K A P I T E L 18

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-Joana's Sicht-

Am späten Abend klopfte es an meiner Zimmertür und wenig später betrat mein Cousin Carlos mein Zimmer. Seitdem er mich bei Alessio 'abgeholt' und mich zuhause eingesperrt hatte, habe ich weder ein Wort mit ihm gewechselt, noch ihn gesehen. Mit gesenktem Blick kam er auf mein Bett zu, in dem ich lag und setzte sich zu mir. ,,Joana, i-ich..ich wollte mich bei dir entschuldigen. Ich wollte dich nicht verletzen oder sonst irgendwas in diese Richtung, nein, ganz im Gegenteil, ich wollte dich nur beschützen, das ist alles'', erklärte er und sah mir vorsichtig und entschuldigend in die Augen. Ein leichtes Lächeln umspielte meine Lippen. ,,Schon gut, ich bin es einfach nicht gewohnt, in solchen Situationen zu sein, und eingesperrt zu werden.''
,,Tja, dann musst du dich wohl ein anderes Mal daran gewöhnen, es passiert seit ein paar Tagen nichts mehr. Ich habe mit Onkel Malik gesprochen. Du kannst raus, aber nur unter einer Bedingung!'' Erfreut sprang ich auf und stellte mich dicht vor ihn. ,,Was ist die Bedingung! Ich würde alles tun!'', rief ich glücklich und mein Cousin musste laut los lachen. ,,Du musst immer ein Handy bei dir haben und erreichbar sein. Und du musst uns immer bescheid sagen, wo du hinwillst und so weiter. Eigentlich das Übliche'', erklärte er und ich fiel ihm lachend um den Hals. Er drückte mich fest an sich und drückte mir einen kurzen Kuss auf den Kopf, bevor er mich wieder losließ und mich frech angrinste. ,,Wir möchten uns in der Villa versammeln und mit der Familie grillen, hast du Lust?'', fragte er mich und stand auf. Grinsend nickte ich und begab mich ins Bad, um mich nach vielen Tagen wieder zurecht zu machen.

Der Abend verlief sehr gut, wir hatten alle gemeinsam Spaß bei unserer etwas zu groß geratenen 'kleinen' Grillparty in dem zentralen Treffpunkt der Mafia.
Ein paar Gläser zu viel machten sich dann auch schon am nächsten Morgen bemerkbar. Mein Kopf dröhnte und nur schwer konnte ich meine Augen öffnen. ,,Ich bringe dich um, Aurora'', brachte ich schwer heraus, als ich die hübsche schwarzhaarige Aurora neben mir im Bett erblickte. Zeitgleich öffnete sie ebenfalls schwer ihre Augen und hielt sich sofort ihren Kopf. Sie hatte uns alle dazu gebracht, immer wieder noch ein Glas zu trinken mit dem Versprechen ''Das ist unser letztes Glas!'' Man könnte sagen, sie hat uns alle abgefüllt.

Vorsichtig begab ich mich aus dem Bett und lief die Treppen runter nach unten wo schon alle meine Cousins fröhlich am Tisch saßen und frühstückten. ,,Du trinkst wohl nicht so oft!'', stellte Pedro belustigt fest und klopfte auf den Platz neben sich auf den ich mich dann setzte. ,,Wie könnt ihr so glücklich sein? Ihr habt mindestens genau so viel getrunken wie ich! Wenn nicht sogar mehr'', murmelte ich und nahm das Glas Wasser entgegen, welches mir Carlos reichte. ,,Wir sind sowas gewohnt, Kleine. Außerdem hat dein Vater da so ein komisches altes Sprichwort rausgekramt, als wir alle langsam begannen zu trinken'', meinte Carlos und grinste mich frech an. ,,Und das wäre?'', fragte ich. ,,Wer trinkt, muss auch kämpfen.'' ,,Und wer kämpft, darf auch trinken'', beendete Bruno das sogenannte Sprichwort und alle am Tisch grinsten mich siegessicher an. ,,Was soll das heißen?'', fragte ich etwas verwirrt. ,,Heute wird gekämpft, Joana.''

Carlos und Ivan führten mich in eine riesige Lagerhalle, ein paar Minuten von der Villa entfernt. Ich wusste, dass die Mafia über viel Geld verfügte, aber als ich die Lagerhalle von innen betrachtete wurde mir erst bewusst, wie viel Geld sie wirklich hatten.
Es war eine Art Trainingsraum, an den Wänden standen Puppen und total viele Kampfwerkzeuge. In der Mitte standen mehrere Boxsäcke. Eigentlich gab es hier alles, was man brauchte um einen Spezialagenten auszubilden. An den verschiedenen "Stationen" waren viele Jungendliche beschäftigt und trainiert so hart, dass man meinen könnte, sie bereiten sich auf einen Krieg vor, der in den nächsten zwei Tagen stattfinden wird.

Ivan fasste mich an der Hand und zog mich zu einem Tisch auf dem viele Messer lagen. Etwa 30 Meter entfernt stand eine Puppe, dessen 'Schwachpunkte' rot gekennzeichnet waren. Somit befand sich ein roter Punkt mitten im Gesicht, ein anderer am Herz.
,,Du musst das Messer werfen, versuch die roten Kreise zu treffen, das wird seine Zeit brauchen, bis du das Messer ordentlich genug werfen kannst, sodass es wenigstens in der Puppen stecken bleibt, aber wir haben Zeit'', erklärte mir Ivan und Carlos reichte mir ein Messer. ,,Kann mir das vielleicht einer vormachen, ich weiß nicht wirklich, wie ich das anstellen soll'', fragte ich hilflos und Aurora kam fröhlich hergesprungen und nahm sich ein Messer. Mit einem Schwung warf sie das Messer und traf mitten im Gesicht. Erschrocken, mit welcher Kraft und Zielsicherheit sie werfen konnte, blickte ich meine Cousine an, bei der ich bisher nur ein junges liebes Mädchen mit einer Alkoholvorliebe erkennen konnte. Das änderte mein ganzes Bild von ihr.
,,Das ist Aurora's Lieblingsstand, jetzt weißt du ja wieso'', meinte Carlos lachend und klopfte seiner kleinen Schwester stolz auf die Schulter.
,,Jetzt du'', forderte mich Ivan auf und stellte sich dicht hinter mich. Er griff nach meiner Hand und zeigte mir ungefähr, wie ich das Messer zu werfen habe. Langsam lehnte er sich über meine Schulter. ,,Denk an eine Person, die du zutiefst hasst und stell dir vor, diese Person steht vor dir'', flüsterte er so leise an meinem Ohr, dass nur ich es hören konnte. Seine Lippen streiften mein Ohr und ich bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper, als er sich langsam zurück zog und sich ein paar Schritte von mir weg stellte. Auch die anderen gingen einige Schritte zurück, immerhin hatte ich noch nie ein Messer auf etwas geworfen und wer weiß, wo dieses Messer gleich landen würde.

Ich dachte an Ivan's Worte, nur eine Person kam mir in den Sinn, die ich wirklich hasse. Und zwar die Person, die meine Mutter getötet hatte. Ich weiß nicht, wer es war, oder wie diese Person aussah, aber ich stellte mir nun einfach vor, diese Person wäre diese Puppe und eine ungeheure Wut überkam mich. Ich fixierte die Puppe und fühlte mich plötzlich sicherer mit dem Messer in der Hand. Ich umklammerte es fester und warf das Messer mit all der Wut und Kraft, die ich hatte auf die Puppe.
Das Messer bohrte sich in die Mitte der Puppe und eine angenehme Stille bereitete sich plötzlich im gesamten Lager aus. Alle Blicke der Anwesenden waren auf die Puppe gerichtet. Auf die Puppe in dessen Gesicht nun ein Messer steckte. Ein Messer, welches ich geworfen hatte.
Der erste der reagieren konnte war Ivan, er stellte sich dicht neben mich und betrachtete mich von der Seite. ,,Das war..sehr gut, ehrlich gesagt hat das beim ersten Versuch noch keiner geschafft'', murmelte er und die Blicke der Anwesenden richteten sich nun auf mich. ,,Anfängerglück?'', fragte ich unsicher und schaute meine Cousins und Ivan abwechselnd an. Alle grinsten mich nun frech an und Aurora reichte mir ein weiteres Messer. ,,Das wollen wir mal sehen'', meinte sie und forderte mich somit auf, noch einmal das Messer zu werden.
Wieder fixierte ich die Puppe mit meinen Augen und stellte mir diese bestimmte Person vor. Wieder warf ich das Messer und wieder bohrte es sich in die Puppe, diesmal an einer anderen Stelle. Genau ins Herz. ,,Jaja, Anfängerglück'', meinte Carlos und nahm mich fröhlich in den Arm. ,,Wir haben wohl ein neues Talent. Sie wird Onkel Fabio noch überholen, wenn sie in den anderen Bereichen genau so gut ist'', rief Carlos und lachte laut auf. Alle anderen taten es ihm gleich. ,,Fabio ist der beste und stärkste Mann der Mafia'', erklärt mir Ivan, als er meinen verwirrten Blick sah.

,,Das will ich doch sehen'', rief plötzlich jemand ein paar Meter entfernt von uns und wir alle drehten uns zu meinem Onkel Fabio, der belustigt in die Runde sah und sein Blick dann auf die Puppe glitt, in der noch immer die zwei Messer steckten. ,,Hast du die geworfen?'', fragte Fabio mich und ich nickte. Er grinste mich an und zog seine Augenbrauen hoch. ,,Nicht schlecht.''

Den ganzen restlichen Tag verbrachten wir noch im Trainingslager. Ich warf noch ein paar Messer, dann übten wir das Schießen und sogar das Kämpfen mit einem Schwert. Alle diese Dinge beherrschte ich zu meiner Überraschung ausgesprochen gut, und alle waren stolz auf mich. Nur scheiterte es dann am Boxsack. Ich hatte nicht genug Kraft, um ordentlich gegen den Sack zu boxen.
Als ich bei der letzten Aufgabe endlich scheiterte, war Fabio sichtlich froh, dass ich doch nicht viel besser war, als er und zog mich damit auf, dass ich keine Kraft in den Armen hätte. Immer wieder sagten mir alle, wie überrascht sie waren und fragten mehrmals, ob ich wirklich zum ersten Mal diese Dinge tat.
Immer wieder bestätigte ich, dass es mein erstes Mal war, dass ich Messer durch die Gegend warf, schoss und Schwerte durch die Gegend schwang.
Am Ende des Tages war ich einfach nur noch total müde, als ich mit Ivan in sein Zimmer lief und sofort auf seinem Bett einschlief.

Mission IncompleteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt