich heran. Und dann spürte ich es. Ich spürte Alessio's durchdringenden Blick auf meinem Gesicht, den er bis zu diesem Zeitpunkt auch verhindern konnte. Nur brachte ihn Ivans Geste dazu, mich nun anzustarren und plötzlich zweifelte ich daran, ob er wirklich wusste, dass Ivan und ich ein Paar waren. ,,Ist alles ok?'', fragte mich Ivan dann von der Seite, darauf bedacht, dass niemand anderes seine Frage hören konnte, indem er mir ins Ohr flüsterte. Ich bekam eine Gänsehaut am gesamten Körper und nickte nur, um seine Frage zu beantworten. Langsam wendete Alessio seinen Blick wieder ab und trank energisch aus seiner Flasche und schluckte die Flüssigkeit schnell runter, bis kein Tropfen mehr übrig war. Ich runzelte meine Stirn und starrte auf die Tischplatte vor ihm. Zu gern wollte ich wissen, was in diesem Moment in seinem Kopf vorging. Das würde ich aber wahrscheinlich niemals erfahren. ,,Ich gehe langsam schlafen, Babe, ich bin kaputt vom Flug. Kommst du mit?'', fragte mich nun Ivan, lauter, sodass es jeder am Tisch hören konnte und stand auf. Sofort wurde es still um uns herum. Einige schauten zu mir. Viele andere auf Alessio. Ein kurzer Blick auf Alessio verriet mir, dass er damit kämpfte, mich nicht anzusehen. Trotzdem hatte er seine Muskeln angespannt und die Augenbrauen nachdenklich zusammem gezogen. ,,N-Nein, ich bleibe noch ein wenig'', stotterte ich vor mich hin und schenkte Ivan ein kurzes Lächeln. ,,Okay, gute Nacht'', murmelte er etwas leiser und legte seine Finger unter mein Kinn, um meinen Kopf zu heben. Wie in Zeitlupe kam Ivan mir mit seinem Gesicht immer näher und wollte mir gerade einen Kuss geben, als Jonas dazwischen rief: ,,Verdammt, könnt ihr das nicht woanders machen und uns allen diesen Anblick ersparen!'' Ivan stockte sofort in seiner Bewegung und gab mir anschließend nur einen kurzen Kuss auf die Wange, bevor er sich wieder aufstellte und in die Runde grinste. ,,Tut mir leid, ich kann einfach nicht widerstehen'', meinte er und ich zog überrascht die Augen nach oben. Was sollte das ganze von ihm? Wollte er irgendjemandem hier etwas beweisen? Sonst hätte er auch nie solche Art von Sprüchen rausgelassen. Verwirrt runzelte ich die Stirn und hob meinen Blick von meinen Fingern und fand mich direkt in Alessio's Augen wieder. Ich schenkte ihm einen entschuldigenden Blick und vermied den Blickkontakt zu ihm für den restlichen Abend.

Nach etwa einer Stunde wurde auch ich müde, während alle anderen mit jeder Minuten wacher schienen. Jedoch mussten sie sich auch nicht anstrengen, die Person, die gleich gegenüber sitzt zu ignorieren. Ich stand also langsam auf und verabschiedete mich von allen. Mit langsamen Schritten lief ich auf die Villa zu und betrat sie dann. Bevor ich schlafen ging, entschied ich mich noch ein Glas Wasser zu trinken, also begann ich nach der Küche zu suchen und fand sie auch relativ schnell.
Während ich an meinem Glas nippte und allmählich durchatmete, sprach ich mir immer wieder aufmunternde Sätze zu. Ich hatte den ersten Tag geschafft, in dem ich Alessio sehen musste. Fehlten nur noch weitere sechs Tage. Ich würde das schaffen.
Wie als hätten ihn der Teufel geschickt, betrat Alessio die Küche und blieb gleich in der Tür stehen, als er mich bemerkte. Er atmete einmal laut ein und aus und kam plötzlich auf mich zu. Sofort spannte sich mein Körper an und mein Atem wurde unregelmäßiger, während er mir immer näher kam und erst dicht vor mir stehen blieb. Ohne ein Wort starrten wir uns gegenseitig in die Augen, die seinen ganz. besonderen Glanz verloren hatten. ,,Kannst du kurz zur Seite gehen, ich muss ein paar Flaschen aus dem Kühlschrank holen'', sprach er plötzlich und meine Wangen färbten sich sofort rot. Ich hatte mich an den Kühlschrank gelehnt und ging sofort zur Seite, damit er die Tür öffnen, und Bierflaschen heraus nehmen konnte. ,,Ivan und du also'', meinte er dann, etwas undeutlich, aber trotzdem verständlich für mich. Ich senkte meinen Blick und sah auf den Boden. ,,J-Ja'', stotterte ich und spürte schon, wie meine Wangen noch roter wurden, als sie sowieso schon waren. ,,Ich wusste schon immer, dass er was von dir will'', zischte er plötzlich, mehr zu sich selbst, als zu mir und ich schaute ihn sofort an. Alessio starrte die Wand an und hatte die Augenbrauen wütend zusammengezogen. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte, also entschied ich mich, einfach nur leise zu sein und darauf zu warten, dass er vielleicht noch etwas von sich gab. ,,Wie lange geht das schon?'', fragte er plötzlich und drehte seinen Kopf zu mir. ,,E-Ehm, ungefähr drei Jahre, vielleicht auch etwas mehr'', antworte ich relativ leise. Ich wollte mit ihm nicht über dieses Thema sprechen. Ich wollte allgemein nicht mit ihm sprechen. ,,Wow, und ich erfahre es erst jetzt'', murmelte er und schüttelte leicht seinen Kopf. Überrascht riss ich die Augen auf. ,,Du-Du wusstest es nicht?'', fragte ich ihn und bekam ein Kopfschütteln als Antwort. ,,Ich hab mich schon gewundert, wieso eine so schöne Frau keinen Neuen hat'', sprach er leise aus und ließ seinen Blick ganz langsam über meinen Körper schweifen. ,,Es tut mir leid, hätte ich das gewusst, h-hätte ich..'' Was hätte ich? So getan, als wäre nichts zwischen Ivan und mir, nur um Alessio's Gefühle nicht zu verletzen? ,,Schon okay. Es..Es war sowieso irgendwie klar'', meinte er und zuckte mit den Schultern, bevor sich unsere Blicke erneut trafen. ,,Was war klar?'' ,,Naja, dass du einen Neuen hast. Ist ja keiner so blöd wie ich und wartet Jahre lang auf jemanden, der nie wieder zurück kommen wird.'' Zum Ende hin wurde er immer leiser und mein Herz begann sich langsam bei seinen Worten zusammen zu ziehen. ,,Alessio, ich..es tut mir leid'', stotterte ich erneut. Schnell schüttelte er den Kopf und blickte mich voller Reue an. ,,Dir braucht nichts leid tun. Hoffentlich..wirst du glücklich.'' Mit diesen beiden Sätzen schnappte er sich schnell die Flaschen und lief aus der Küche, ohne auf eine Antwort von mir zu warten.

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